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WM 2022 in Katar: Darum freut sich der Schweizer Fan-Leiter besonders

Blick auf die Skyline von Doha, wo in wenigen Tagen die WM beginnt.
Blick auf die Skyline von Doha, wo in wenigen Tagen die WM beginnt.bild: shutterstock
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Schweizer Fan-Leader über seine Katar-Reise: «So günstig war es an keinem anderen Turnier»

Der Schweizer Fan-Leader sagt, weshalb er sich auf die Fanmeile in Doha besonders freut, wie viel ihn seine Reise nach Katar kostet und wie er mit der Kritik am Turnier umgeht.
17.11.2022, 05:2918.11.2022, 07:25
Corsin Manser
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Marcel Rohner ist seit 30 Jahren leidenschaftlicher Fan der Schweizer Nationalmannschaft. Für die WM hat er einen Sonderauftrag. Er ist Fan-Leader und vertritt die Schweizer Fans gegenüber Katar und dem Schweizer Fussballverband. Vor einigen Wochen war Rohner bereits im Wüstenstaat, um sich mit den Fan-Delegierten der anderen Länder und den Organisatoren auszutauschen. Die nächste Reise an den Persischen Golf steht nun kurz bevor.

An (fast) jedem Nati-Spiel dabei: Marcel Rohner.
An (fast) jedem Nati-Spiel dabei: Marcel Rohner.bild: zvg

Heute in einer Woche ist das erste Spiel der Nati. Aufgeregt?
Marcel Rohner: Ja. Die Anspannung ist sehr gross. Ich stehe dauernd unter Strom. Ich arbeite zwar noch. Meine Gedanken drehen sich aber nur noch um Katar.

Wann fliegst du runter?
Mein Flug von Zürich geht am 23. November. Einen Tag vor dem ersten Nati-Spiel.

Fliegst du direkt?
Nein. Via Amman in Jordanien. Von dort geht es dann weiter nach Katar.

Wie kann ich mir das vorstellen: Sitzen in diesen Fliegern Dutzende Nati-Fans?
Das glaube ich nicht. Wir reisen alle individuell an und werden jetzt auch nicht die ganz grosse Masse sein.

16.12.2019, Vorschau zur Fussball Weltmeisterschaft 2022 in Katar, VAE. Al Wakrah, Qatar, Al Janoub Stadium in Al Wakrah, FIFA-WM-Stadion, *** 16 12 2019, Preview of the 2022 FIFA World Cup in Qatar,  ...
Das Al-Janoub Stadion: Hier spielt die Schweiz am 24. November gegen Kamerun.Bild: www.imago-images.de

Weiss man, wie viele Nati-Fans nach Katar reisen?
Wir gehen von 2000 bis 2500 Schweiz-Fans pro Spiel aus. Ein Teil reist aus der Westschweiz an, ein Teil aus dem Tessin und ein Teil aus der Deutschschweiz. Zudem werden einige Auslandsschweizer an die Spiele gehen.

Wie wirst du in Katar wohnen?
Ich habe ein Doppelzimmer gebucht in einer sogenannten «Fan-Villa». Ich wohne dort mit Kollegen, die ich von den Nati-Spielen kenne. Wir sind eine Gruppe von etwa zehn Leuten, die sich immer an den Länderspielen trifft. Die Unterkunft befindet sich etwa zehn Minuten ausserhalb von Doha.

Hier übernachtet Marcel Rohner in Katar:

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So übernachtet Marcel Rohner in Katar
In dieser Fan-Unterkunft wohnt Marcel Rohner in Katar.
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Wie bist du an die Tickets gekommen?
Ganz normal. Im April hat die FIFA das Verkaufsfenster geöffnet. Da habe ich ein Follow-Your-Team-Ticket gekauft. Das heisst, ich habe Billetts für alle Spiele der Nati, bis sie ausscheidet. Nachdem ich die Match-Tickets hatte, habe ich die Flüge und die Unterkunft gebucht. Das ging alles problemlos. Und war bemerkenswert günstig.

Ach ja?
Für die Unterkunft bezahle ich gerade mal 750 Franken für zwei Wochen.

Das ist wirklich nicht viel ...
Und solche Angebote gibt es massenhaft! Man sagt immer, Katar sei teuer. Ich habe für Flug und Unterkunft aber nur 2000 Franken bezahlt. Klar, damit habe ich noch nicht gegessen und getrunken. Trotzdem: So günstig war es an keinem anderen Turnier.

