Falsche Scheu kennt man im Schweizer Eishockey der Frauen nicht. Vier Spielerinnen, mit denen watson beim Medientag der Women's League spricht, geben den Titel als Ziel aus: Sinja Leemann vom SC Bern, Lara Stalder vom EV Zug, Julina Gianola vom HC Davos und Lisa Rüedi von den ZSC Lions. Und die Fünfte im Bunde, Lena-Marie Lutz von Ambri-Piotta, will mindestens den Final erreichen. Mehr als die Hälfte der acht Klubs in der höchsten Liga hat sich also grosse Ziele gesteckt. Spannung dürfte damit garantiert sein.
Zudem bringt die neue Saison auch eine Neuerung mit sich: Erstmals sind Bodychecks in der Women's League erlaubt. Bei den Spielerinnen stösst das ausschliesslich auf positive Resonanz. «Es macht das Spiel mega attraktiv und schneller. Es ist ein Mehrwert fürs Eishockey der Frauen», findet ZSC-Stürmerin Rüedi. Ambris Lutz fügt zudem an: «Es macht das Spiel als Athletin spannender.»
Ob die Regeländerung auch dabei hilft, das Interesse an dem Sport zu steigern? «Vielleicht an den Stammtischen», sagt die 31-jährige Lara Stalder, «da heisst es oft: ‹Die Frauen dürfen nicht checken, das ist langweilig und wollen wir nicht schauen.› Vielleicht denkt dort jetzt mal einer, dass er mit der Neuerung doch mal schauen geht.» Jedoch sei schon vorher physisch gespielt worden, stellt die EVZ-Stürmerin klar. Aber: «Es war nicht so klar, was man nun darf und was nicht.» Deshalb lobt Stalder den Schweizer Eishockeyverband, nun Klarheit bezüglich der bisher oftmals schwammigen Regeln geschaffen zu haben: «Es ist super, dass der Verband sich dafür eingesetzt hat und mutig vorangegangen ist.»
Stalder erhofft sich durch die Regeländerung aber auch weniger Verletzungen. Zwar klinge das erstmal kontraintuitiv, doch gehe man ganz anders ins Spiel, wenn man weiss, dass jederzeit ein Check kommen könnte. «Wenn man nicht bereit ist, den Kopf nicht oben hat, den Kontakt nicht erwartet, dann passieren Verletzungen», so Stalder. Jetzt wisse man jedoch, dass es physisch wird und man an der Bande gecheckt werden darf. Rüedi, die neben dem Eis Lehrerin ist, findet, dass man das Thema Gehirnerschütterungen im Auge behalten müsse, ist aber derselben Meinung wie Stalder: «Viele Gehirnerschütterungen sind passiert, weil wir eben nicht darauf vorbereitet waren. Jetzt sollte die Verletzungsgefahr nicht viel höher sein.»
Dies wird durch Statistiken aus der schwedischen Liga, in welcher Checks bereits seit 2022 erlaubt sind, untermauert. Das spricht auch Lena-Marie Lutz an und sagt: «Man bringt sich nicht mehr in Situationen, in denen man kopfvoran in die Bande fallen kann.» Für viele Spielerinnen ist es ohnehin nicht ganz neu, da sie in Juniorinnen-Zeiten bei den Jungs spielten, wo Checks bereits legal waren. Auch international wurde bereits physischer gespielt. Zudem bereiteten sich die Teams nun aktiv auf die Neuerung vor, wie beispielsweise Sinja Leemann vom SCB sagt.
Die Bernerinnen gehen als Titelverteidigerinnen in die Saison und haben sich unter anderem mit ZSC-Topskorerin Leemann sowie Ex-HCD-Verteidigerin Stefanie Wetli, die bei ihren bisherigen Klubs beide Captain waren, verstärkt. Zum Meister zu stossen sei eine zusätzliche Motivation, erklärt Leemann: «Man merkt das Kribbeln, den Titel verteidigen zu wollen.» Obwohl sie erstmal nicht die gleiche Rolle wie in Zürich haben wird, versucht die 23-jährige Stürmerin einfach weiterzumachen wie bisher: «Schlussendlich ist es nur ein Buchstabe. Man hat als Captain organisatorisch noch etwas mehr zu tun, aber ich verändere mich als Person nicht, nur weil ich kein ‹C› mehr auf dem Trikot habe.»
Ebenfalls in diesem Sommer gewechselt ist Lena-Marie Lutz. Bisher stürmte die 24-Jährige für den EV Zug, nun trägt sie das Trikot des HC Ambri-Piotta. Aufgrund ihrer schweren Verletzung im März, als sie sich Schien- und Wadenbein gebrochen hatte, verbrachte sie für ihre Reha einen Grossteil der Saisonvorbereitung im nationalen Sportzentrum in Magglingen. Weil sie viele ihrer neuen Teamkolleginnen bereits kannte und Italienisch spricht, war es für sie dennoch einfach, in das neue Team zu stossen. «Das Tessin ist nach dem Jahr in Lugano ohnehin ein bisschen mein Zuhause geworden», sagt Lutz.
