Reto und Jan von Arx sind heute Trainer beim EHC Chur in der MySports League und bestreiten aktuell die Abstiegsrunde. Der Ligaerhalt ist jedoch nicht in Gefahr. Zwei Emmentaler, die in Davos Kultstatus erlangt haben und zu den Grossen unseres Hockeys gehören, stehen in der höchsten Amateur-Liga an der Bande. Zur Faszination dieser schönen Geschichte gehört die Strahlkraft der grossen Namen im Verhältnis zum bescheidenen Klub.
Auf der Fahrt zurück von Chur ins Bernbiet, entlang dem Walensee, rechterhand die Churfirsten, ist dem Chronisten klargeworden, warum die vergnügliche Gesprächsrunde mit Reto und Jan von Arx auch ein «Déjà-vu» war. Die Begebenheit liegt mehr als zwölf Jahre zurück. Da sass der Berichterstatter auch einem Trainer gegenüber, dessen Name eigentlich viel zu gross war: Wayne Gretzky coachte in Phoenix die Coyotes (heute Arizona Coyotes). Der Respekt war viel zu gross um die polemischen Fragen zu stellen, die eigentlich hätten gestellt werden sollen: Was um alles in der Welt machst du als Kanadier hier in der amerikanischen Wüste? Mit einem Team, das in hundert Jahren nicht konkurrenzfähig sein wird?
Unter Cheftrainer Wayne Gretzky schaffte das Team die Playoffs nie. Die Zuschauerzahlen blieben miserabel. Später musste die NHL einspringen, um den Spielbetrieb nach einem Konkurs weiterzuführen. Kanadas Lichtgestalt, gestrandet in der tiefsten Hockey-Provinz.
Will der Chronist damit fragen, was um alles in der Welt Reto und Jan von Arx in Chur unten machen? Die Davoser Lichtgestalten, gestrandet in der tiefsten Hockeyprovinz? Bei einem Klub, der in hundert Jahren nicht Meister wird? Nein, natürlich nicht. Das wäre eine Respektlosigkeit sondergleichen. Und doch gibt es dieses gleiche Gefühl wie damals bei Wayne Gretzky: Reto und Jan von Arx sind eigentlich viel zu grosse Namen für den EHC Chur, eine ähnlich notorisch erfolglose Organisation wie Phoenix in der NHL. Und der Respekt ist auch bei Reto und Jan von Arx viel zu gross, um polemische Fragen zu stellen.
Kommt dazu: Reto und Jan von Arx sind im Interview ähnlich souverän und schweben erhaben über den Niederungen der Polemik wie einst Wayne Gretzky. Wohl wissend, dass sie rein gar nichts mehr zu beweisen haben, dass ihre Karriere nicht an ihrem Trainerabenteuer gemessen wird. Das ist die wundersame Wirkung der grossen Namen. Es wäre alles ganz anders, hiessen die beiden Reto und Jan Meier.
Reto und Jan von Arx sind die Gretzkys von Chur. Sie sind die national erfolgreichsten Spieler mit Langnauer Wurzeln. Sie gehören bei uns zu den Grossen. Fast wie Wayne Gretzky in Kanada. Und der Chronist wagt zu behaupten: Reto und Jan von Arx sind die besseren Trainer als der wahre Gretzky.
Wer von Ihnen ist eigentlich der Cheftrainer?
Jan von Arx: Das ist immer die erste Frage …
Reto von Arx: … und kann in den letzten Interviews nachgelesen werden (lacht). Wir machen alles zusammen.
Jan: Wir sind ein Dreierteam mit Björn Gerhard (Churs Sportchef – die Red.) Wir hatten gar nie das Bedürfnis, einen Chef zu bestimmen. Wir haben eine klare Aufteilung, teilweise gibt es Überschneidungen.
Wie teilen Sie sich die Aufgabe auf?
Reto: Ich betreue das Powerplay, Jan das Boxplay, Offensive und Defensive teilen wir uns auch auf.