«Ein Grossteil unserer Ferien geht für die Schweizer Nati drauf.»

Sag mal, an wie vielen Nati-Spielen warst du im Leben?
Uff, schwierige Frage. Ich habe einen Fan-Kollegen aus dem Wallis, der führt genau Buch. Ich selber muss aber kurz überlegen.

So ungefähr?
Das erste Spiel war vor 30 Jahren im Hardturm. Danach war ich in England an der EM. Mittlerweile dürften es wohl so 200 Spiele sein, die ich live mitverfolgt habe. Ja, ist doch eine ziemlich grosse Zahl geworden über die Jahre.

Gehst du an jedes Nati-Spiel?
Manchmal muss ich eines aus privaten Gründen auslassen. Aber eigentlich versuche ich, an alle zu gehen. Während der WM-Qualifikation habe ich keines verpasst, war auch im Ausland immer dabei. Die Auswärtsspiele reizen mich sowieso besonders.

Marcel Rohner (links) mit seiner Tochter an der EM in Bukarest. Die Schweiz schlug dort Frankreich sensationell im Elfmeterschiessen.
Marcel Rohner (links) mit seiner Tochter an der EM in Bukarest. Die Schweiz schlug dort Frankreich sensationell im Elfmeterschiessen.bild: zvg

Man merkt es, du reist gerne. Bist du deshalb ein derart leidenschaftlicher Nati-Fan?
Nicht nur. Aber das Reisen an unbekannte Orte fasziniert mich tatsächlich immer wieder aufs Neue. Und wir sind eine Gruppe von Gleichgesinnten, die sich immer wieder trifft. Dabei lernen wir Länder wie Andorra oder die Färöer-Inseln kennen. Viele Leute wissen nicht mal, wo das ist. Die Reise auf die Färöer-Inseln war übrigens eines der schönsten Erlebnisse, das ich je hatte. Ich habe zudem das Glück, dass meine Familie meistens mitkommt. Zwei meiner drei Töchter sind leidenschaftliche Nati-Fans und meine Frau ebenfalls. Ein Grossteil unserer Ferien geht für die Schweizer Nati drauf.

«Ich persönlich spreche die Wichtigkeit der Menschenrechte, der Arbeitssicherheit und der Gleichstellung bei jedem Gespräch an.»

Es gibt viel Kritik an der WM in Katar. Die mangelnde Baustellensicherheit, die ungenügenden Rechte der Gastarbeiter und der LGBTQ+-Community etwa. Blendest du als Fan das einfach aus?
Nein, absolut nicht. Als Fan-Leader war ich bereits in Katar und habe mich mit den Fan-Delegierten anderer Länder zusammengetan. Wir setzen uns für Menschenrechte ein und haben dies den Veranstaltern auch deutlich zu verstehen gegeben. Auch die Baustellensicherheit liegt uns am Herzen. Ich glaube, kein Schweizer Fan, der nach Katar reist, verschliesst die Augen vor diesen Problematiken.

Da würde ich gerne nachhaken: Wie genau habt ihr den Katarern mitgeteilt, dass ihr euch Sorgen um die Menschenrechtslage im Land macht?
Wir haben dies vor allem in Einzelgesprächen diskutiert. Ich persönlich spreche die Wichtigkeit der Menschenrechte, der Arbeitssicherheit und der Gleichstellung bei jedem Gespräch an. Für mich steht aber das Sportliche im Vordergrund.

Wie geht dein Umfeld damit um, dass du nach Katar fliegst? Wirst du dafür kritisiert?
Ich stehe ganz klar dazu, dass ich nach Katar fliege. Es gibt dazu immer wieder negative Kommentare. Aber damit kann ich umgehen. Zudem bin ich der festen Überzeugung, dass sich durch die Vergabe der WM in Katar vieles verbessert hat. Das sagen mir auch meine Kontakte vor Ort.

