Ski-Trainer belästigte Juniorinnen: Jetzt kritisiert Ex-Regioverband-Präsident das Gericht
Zu Minderjährigen sagte er: «Jetzt müsst ihr die Beine spreizen, das macht ihr ja sonst nie.» Eine Athletin musste sich anhören, sie wolle nur zu ihrem Freund, «um dreckige Dinge zu machen». Und Ende eines Trainingslagers soll er gesagt haben: «Frauen nach vorne auf die Knie, wie es sich gehört.»
Ein früherer Cheftrainer der Juniorinnen in einem Regionalverband von Swiss Ski beging wiederholt Grenzverletzungen. Das hat CH Media in einer Recherche Anfang Woche öffentlich gemacht.
Gaudenz Bavier war Präsident des betroffenen Bündner Skiverbands, in dem es zu den Grenzverletzungen gegenüber den Mädchen im Alter zwischen 16 und 18 Jahren kam. Im Sommer legte er sein Amt nieder. Nun erhebt der 67-Jährige schwere Vorwürfe gegen das Schweizer Sportgericht.
Wie haben Sie die letzten Tage erlebt, seit die Vorfälle im Bündner Skiverband publik geworden sind?
Gaudenz Bavier: Zunächst muss ich sagen: Was CH Media geschrieben hat, stimmt nicht. Eisbäder und Duschen sind heute ganz normal.
Das bestreitet auch niemand. Aber ist es normal, dass ein 50-jähriger Trainer die Mädchen dabei beobachtet?
Nein, natürlich nicht. Es wurde auch so dargestellt, dass aus allen eine Lara Gut-Behrami geworden wäre. Wir müssen klar sehen: Das ist die dritte Garnitur. Wenn von neun drei den Sprung in ein Kader von Swiss Ski schaffen, ist das eine gute Ausbeute.
Wir schrieben, dass sie davon «träumten, dereinst wie Lara Gut-Behrami im Weltcup zu starten». Heiligt der Zweck die Mittel?
Nein, natürlich nicht. Ich wollte damit nur betonen, dass der Trainer technisch und fachlich gut war. Andere haben seine fordernde Art als bereichernd erlebt. Das macht es nicht besser. Viele Äusserungen sind unüberlegt und unentschuldbar. Mich ärgert aber auch das Urteil. Ich bin nicht glücklich darüber, wie bei Swiss Sport Integrity gearbeitet worden ist. Wenn Sie mich fragen, war das schlampig.
Was meinen Sie damit?
Alles, was die Athletinnen gesagt haben, wurde für bare Münze genommen. Aussagen der anderen Trainer aus dem Team wurden weniger stark gewichtet. Ich verstehe das, es geht um Opferschutz. Wir haben als Verband alles getan, alle Massnahmen unterstützt und kooperiert. Aber wissen Sie, wie ich vom Urteil erfahren habe?
Verraten Sie es uns.
Als ich im Sommer in der Badi war und aktiv danach gesucht habe. Das geht doch nicht. Das ist nicht professionell. Bis heute sind wir nicht von SSI über das Urteil informiert worden. Damit habe ich Mühe.
Dem Bündner Skiverband und Ihnen als Präsident wird unterstellt, Sie hätten die Probleme nicht ernst genommen. Wie stehen Sie zu diesen Vorwürfen?
Es heisst, ich hätte versucht, alles zu vertuschen. Das ist ein massiver Vorwurf, den ich so nicht stehen lassen kann. Ich bin seit 1976 im Skisport, war sieben Jahre Chef Leistungssport beim Schweizer Skiverband, zehn Jahre Präsident der Trainervereinigung. Ich hatte dabei immer mit Athletinnen zu tun. Sie sind unser Kapital, unser Potenzial. Ich hätte niemals eine Athletin geopfert. Diese Unterstellung ist unfair.
Schon wenige Wochen nach Stellenantritt berichtete der Trainer von Problemen mit den Athletinnen. Deswegen mache er jetzt nur noch Einzelsitzungen, «um mit den Damen klar zu kommen». Weshalb schrillten da nicht die Alarmglocken?
Hätte die Massnahme Erfolg gebracht, würde man diese Aussage im Rückblick vermutlich etwas anders auslegen.
Das sehen wir anders.
Ich glaube, es war auch Ausdruck seiner Überforderung. Das sind intelligente junge Frauen, die das Gymnasium besuchten. Da muss ich ganz ehrlich sein: Viele Trainer sind diesen Athletinnen intellektuell unterlegen. Der besagte Trainer lebt einfach in einer anderen Welt.