Jan: Ich kümmere mich eher um das Spiel ohne Puck, Reto um jenes mit Puck. Wir tauschen uns aber bei allen Dingen immer zu dritt aus. Für uns stimmt die Situation so, wir lernen so voneinander. Es ist aber interessant, dass es Leute gibt, die unbedingt einen Chef sehen wollen. Sagen wir es so: Wir sind alle drei Chefs, und gleichzeitig ist keiner Chef.
Sie, Jan, besitzen noch ein Mandat beim Verband bei der U17-Nationalmannschaft.
Jan: Da hatte ich schon zugesagt, bevor das Thema Chur konkret wurde. Und Chur war einverstanden, dass ich beide Aufgaben wahrnehme.
Welche Verbindungen haben Sie noch zu Davos?
Reto: Hockeytechnisch nicht mehr viel. Wir wohnen in Davos, es gibt einige Spieler, mit denen wir noch im Kontakt stehen. Und unser Materialwart in Chur ist der Vater von Enzo Corvi. Wir haben aber auch Kontakt zu früheren HCD-Spielern, die nicht mehr in Davos sind: Leonardo Genoni und Josef Marha zum Beispiel. Da haben sich gute Freundschaften entwickelt.
Gibt es noch eine emotionale Verbindung zum HCD?
Jan: So etwas ist nach 20 Jahren im Club nicht einfach weg. Das wäre unmöglich. Ich verfolge das Geschehen, tausche mich zum Beispiel mit Dino Wieser immer wieder mal aus.
Gehen Sie noch an Spiele?
Jan: Das ist während unserer Saison praktisch unmöglich. Am Dienstagabend trainieren wir normalerweise, am Samstag haben auch wir Spiele. Aber es ist nicht so, dass sie mich nicht mehr interessieren würden.
Reto: Und es ist mittlerweile einfacher geworden, die Spiele auch dann zu verfolgen, wenn man nicht mehr live ins Stadion kann. Wir sind auf dem Laufenden und wir schauen die Zusammenfassungen und Statistiken an.
Wie rege ist der Austausch noch zwischen Chur und Davos? Haben Sie junge HCD-Spieler im Churer Kader?
Jan: Wir haben fünf Spieler mit HCD-Vergangenheit. Auch Spieler, die in Davos ausgebildet wurden. Darunter sind auch Churer, die jung nach Davos gingen und nun wieder zurück sind. Zwei davon hatte ich schon im Team, als ich noch in Davos U-17-Trainer war.
Graubünden gilt als besonders schwieriges Pflaster, um im Eishockey nachhaltige Zusammenarbeit zu betreiben. Egal, ob zwischen Chur, Arosa oder Davos.
Jan: Ich glaube, das ist eher ein gesamtschweizerisches Problem. Vor allem, wenn ich mit Schweden vergleiche, wo die Clubs wirklich zusammenarbeiten und sich austauschen.
Mussten Sie sich Fans gegenüber erklären, dass Sie als HCD-Legenden nun in Chur arbeiten?
Jan: Nein, überhaupt nicht. Und auch von HCD-Fans erhielten wir positives Feedback und die Aufmunterung, dass wir das unbedingt machen sollen.
Vorerst läuft es nicht so gut mit Chur und die Playoffs sind verpasst worden. Das entspricht den Prognosen vor der Saison. Hatten Sie mit einer sportlich derart schwierigen ersten Saison gerechnet?
Jan: Wir sprachen zu Beginn nie von Erwartungen. Ob es dir passt oder nicht: Du brauchst zunächst zwei bis drei Monate, um ein richtiges Gespür für eine Mannschaft zu bekommen. Und ja, wir stecken in einer schwierigen Phase.
Reto: Wir schauten nicht auf Prognosen. Wir wollten die Spieler so schnell als möglich kennenlernen. Wir fanden Top-Jungs vor, die stets mit Herzblut und Leidenschaft ins Stadion kommen. Wir haben Spieler, die einen 100-Prozent-Job haben und jeweils nachher am Abend ins Training kommen und Vollgas geben. Das schätzen wir extrem.