Weisst du schon, wie es in Doha aussehen wird? Gibt es dort Fanmeilen?
Das Schöne an der WM in Katar ist, dass alle 32 Länder in Doha spielen. Die Stadien sind maximal 40 Minuten auseinander. Es gibt eine grosse Fanmeile, die 40'000 Fans fassen kann. Das ist eine gigantische Anlage mit Bühnen, Food-Ständen und Attraktionen. Auch Bier wird dort ausgeschenkt. An diesem Ort werden sich alle Fans der 32 Teilnehmer bewegen. Wir werden eine Fan-Kultur erleben, wie wir sie noch nie an einer WM hatten. Das wird ganz anders als an anderen Weltmeisterschaften. Denn dort sind jeweils nur zwei Mannschaften in einer Stadt. Auf das freue ich mich riesig, ich kenne ja auch die Fan-Leader der anderen Länder.

Marcel Rohner mit seinen Fan-Kollegen an einem Auswärtsspiel in England.
Marcel Rohner mit seinen Fan-Kollegen an einem Auswärtsspiel in England.bild: zvg

Steht ihr im Kontakt miteinander?
Ja, wir tauschen uns in Chats aus. Die Vorfreude, alle an einem Ort wiederzusehen, ist gross. Wir haben ja auch eine Fan-Mannschaft und nehmen an der Fan-Weltmeisterschaft teil. Vor drei Wochen hatten wir sogar ein Training mit Murat Yakin. In Doha spielen wir nun gegen die Fans von Brasilien, Serbien und Kamerun.

Sprechen wir doch noch kurz über diejenigen Schweizer, die wahrscheinlich noch ein Mü besser kicken können als ihr. Ich habe ja das Gefühl, dass die Nati so stark ist wie selten zuvor. Siehst du das auch so?
Absolut.

Xhaka, Schär, Akanji, Embolo: alle in ausgezeichneter Form. Auch auf der Goalie-Position sind wir sensationell aufgestellt.
Die Nati ist in absoluter Topbesetzung angereist. Yakin kann aus dem Vollen schöpfen. Er konnte den Kader mitnehmen, den er wollte, und musste auf niemanden verzichten wegen Verletzungen. Sogar Sommer ist wieder fit.

«Wir haben eine Topmannschaft. Ich rechne immer mit Grossem.»

Und sonst haben wir mit Kobel einen guten Ersatz.
Ja, auf der Goalie-Position haben wir definitiv kein Problem. Aber nichtsdestotrotz: Sommer ist nicht nur ein guter Keeper. Auch mit seiner Persönlichkeit trägt er viel zur Mannschaft bei.

epa10307022 Switzerland's head coach Murat Yakin (L) speaks to players during an open training session of Swiss national team in preparation for the FIFA World Cup Qatar 2022 at the University of ...
Murat Yakin beim Training mit seinen Schützlingen in Doha.Bild: keystone

Wie weit kommt die Schweiz?
Wir haben eine Topmannschaft. Ich rechne immer mit Grossem. Letztes Jahr an der EM haben wir bewiesen, dass wir es können. Und dieses Jahr haben wir Spanien und Portugal geschlagen. Wieso nicht auch Brasilien?

An der WM 2018 haben wir ja bereits ein Unentschieden erreicht ...
Es ist alles möglich. Ich habe bis zum 11. Dezember Ferien eingegeben. Mein Ferienkontingent fürs laufende Jahr ist dann eigentlich aufgebraucht. Sollten wir jedoch in den Halbfinal oder Final einziehen, muss ich mit meinem Chef einen Deal suchen. Den Laptop nehme ich jedenfalls mit, ich könnte auch von Katar aus arbeiten. (lacht)

Dänischer Reporter in Katar wird in die Schranken gewiesen:

Video: twitter/Rasmus Tantholdt TV2
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58 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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RuZzophob
17.11.2022 07:39registriert Oktober 2022
Die Frage warum es so billig ist stellen sich die Fans offensichtlich nicht. Wenn ich in der Schweiz mit Sklaven ein Hause baue ist es auch billig.
22029
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Hinterm Mond lässt sichs gut munkeln
17.11.2022 06:30registriert November 2020
So, jetzt beginnen die positiven Berichte, die uns weismachen wollen, wie toll da unten alles geworden ist. Schön ruhig, keine Schlägereien, super Gastfreundschaft…topp!
Wird wohl die beste WM allerzeiten!
20719
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nichtMc
17.11.2022 09:28registriert Juli 2019
Wie toll ist das denn? Von Arbeitssklaven errichtete Massenschläge, welche in zwei Jahren wunderbare Fotosujets für verlassene Siedlungen abgeben werden, sind also günstig zu buchen.

Da muss man ja fast gehen.

Und mein Ironie-Akku ist für heute aufgebraucht…
7213
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