Donnerstagnachmittag, kurz vor 17 Uhr. Fabian Frei ist auf dem Weg ins Training. Also nicht in jenes des FC Winterthur, sondern in jenes mit «meinen Jungs», wie er die C-Junioren des FC Frauenfeld nennt. Es ist ein Herzensprojekt für den gebürtigen Frauenfelder, der vor zwei Jahren in seine Heimat zurückgekehrt ist. Zurück zu den Wurzeln ging es für ihn auch sportlich. Anfang Herbst verliess er den FC Basel auf den letzten Drücker und kehrte zum FC Winterthur zurück, von wo er 2004 auszog, um die Fussballwelt zu erobern.
Fabian Frei, haben Sie den Kulturschock vom grossen FC Basel zum beschaulichen FC Winterthur gut überstanden?
Ein Kulturschock war es in dem Sinn nicht. Aber es ist schon so, dass Welten aufeinanderprallen. Beim FCB erlebst du, wohin sich der Fussball entwickelt – hier, wie er einmal war. Auf der Schützenwiese ist die Zeit stehen geblieben. Und das meine ich gar nicht negativ.
Haben Sie ein Beispiel?
Hier hat jeder Spieler in der Kabine nur 20 Zentimeter Platz. Im Joggeli ist es ein Meter. Andere Spieler stört das, ich finde es cool – vielleicht auch, weil ich noch einen gewissen Bezug habe zu diesem Stadion.
Was hat sich auf der Schützenwiese seit ihrem Abgang 2004 verändert?
Nicht viel. Die Infrastruktur ist praktisch dieselbe. Es sind auch einige Staff-Mitglieder von damals noch da. Luca Zuffis Vater etwa. Er war mein Juniorentrainer und ist immer noch hier. Auch der Teambetreuer ist noch der gleiche.
War es diese Beständigkeit, die Sie nach Winterthur zurückkehren liess?
Die Nähe zu meinem Wohnort und der Bezug zum Klub haben den Ausschlag gegeben. St. Gallen wäre theoretisch auch eine Möglichkeit gewesen. Aber von der Philosophie, die der Klub in den letzten Jahren gegangen ist, hätte das nicht gepasst.
Wäre abgesehen von Ihren beiden Ex-Vereinen noch etwas anderes infrage gekommen?
In der Schweiz nicht. Auch wenn man das nie kategorisch ausschliessen sollte.
Und im Ausland? Wenn etwa ein Verein aus Saudi-Arabien gekommen wäre und gesagt hätte: Du warst mal Schweizer Nationalspieler, wir geben dir zehn Millionen pro Jahr?
Moral ist wichtig, keine Frage. Und Saudi-Arabien ist ein heikles Thema. Aber wenn einer kommt und dir zehn Millionen gibt, kommst du sicher ins Grübeln. Ich bin froh, kam kein solches Angebot.
Stattdessen Winterthur. Haben Sie eine solch harzige Saison erwartet?
Natürlich habe ich mir zu diesem Zeitpunkt ein paar Punkte mehr erhofft. Aber es ist auch kein Weltuntergang. Abgesehen vom Spiel gegen Basel und den ersten 30 Minuten gegen Lausanne waren wir gegen keinen Gegner chancenlos. Auch am Mittwoch gegen St. Gallen wäre mehr drin gelegen.
Das Nebel-Spiel hätte in der Schlussphase auf eure Seite kippen können. Doch der Ball wollte nicht rein. Ein Spiegelbild der bisherigen Saison?
Kann man schon sagen. Nicht nur, dass wir viele Chancen vergeben haben. Typisch war auch, dass wir praktisch mit dem Pausenpfiff noch den Ausgleich kassierten und es nicht schafften, den Vorsprung in die Pause zu retten. Wir machen viele Sachen gut. Aber irgendwie geht uns momentan das Selbstverständnis ab, um die Spiele zu gewinnen. Trotzdem: Ein Punkt in St. Gallen kann am Ende wertvoll sein. Wichtig war vor allem, eine Reaktion auf das Basel-Spiel zu zeigen.
Sie haben nach der 1:6-Klatsche am letzten Wochenende von einem Worst-Case-Szenario gesprochen. Welche Schlüsse haben Sie aus der Niederlage gezogen?
Wir haben das Spiel aufgearbeitet und analysiert. Wir haben einfach grottenschlecht gespielt und Basel hat einen relativ guten Tag erwischt. So ist das Resultat zustande gekommen. Es gibt einige Dinge, die wir besser machen müssen. Das eigene Tor muss uns heiliger werden.
Am Samstag kehren Sie mit Winterthur an ihre alte Wirkungsstätte zurück. Ein spezielles Gefühl?