Aber der EHC Chur will in die Swiss League und hat das Aufstiegsgesuch bereits eingereicht.
Reto: Das ist das grosse Ziel, ja. Natürlich haben wir den Ehrgeiz, dieses Ziel einst zu schaffen. Aber als Trainercrew arbeiten wir vor allem an den kleinen Zielen. Wie zum Beispiel jeden Tag Fortschritte zu machen. Wir schauen nicht allzu weit nach vorne.
Wird Chur dereinst in der Swiss League ein Farmteam des HCD? Sie wären als langjährige HCD-Spieler prädestiniert, um in solchen Gesprächen mitzuwirken.
Reto: Zu solchen Themen müssen Sie unsere Chefs im Vorstand fragen. Wir sind für die sportlichen Belange zuständig.
Wäre es für Sie einfacher gewesen, sofort ein Profi- statt ein Amateurteam zu übernehmen? Sie hätten Liga und Spieler bereits besser gekannt und andere Voraussetzungen gehabt für die Arbeit als Trainer.
Reto: Für uns ist die Aufgabe hier in Chur eine sehr gute Lernerfahrung. Und ich glaube nicht, dass alles so verschieden ist hier. Sport und Eishockey bleiben Sport und Eishockey. Man probiert, hart zu arbeiten, versucht zusammen das Maximum herauszuholen. Der Spass sollte sowieso nie fehlen, egal auf welchem Level du spielst. All das ist in jeder Liga so. Der einzige Unterschied ist, dass wir Rücksicht darauf nehmen müssen, dass viele Spieler nebenbei voll arbeiten. Die Zeitfenster, ihnen Inputs zu geben, sind also kleiner als in einer Profimannschaft.
Hatten Sie bei den U17 von Davos mehr Zeit, mit der Mannschaft zu arbeiten?
Jan: Ja, wir hatten Zeitfenster auch am Nachmittag, die Spieler kamen nach vier Stunden Schule, waren etwas frischer. Dazu kommt, dass du bei den Junioren einen viel kleineren Resultatdruck hast. Die Entwicklung der Spieler steht dort im Vordergrund, das Umfeld wird bei Niederlagen weniger nervös als bei den Erwachsenen.
War diese Umstellung die grösste Herausforderung?
Jan: Wir mussten hier sicher dazulernen. Wir kamen natürlich mit unseren Inputs. Wie das bei neuen Trainern so ist, waren die Spieler bereit und willig, diese Inputs umzusetzen. Irgendwann merkten wir aber, dass sie teilweise an Grenzen stossen. Ich denke, dass wir inzwischen hier die richtige Balance gefunden haben.
War es von Anfang an klar, dass Sie den Job in Chur nur zu zweit annehmen?
Jan: Für mich war das klar, ja. Die allererste Anfrage aus Chur kam an mich. Ich informierte den Club sofort von meinem Mandat beim Verband, und sagte auch, dass ich den Job in Chur gerne zusammen mit Reto machen würde. Ich glaube, dass dies auch der Wunsch des Clubs war. Sonst würden wir das jetzt ja nicht so machen.
Reto: Wir hatten schon vor der Anfrage auch Chur immer gesagt, dass wir nur zusammen etwas machen würden.
Sie würden sich auch ein Profiteam zutrauen?
Reto: Wir sind hier in Chur wunschlos glücklich.
Jan: Im Idealfall führt uns diese Aufgabe zur Betreuung eines Profiteams – hier in Chur.
Wenn jetzt Langnau angefragt hätte …
Reto: Sie wissen, dass wir nicht gerne hypothetische Fragen beantworten. Fakt ist, dass wir sehr gerne in Chur sind. Ich sage das nicht, weil ich als Spieler 20 Jahre lang immer Standardantworten gab. Sondern weil das wirklich so ist. Es macht wirklich Spass, mit dieser Mannschaft hier zu arbeiten.
Wäre der Job in Davos nach dem Rücktritt Arno Del Curtos zu früh gekommen?