Noch sei selbstverständlich nicht alles wie zuvor, besonders an der Beweglichkeit hapert es noch etwas, wobei Lutz berichtet: «Im Schlittschuh reicht es gerade so. Komplett schmerzfrei bin ich aber auch noch nicht.» Immerhin stand sie mit der Nati bei der Euro Hockey Tour bereits in drei Ernstkämpfen auf dem Eis. «Das war ein cooler Schritt für mich», sagt Lutz. Nachdem sie die Finalniederlage des EVZ verletzt verpasst hatte, möchte sie diese nun mit ihrem neuen Team erreichen: «Unser Ziel ist es klar, im Final zu spielen – und wenn man dort ist, will man auch gewinnen.»
Lutz' ehemalige Teamkolleginnen wollen dies auch. In Zug sei man nach dem Cupsieg und dem Einzug in den Playoff-Final im Vorjahr nur noch mit dem Double zufrieden, sagt Lara Stalder. Für den EVZ ist es zwar erst die zweite Saison in der Women's League, doch galt er aufgrund der hervorragenden Bedingungen sowie der grossen Qualität im Kader von Anfang an zu den Topteams und stellte dies auch unter Beweis. In der Best-of-5-Serie im Final war der SC Bern aber deutlich zu stark und gewann in drei Spielen. Danach wurden sechs neue Spielerinnen verpflichtet, darunter Alina Marti von den ZSC Lions. «Sie haben frischen Wind gebracht, wir müssen uns aber auch erst neu kennenlernen», erklärt Routinier Stalder.
Über eine eingespielte Truppe verfügt der HC Davos. In der letzten Saison wurden die Bündnerinnen Dritte, jetzt soll es endlich mit dem Finaleinzug oder gar dem Titel klappen, findet Julina Gianola, Tochter von HCD-Legende und -CEO Marc Gianola. In Davos könne das aber nur funktionieren, «wenn wir als Team zusammenstehen und uns an den Gameplan halten». Dieser kommt in der neuen Saison von Evelina Raselli, der neuen Trainerin. «Wir haben einen super Coachingstaff, der immer gute Inputs geben kann», lobt die 23-jährige Gianola, «so kommt das sicher gut.»
Wieder zurück an die Spitze wollen nach einer enttäuschenden Saison mit dem Play-In-Aus die ZSC Lions. Der neunfache Schweizer Meister gewann zuvor drei Titel in Serie und stand seit 2009/10 immer im Playoff-Final. Diese Serie riss mit der Niederlage gegen Ambri. «Es war schwierig, nach drei Titeln die Emotionen nochmal hochzubekommen», befindet Lisa Rüedi. Die 24-jährige Stürmerin gibt sich mit Blick auf die neue Saison dennoch optimistisch: «Es hat sich viel verändert, darum glaube ich, sind wir auf dem richtigen Weg.»
Der ZSC verlor in Leemann, Marti sowie Skylar Fontaine zwar die drei besten Skorerinnen der Vorsaison, doch wurde auch ordentlich nachgerüstet. Besonders die neuen Ausländerinnen Kira Juodikis, Kristi Shashkina, Anja Trummer und Goalie Eveliina Mäkinen sorgen für Hoffnung. «Wir haben super aufgestockt und unsere Schwächen ausgebügelt», sagt Rüedi, für die klar ist: «Wir wollen wieder um den Titel spielen.»
Einen ersten Gradmesser, wie gut der ZSC in dieser Saison wirklich ist, gibt es gleich zum Saisonstart. Am heutigen Samstag treffen die Lions um 14 Uhr auswärts auf den SC Bern. Besonders wird die Partie vor allem für Sinja Leemann, die dann auf ihre alten Kolleginnen trifft: «Gegen sie zu spielen, wird sicher speziell, aber ich freue mich mega darauf und auch, die Leute wiederzusehen.»
Ebenfalls am Samstag stehen auch die anderen sechs Teams im Einsatz. Fribourg empfängt Davos (15 Uhr), Neuchâtel trifft auf Zug (16.45 Uhr) und Langenthal auf Ambri (18.45 Uhr). Am Sonntag stehen gleich drei weitere Partien auf dem Programm. Hier findest du den gesamten Spielplan. Die 28 Runden der Regular Season werden bis Ende Januar ausgetragen, die Playoffs beginnen dann nach den Olympischen Spielen Ende Februar.