Am 10. November letzten Jahres wurde bekannt, dass Silvan Wallner, der damals 22-jährige Verteidiger und Schweizer U21-Nationalspieler aus Uitikon, seine Karriere per sofort beendet. Wallner wurde 2022 mit dem FC Zürich Schweizer Meister und spielte zum Zeitpunkt seines plötzlichen Rücktritts in Österreich bei Bundesligist Blau-Weiss Linz. Sofort wurden Stimmen laut, die ihn in den Fängen einer christlichen Sekte wähnten, was Wallner in einem aufsehenerregenden Interview mit den Zeitungen von CH Media jedoch vehement verneinte. Man habe damals seine christliche Glaubensausrichtung in Zweifel gezogen, weil er den Samstag als den siebten Tag der Woche ehren wolle. Seither wurde es ruhig um den ehemaligen Junior von 4.-Ligist FC Uitikon. Fünf Monate nach seinem Rücktritt vom Profisport äussert sich Wallner erstmals wieder öffentlich. Seit zwei Monaten weilt er in Brisbane im Nordosten Australiens.
Sie sind Ende Januar nach Australien geflogen. Wie geht es Ihnen in Down Under?
Silvan Wallner: Danke der Nachfrage. Die 16'000 Kilometer lange Reise nach Australien hat sich als eine der besten Entscheidungen meines Lebens herausgestellt. Es ist wunderschön hier und mir geht es hervorragend – oder wie man in Australien sagt: «Cheers, I'm doing good, mate.»
Was macht ein Ex-Fussballprofi in Australien?
Eine gute Frage. Zunächst hatte ich darüber nachgedacht, vielleicht ein Studium zu beginnen, eine Reise zu unternehmen oder eine neue berufliche Herausforderung anzunehmen. Nach gründlicher Überlegung habe ich mich entschieden, eine Bibelschule zu besuchen. Es ist eine unglaublich bereichernde Erfahrung. Was ich hier erlebe, ist weit mehr als nur Unterricht. Es ist eine Erkundung des Lebens, des Charakters, der Liebe, der Natur und sogar der gesunden Lebensweise.
War der Flug nach Australien eine Flucht aus der Schweiz?
Nein, eine Flucht war es nicht. Ich habe mir das alles gründlich überlegt und wollte einfach einmal etwas anderes erleben. Ich betrachte den Zeitpunkt für dieses Abenteuer als ideal, bevor es mit einem Studium oder einer Arbeitsstelle weitergeht. Wir sind hier in der Bibelschule eine Gruppe von Menschen aus allen Teilen der Welt, die miteinander lernen und Gemeinschaft haben. Zudem engagieren wir uns aktiv in der Gesellschaft. Vor kurzem fegte ein Zyklon um uns herum, sodass wir in der Umgebung Nächstenhilfe leisteten.
Sun und Fun am Strand gibt es aber auch?
Ja, natürlich. Wir sind hier schliesslich in Australien. (lacht) Ich geniesse neben den kulturellen Unterschieden und den persönlichen Geschichten der Menschen auch das angenehme Klima am Strand in vollen Zügen. Und ja, ich gebe zu, beim Surfen bin ich noch nicht der König der Wellen, aber ich nehme es gelassen.
Wie lange werden Sie in Australien bleiben?
Mein Visum erlaubt mir einen Aufenthalt von bis zu einem Jahr. Die Monate nach meinem dreimonatigen Programm sind noch offen. Ich habe die Möglichkeit, meinen Aufenthalt zu verlängern oder ein neues Projekt zu starten. Eventuell mit einem sportlichen Hintergrund.
Am 10. November letzten Jahres sind Sie per sofort vom Profifussball zurückgetreten. Ihr neuer Glaube soll mit dem erwerbsmässigen Fussballspielen am Samstag nicht mehr vereinbar gewesen sein. Wie waren die ersten Wochen nach der Entscheidung für Sie?
