Wir treffen Jan Kovar in der Lounge, die zur Garderobe des EV Zug im OYM-Trainingszentrum in Cham gehört. Der Tschechische Stürmer kommt direkt vom Eistraining. Als wir mit dem Gespräch beginnen, setzen sich Leonardo Genoni und Goalietrainer Simon Pfister neben uns hin. «Wir wollen zuhören», sagt Genoni scherzend.
«Komm, wir verziehen uns», antwortet Kovar, und setzt sich an einen anderen Tisch, nicht ohne ein Grinsen und einen weiteren Spruch in Richtung Genoni. Die Stimmung beim EVZ ist nach dem Meistertitel im Frühjahr immer noch bestens.
Jan Kovar, wie lange lief die Party nach dem Meistertitel im letzten Frühling?
Jan Kovar: Sie läuft immer noch (lacht). Nein, das ist natürlich nur Spass. Ich war nach dem Final für ein paar Tage hier, dann ging ich nach Tschechien, wegen der anstehenden Weltmeisterschaft. Aber wir haben tatsächlich jetzt, wo es etwas ruhiger ist und viele geimpft sind, nochmals gefeiert. Wir sprechen noch oft über den Titel und die Szenen danach.
Was war die verrückteste Aktion während der Party?
Es ist wirklich nicht viel Verrücktes passiert. Der schönste Moment war, als wir bei unserer Arena auf dem Balkon standen und sahen, wie viele Leute dort standen, uns unterstützten und mit uns feierten. Da habe ich verstanden, was wir der Stadt und den Fans bedeuten.
Als Sie den Titel gewonnen haben, waren gerade einmal 50 Fans im Stadion zugelassen. Hat es sich trotzdem speziell angefühlt?
Klar. In diesem letzten Spiel gehen dir alle möglichen Emotionen durch den Kopf. Das ist extrem speziell. Natürlich wäre es mit den Fans noch besser gewesen, aber es war trotzdem ein grossartiger Moment für alle Beteiligten.
Was ging Ihnen durch den Kopf, als sie den Pokal in den Händen hielten?
Ich war einfach nur glücklich für alle. Ich wusste, wie lange Zug schon auf einen Titel wartete, ich wusste, dass einige der Jungs schon mehrfach in einem Final standen. Und wir haben endlich den nächsten Schritt geschafft.
Wenn Sie jetzt zurückblicken, was war das Erfolgsrezept der letzten Saison?
Es gelang uns sehr gut, den Fokus zu behalten. Wir waren die ganze Saison extrem solid, hatten kaum schlechte Phasen. Die Regular Season war grossartig, wir stellten einen Punkterekord auf, schossen viele Tore, zeigten gute Spiele. Das festigte das Gerüst des Erfolgs.
Viele sagen, das OYM hätte den Unterschied ausgemacht.
Es ist einfach gesagt, dass dieses Gebäude uns hilft. Aber es ist nicht so, dass deshalb alles anders wurde. Die Off-Ice-Coaches arbeiten schon lange gut mit uns, aber jetzt haben sie noch mehr Möglichkeiten und ihre Arbeit wird vereinfacht. Das OYM ist «next-level» und hilft uns sicher, aber dahinter stehen auch viele Menschen, die schon lange in diesem System arbeiten.
Dafür werdet ihr hier konstant beobachtet und beaufsichtigt: Beim Training, beim Essen und selbst beim Schlafen werden gewisse Daten erfasst.
Jede Münze hat zwei Seiten. Wo es Vorteile gibt, sind oft auch Nachteile. Aber wenn du am Ende in den Daten siehst, wie das OYM dir hilft, Fortschritte zu erzielen, dann ist es das Wert. Es hilft uns nicht nur jetzt, sondern auch für die Zukunft.
Haben wir letzte Saison den besten Jan Kovar der Geschichte gesehen?
Ich weiss es nicht, glaube aber nicht, dass ich das beste Hockey meiner Karriere gespielt habe. Der Sport verändert sich ständig, da ist es fast nicht möglich, die letzte Saison mit früheren Saisons meiner Karriere zu vergleichen. Ich habe auch einige gute Jahre in Russland gespielt, es war einfach ein etwas anderes Hockey.
Inwiefern hat sich das Eishockey denn verändert in den letzten Jahren?
Das Spiel ohne Puck ist viel wichtiger geworden. Man hat den Puck im heutigen Hockey viel weniger lange am Stock. Die Einsätze sind zudem viel kürzer. Ich erinnere mich an 2016, als wir im KHL-Final gegen ZSKA Moskau spielten, stellten sie Radulov jeweils nur für knapp 35 Sekunden aufs Eis, während unsere Linie mehr als eine Minute draussen war.
In der ganzen Liga schien man beeindruckt von Ihren Leistungen. Sie wurden zum MVP gekürt.
Das ist grossartig, ein gutes Gefühl. Es ist gleichbedeutend mit Anerkennung von gegnerischen Spielern und Trainern. Ich bin kein Spieler, gegen den man gerne spielt, ich bin auf dem Eis nicht besonders freundlich. Es ist schön zu sehen, dass das respektiert wird.
Gefällt Ihnen die Rolle des Spielers, der dem Gegner auch mal unter die Haut geht?