Ich freue mich auf die Partie, weiss aber nicht, wie emotional es für mich wird. Kann sein, dass es sehr speziell wird, vielleicht aber auch nicht.
Ihr Abgang beim FCB sorgte für viel Wirbel und Unverständnis. Die Art der Trennung war eines Rekordspielers mit 543 Pflichtspielen, fünf Meistertiteln und drei Cupsiegen unwürdig.
Da muss ich nicht drum herumreden: Es war kein Abschied, wie ich ihn mir gewünscht habe. Aber die Verabschiedung vor dem Spiel zwischen dem FCB und dem FCZ war völlig in Ordnung. Es ist jetzt kein Tag, an den ich mich mein Leben lang erinnern werde, weil er so cool war. Das wäre sicher anders gewesen, mit einem schöneren Abgang. Schlussendlich ist es kein Wunschkonzert. Ich spüre keinen Groll.
Hat die Trennung irgendwas zwischen Ihnen und dem FCB kaputtgemacht?
Nein. Es gibt Personen im Verein, die ich momentan etwas mehr vermisse und dann gibt es solche, die ich weniger vermisse. Das ist ja normal. Aber es hat mit dem Klub überhaupt nichts zu tun. Der FCB ist nach wie vor der Verein meines Herzens, das wird immer so bleiben. Ich wünsche ihm in allen Spielen – ausser gegen uns – dass er als Sieger vom Platz geht.
Was erwarten Sie am Samstag für einen Empfang in Basel?
Ich habe keine Erwartungen. Ein Pfeiffkonzert gegen meine Person würde mich aber ehrlich gesagt schon treffen, damit hätte ich Mühe.
Was Xherdan Shaqiri in Basel ist, sind Sie in Winterthur: ein Hoffnungsträger. Spüren Sie vonseiten der Anhänger und der Verantwortlichen einen besonderen Druck?
Nein. In den Gesprächen, die ich vor dem Wechsel mit Sportchef Oliver Kaiser und Trainer Ognjen Zaric geführt habe, war nie die Rede davon, dass ich der Heilsbringer sein könnte. Ich bin so, wie ich bin. Sie wissen, was sie an mir haben und deshalb erwarten sie von mir auch keine Wunderdinge. Ich konnte auf und neben dem Platz gleich Einfluss nehmen. Sie sind zufrieden, ich bin zufrieden.
In Basel kamen Sie häufig von der Bank, in Winterthur haben Sie noch keine Minute verpasst. Musste sich Ihr Körper erst wieder an die Belastung gewöhnen?
Die ersten 120 Cup-Minuten auf dem Kunstrasen in Wil waren der Horror. Dort musste ich in der Verlängerung grausam leiden. Das war aber gut, um wieder voll in den Rhythmus zu kommen. Jetzt fühle ich mich topfit. Selbst nach englischen Wochen habe ich keine Mühe, sondern freue mich vielmehr auf das nächste Spiel.
Cristiano Ronaldo hat unter anderem einen speziellen Schlafrhythmus, um alles aus sich herauszuholen. Was machen Sie, um fit zu bleiben?
Ich habe auch einen speziellen Schlafrhythmus (schmunzelt). Ich gebe meinem Sohn das Fläschchen in der Nacht. Vielleicht hält mich das fit. Ich habe drei Kinder zuhause, bin nonstop unterwegs, bewege mich viel, bin oft draussen. Das tut mir gut. Zudem habe ich das Glück, dass ich nicht allzu viel Schlaf brauche. Das hilft sicher auch.
Der FC Winterthur befindet sich momentan in einer schwierigen Phase. Wie können Sie mit Ihrer Erfahrung helfen?
Ich sage immer: Es bringt nichts, den Kopf zu verlieren, nervös zu werden und in Aktionismus zu verfallen. Wir müssen ruhig bleiben, weiter hart arbeiten und kritisch analysieren. In der Winterpause schauen wir dann, wo wir wirklich stehen. Sollten wir dann immer noch am Tabellenende sein, wird der Ton sicher rauer werden. Aber wir müssen realistisch bleiben, die Dinge nicht schlechter machen, als sie sind.
Wäre ein Klassenerhalt mit Winterthur höher zu werten als ein Meistertitel mit dem FCB?
Das würde ich so nicht sagen. Aber: In Anbetracht dessen, was ich schon alles erreicht habe, würde es mir emotional mehr bedeuten, als Stamm- und Führungsspieler in Winterthur den Klassenerhalt zu schaffen als mit dem FCB als Ersatzspieler oder gar nur auf der Tribüne den Meistertitel zu feiern. (riz/sda)