Reto: Auch das ist hypothetisch. Aber wahrscheinlich wäre ich damals noch nicht bereit gewesen, für so einen Job.
Ist es nicht sogar besser, in tieferen Ligen zu beginnen? In der MySports-League hat man als Trainer eher Ruhe als eine Klasse höher oder gar in der National League?
Jan: Natürlich ist das so, dass man weiter oben mehr im Fokus ist. Das gehört halt auch dazu. Aber das wäre, falls wir mit Chur eine Liga höher spielen könnten, kein Grund zu sagen: Wir wollen in der MySports-League bleiben, um mehr Ruhe zu haben.
Sehen Sie sich längerfristig in der Trainerbranche?
Jan: Die Idee ist sicher nicht, nur eine Saison zu machen und dann gleich wieder aufzuhören. Es gefällt uns extrem gut, mit jungen Leuten zu arbeiten, die ein Ziel haben. Und mit einem Club, der Perspektiven hat. Es gibt nicht viel schönere Kombination, um da selbst etwas mitbewirken zu können. Für mich stimmt der Job im Moment zu 100 Prozent.
Was erstaunlich ist: Aus zwei Ur-Emmentalern wurden zwei Ur-Bündner.
Jan: Wir wuchsen auf dem Land auf und zogen jung nach Davos. In einer Stadt wie Zürich wären wir von unserem Naturell her nicht glücklich geworden. Die beiden Gegenden, Emmental und Graubünden, kann man miteinander vergleichen, die Leute ticken ähnlich.
Reto: Die Eltern wussten damals schon, dass sie uns in den jungen Jahren nicht in eine Grossstadt schicken dürfen. Da wäre Halligalli vorprogrammiert gewesen (lacht). Uns gefiel es in Davos vom ersten Tag an. Ich bin aber auch froh, dass die ganze Familie nun in Davos ist. Wir sind Familienmenschen und geniessen, wenn Familie und Freunde um uns herum sind. Wir fühlen uns extrem wohl in Graubünden.
Gab es damals auch andere Offerten als Davos?
Reto: Ja, die gab es. Zum Beispiel aus Bern und Lugano. Bern kam nicht infrage für uns als Langnauer. Dieser Wechsel wäre damals zu früh gekommen. Unsere Eltern gaben uns zwar schon das Gefühl, dass wir jeweils selber entscheiden würden …
Jan: … diese eine Entscheidung nahmen sie uns aber ab (lacht).
Reto: Es zeichnete sich sehr schnell ab, dass es nach Davos gehen würde. Mats Waltin war Trainer.
Jan: Auch, dass Sämi Balmer in Davos spielte, half bei der Entscheidung. Ihn kannten wir aus Langnau.
Reto: Dan Hodgson kannte ich ebenfalls aus seinem Jahr in Langnau.
War es eine Bedingung, dass Sie beide an denselben Ort wechseln?
Reto: Ja.
Es ist nicht selbstverständlich, dass zugezogene Spieler so lange in Davos bleiben.
Jan: Spieler, die in der Stadt aufwachsen und nach Davos kommen, sind dann oft in einem Lebensabschnitt, in dem sie Umstände erwarten, die es auf dem Land nicht gibt. Ich habe das mehrfach erlebt in Davos: Spieler, denen es hockeytechnisch passte, aber die sich ein komplett anderes Umfeld gewohnt waren.
Reto: Wichtig für uns war aber auch, dass wir jung in eine Mannschaft mit sehr vielen guten Typen kamen. Samuel Balmer zum Beispiel. Oder ein Nando Wieser und viele mehr. Sie halfen uns vom ersten Tag an, damit wir uns wohlfühlen konnten. Diese Erfahrung übernahmen wir und versuchten sie über die Jahre an die neuen Spieler weiterzugeben. Um deine Leistung bringen zu können, hilft es extrem, wenn du dich wohl fühlst.
Haben Sie als Spieler Dinge erlebt bei Trainern, über die Sie heute sagen: «So möchte ich das nicht machen»?