Es war eine emotional sehr bewegende Zeit, es gab eine massive Veränderung in meinem Leben. Aber ich darf behaupten, dass mich der Rücktritt vom Profifussball geformt und in eine innere Ruhe gebracht hat.
Verstanden hat man Ihre Entscheidung nicht wirklich. Es wurde in den Medien viel spekuliert darüber, ob Sie in die Fänge einer Sekte geraten waren. Wie gingen Sie mit der ganzen medialen Präsenz um?
Ich hätte nie damit gerechnet, dass meine Entscheidung so viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde. Es gab in der ersten Phase interessante Gespräche mit verschiedenen Personen aus der ganzen Welt, und ich beantwortete die Anfragen fürsorglich und mit Freude.
Was geschah in den ersten Wochen nach Ihrem Rücktritt?
Ich verbrachte nach meiner Abreise aus Österreich kurze Zeit bei meiner Familie in Uitikon. Dann unternahm ich eine kurze entspannte Reise nach Malta zu einem guten Freund.
Hand aufs Herz: Haben Sie Ihren Entscheid, Ihren Job als gut bezahlter Profifussballer im Alter von 22 Jahren an den Nagel zu hängen, bisher einmal bereut?
Nein, das habe ich nicht. Natürlich waren insbesondere die Tage vor meiner Entscheidung eine regelrechte Achterbahn der Gefühle. Soll ich, soll ich nicht? Aber nach dieser intensiven Phase fand ich Klarheit darüber, was für mich das Richtige ist. Heute kann ich sagen, dass ich diesen Schritt nie bereut habe. Im Gegenteil. Ich habe grosse Freude an meinem neuen Leben.
Es war damals die Rede davon, dass Sie während Ihrer Zeit in Linz den Siebenten-Tags-Adventisten beigetreten sind. Stimmt das?
Ich bin bis heute kein Mitglied der Adventisten. Allerdings befasse ich mich tiefgründig mit deren Ausrichtung. Die Bibelschule, die ich besuche, wird von den Adventisten geleitet. Für mich ist vor allem die Lehre der Bibel und das Christsein entscheidend. Ich schätze die Erzählung über das Leben von Jesus und die Werte, die er vertreten hat: Liebe, Frieden, Respekt und Verantwortung. Darauf zu fokussieren, motiviert mich.
Sie tönen sehr entspannt.
Das bin ich auch. Sehen Sie, ich glaube, dass es jedem Menschen selbst überlassen ist, den Weg für sich zu finden. Es geht darum, sich zu öffnen und sich zu fragen: «Was suche ich wirklich im Leben?»
Es war zu vernehmen, dass Blau-Weiss Linz nicht sehr erfreut gewesen war über Ihren überstürzten Rücktritt. Ich habe gehört, dass die Österreicher sogar eine Strafzahlung von Ihnen eingefordert haben sollen. Stimmt das?
Natürlich war Blau-Weiss Linz über meinen Entscheid nicht wirklich erfreut. Zu den vertraglichen Vereinbarungen kann ich aber keine Stellung beziehen, da wir Stillschweigen vereinbart haben. Ich kann nur sagen, dass der Verein und die Vereinsführung fair und korrekt mit mir umgegangen sind. Es freut mich, zu hören, dass sie aktuell mit ihrem freudigen Spielstil und ihrem Teamzusammenhalt einen guten Lauf haben. Der Verein wird immer ein Teil von meinem Leben sein.
Wenn Sie wieder in die Schweiz zurückkehren: Können Sie sich vorstellen, für den FC Uitikon in der 4. Liga zu spielen?
Moreno Cincera (ein Spieler von Uitikon, Anmerkung der Redaktion) hat mich schon mehr als einmal darauf angesprochen. Und, ja, ich kann mir durchaus vorstellen, dass ich in Zukunft einmal mit meinen alten Uitiker Freunden auf dem Sportplatz Sürenloh Fussball spielen werde. (riz/aargauerzeitung.ch)
Aber was weiss ich schon, während der Typ am Strand chillt und Bibelverse rezitiert mache ich mir Sorgen um meine queeren Friends in den Staaten.