Wie kam es im 2019 zur Anstellung?
Wir hatten damals einen Trainer, der aus gesundheitlichen Gründen aufhören musste und inzwischen leider verstorben ist. Wir mussten schnell Ersatz haben. Ich habe Referenzen beim italienischen Verband eingeholt, die gut waren. Und ich bin extra nach Italien gefahren, um den Trainer auch persönlich kennenzulernen.
Wie erlebten Sie die ersten Monate mit dem neuen Trainer im Winter 2019?
Es gab Startschwierigkeiten, aber das ist normal. Die Athletinnen und das Trainerteam mussten sich zunächst kennenlernen. Danach hatte ich den Eindruck, dass es gut läuft. Beschwerden gab es jahrelang keine.
Wann erfuhren Sie erstmals davon, dass es Probleme mit dem Trainer gibt?
Erst 2022, als einige Athletinnen aufgehört haben und wir erfahren wollten, weshalb. Wir führten eine anonyme Befragung durch. Da kam heraus, dass vieles nicht gut läuft. Dass der besagte Trainer den Athletinnen nicht auf Augenhöhe begegnet und sexistische Sprüche macht.
Welche Massnahmen ergriffen Sie?
Wir haben sofort das Trainerteam einberufen und angehört. Er war überhaupt nicht einsichtig, hatte eine völlig andere Wahrnehmung und für alles eine Rechtfertigung. Ich habe ihm gesagt, dass das mit den Sprüchen nicht geht und man Athletinnen nicht an den Haaren ziehen kann.
Im SRF-Regionaljournal Graubünden sagten Sie, dass es früher normal gewesen sei, dass Serviceleute Fahrerinnen vor dem Start mit dem Schraubenzieher auf den Hintern geklopft hätten.
Das war Usus. Wie ein Ritual. Im Sinne von: «Machs gut!» Der Trainer ist in einer anderen Generation aufgewachsen. Eine Athletin empfand das als Schlag. Ich habe ihm gesagt, er müsse das Prozedere am Start mit jeder Athletin absprechen. Was er getan hat, war einfach blöd und unüberlegt. Diese Gespräche habe ich etliche Male mit ihm geführt.
Was geschah nach der Aussprache?
Wir haben ihm eine Psychologin zur Supervision zur Seite gestellt. Zudem kam es zu einer Aussprache mit dem Trainerteam, Eltern und Fahrerinnen. Das schien Wirkung zu zeigen.
Dennoch ging kurz darauf eine Meldung bei Swiss Sport Integrity ein.
SSI hat dann die Massnahme verhängt, dass der Trainer nicht mehr mit den Frauen alleine sein darf. Wir haben das begrüsst und mitgetragen, obwohl es uns organisatorisch natürlich vor Probleme gestellt hat. Man muss aber auch sehen, dass wir ihn nicht einfach fristlos entlassen konnten.
Hätten Sie das gerne getan?
Ganz ehrlich? Im ersten Moment schon. Dann kam ich zur Erkenntnis, dass wir ein Arbeitsrecht haben und jeder ein rechtliches Gehör verdient. Bald darauf erfolgte die Einvernahme.
Das Verhör bezeichnete der Trainer als «terrorisierend» und liess sich danach krank schreiben. Wie beurteilen Sie das?
Ich war nicht dabei. Für ihn war das alles nicht nachvollziehbar. Von da an hat er sich in die Opferrolle begeben. In seiner Wahrnehmung hat er nichts falsch gemacht. Er hat seine Athletinnen gerne gehabt. Aber er hat sich auch völlig falsch verhalten. Ich will wirklich nichts bagatellisieren. Aber für mich ist klar: Es war nicht willentlich, sondern unüberlegt. Es ist blöd, was er getan hat.
Hatten Sie seither Kontakt mit ihm?
Er hat mich am Montag angerufen und gefragt, was los ist. Daraufhin habe ich ihm einige Artikel zukommen lassen. Seither habe ich nichts gehört. Für mich gilt: Als Verbandspräsident muss man sich auch stellen, wenn etwas nicht gut läuft, auch wenn das unangenehm ist.
CH Media hat das Schweizer Sportgericht mit den Vorwürfen von Gaudenz Bavier konfrontiert. Dieses verzichtet mit Hinweis auf den Inhalt des Entscheids darauf, sich zu äussern. Dieser sei am 25. Februar 2025 gefällt und den beteiligten Parteien und Institutionen am gleichen Tag zugestellt worden. (riz/aargauerzeitung.ch)