Natürlich, das ist meine Aufgabe. Ich liebe es. Ich liebe es, in allen möglichen Situationen auf dem Eis ein «pain in the ass» zu sein.
Warum haben Sie sich 2019 überhaupt für einen Wechsel nach Zug entschieden?
Ich habe es in der NHL versucht, was nicht geklappt hat. Danach habe ich ein halbes Jahr zuhause in Tschechien gespielt, aber ich wollte eigentlich lieber in die Schweiz. Eine Rückkehr nach Russland war gerade kein Thema. Ich habe meinen Agenten gefragt, dass er sich doch nach Angeboten umschauen soll, und es kamen gleich mehrere. Mein erstes Treffen war gleich mit Zug, und es hat richtig Spass gemacht. Ich sprach mit Trainer Dan Tangnes und Sportchef Reto Kläy. Ich war sofort beeindruckt vom Projekt, das sie hier auf die Beine gestellt haben. Es war schwierig für die anderen Teams, das zu schlagen.
Es gibt Leute, die sagen, Zug sei nur attraktiv wegen hohen Löhnen und tiefen Steuern.
Das interessiert mich nicht, ich bin Import-Spieler. Das Geld war mir nie wichtig. Viel wichtiger war für mich zu sehen, dass es eine hungrige Organisation ist. Ein Klub, der bereit ist, den Titel zu gewinnen. Vor mir haben sie mit Genoni den besten Goalie der Liga verpflichtet und mit Hofmann einen Stürmer, der im Jahr zuvor 30 Tore erzielt hat. Es war einfach, mich für diesen Klub zu entscheiden.
Wurden Ihre Erwartungen ans Schweizer Eishockey bestätigt?
Ich glaube, meine Erwartungen wurden bestätigt. Es war zu Beginn nicht einfach, wir hatten zehn Testspiele, aber kein einziges gegen ein Schweizer Team. Zum ersten Mal trat ich beim ersten Regular-Season-Spiel in Ambri gegen einen Klub aus der National League an. Ich habe schnelles Hockey erwartet und auch bekommen. Es gefällt mir gut hier.
Was unterscheidet das Schweizer Eishockey vom tschechischen?
Der grösste Unterschied ist meiner Meinung nach nicht auf dem Eis. Die Schweizer Spieler bleiben im Normalfall in der Schweiz. Wenn in Tschechien ein junger Spieler eine gute Saison hat, muss er ins Ausland, um Geld zu machen. Hier haben sie eine recht gute Chance, zuhause und in der Liga bleiben zu können. Der einzige Grund zu gehen ist die NHL. Das ist grossartig und macht die Liga immer besser.
Sie haben Ihr Glück auch in Nordamerika versucht, erhielten einen Vertrag von den New York Islanders, spielten dann aber nur kurz in der AHL. Hat der Biss gefehlt?
Das war überhaupt nicht so, ich war bereit, mich durchzubeissen. Ich hatte eigentlich keine Pläne, vorzeitig nach Europa zurückzukehren. Aber sie sagten mir, ich solle nicht nach Bridgeport gehen und dann haben sie meinen Vertrag aufgelöst. Damit habe ich nicht gerechnet. Ich wollte mich beweisen, habe aber gar nie eine Chance dafür gekriegt.
Sie hätten diesen Sommer auch aus ihrem Vertrag in Zug aussteigen können …
… ich wusste sofort, dass ich in Zug bleiben möchte und habe das Dan und Reto auch gleich mitgeteilt. Man weiss nie, was passiert, gerade in der aktuellen Situation mit Corona. Deshalb wollte ich gar nicht irgendwo anders hin.
Nach dem Abgang von Raphael Diaz sind Sie neu auch Captain beim EVZ. Was bedeutet Ihnen das?
Das ist riesig. Ich bin sehr stolz und glücklich und freue mich auf die neue Saison. Ich will mich deshalb aber nicht verändern. Dan hat mir das «C» ja aus Gründen der letzten Saison gegeben, also brauche ich auch nicht viel anders zu machen.
Wie sieht Ihr Führungsstil aus? Sind sie laut, oder gehen sie lieber auf dem Eis mit bestem Beispiel voran?
Ich glaube, der beste Führungsstil ist eine gute Balance zwischen allem zu finden. Letztes Jahr hatten wir beispielsweise wenige Spiele, in denen es Gründe gab, laut zu werden. Wir haben eine gute Gruppe in unserem Team und halten uns gegenseitig verantwortlich. Jeder kann aufstehen und etwas sagen, wenn er das möchte. Carl Klingberg bleibt, Reto Suri kehrt zurück, Anton Lander hat viel Erfahrung. Wir haben genug Führungsspieler im Team, es geht nicht nur um mich.
Die Erwartungen in Zug werden wieder gross sein. Dabei müssen Sie Abgänge von Raphael Diaz und Grégory Hofmann verkraften.
Das sind natürlich grosse Namen, die weggehen. Aber wir haben auch viele neue gute Spieler. Ich hoffe, dass es uns so gelingt, das Niveau des letzten Jahres zu halten. Wir haben immer noch grosses Potenzial.
Spüren Sie, dass das Team hungrig ist auf einen zweiten Titel in Serie?
Das glaube ich, ja.