Reto: Einzelfälle gibt es da nicht. Mehr ein Gesamtbild. Ich stellte mir schon die Frage: Wie will ich als Trainer sein? Wie hätte ich es damals als Spieler am liebsten gehabt?
Wie viel von Trainer Del Curto ist in den Trainern Von Arx? Was haben Sie übernommen?
Reto: Die tagtägliche Intensität in Spiel und Training. Weil du nur dann besser wirst. Vom Typ her sind wir zu verschieden, um etwas für die Garderobe übernehmen zu können. Als Trainer solltest du dich nicht verstellen und etwas spielen, das du nicht bist. Wir sind, wie wir sind. Wir werden vor der Mannschaft nicht plötzlich schneller reden als sonst im Alltag.
Wir haben erst von der taktischen Zusammenarbeit gesprochen. Wie wirken sich Ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten auf die tägliche Arbeit aus? Jan ist sicher der ruhigere, Reto der impulsivere. So war es auch früher als Spieler auf dem Eis.
Jan: Das ist so. Das war, als wir hier in Chur begannen, auch für uns die interessante Frage: Wie passen wir zusammen? Der gute Mix kommt heraus, wenn wir jeweils kurz die Köpfe zusammenstecken und uns dann irgendwo in der Mitte treffen.
Haben Sie noch Kontakt zu Arno Del Curto?
Reto: Nein.
Jan: Nein.
Das ist erstaunlich. Er war ausserhalb der Familie jahrelang Ihre wichtigste Bezugsperson.
Reto: Ja, was das Eishockey angeht.
Auch Andres Ambühl sagte kürzlich, dass er mit Arno keinen Kontakt mehr habe.
Reto: Das ist ein Thema, über das sich die Medien wahrscheinlich mehr Gedanken machen als wir. Es ist halt so, wie es ist.
In einem Punkt stehen die Gebrüder von Arx als Trainer im Gegensatz zum Trainer Del Curto. Er repräsentierte die Zeit der mehr oder weniger alleine entscheidenden Trainer. Sie beiden erinnern vor allem an die jüngeren Trainer aus Schweden. An jene, die sich in einem Coaching-Team die Arbeit aufteilen untereinander wie die Trainer bei den Lakers oder in Bern.
Jan: Wer ein wenig das Eishockey verfolgt, sieht, dass es das nicht mehr gibt: Der Trainer, bei dem alles zusammenläuft, der alles alleine entscheidet. In Schweden ist es gang und gäbe, im Team zu arbeiten. Ich bin sicher, dass das hier auch Einzug halten wird. Wenn wir zum Beispiel nach Rapperswil schauen, funktioniert das bereits sehr gut.
Reto: Das Eishockey hat sich derart weiterentwickelt, dass es gar nicht mehr anders möglich ist. Dem muss man auch mit dem Trainerstab Rechnung tragen.
Jan: Die Spieler sind heute viel mehr interessiert an Details. Sie wollen viel mehr wissen, sie stellen viel mehr Fragen als wir damals. Heute wollen die Spieler detailliert über die Taktik Bescheid wissen. Früher wussten wir als junge Spieler: Wenn du nicht angebrüllt wirst, hast du es wahrscheinlich gut gemacht. Da hast du nicht noch Fragen gestellt.
Wie erleben Sie den emotionalen Unterschied im Vergleich zu früher als Spieler? Wie sehr fiebern Sie als Coach an der Bande mit?
Jan: Du nimmst die Spiele anders wahr. Ich war zu Beginn als Trainer nervöser, weil ich nicht mehr aufs Eis und direkt etwas ändern konnte. Das musste ich lernen ruhiger und geduldiger zu sein, mich aufs Spiel zu konzentrieren und zu akzeptieren, dass ich nicht immer Einfluss nehmen kann. Und auf die Pause zu warten, um dort dann die richtigen Worte zu finden.
Reto: Als Spieler ist es dir meistens egal, wie du gespielt hast, solange du gewinnst. Als Trainer fokussierst du dich im Nachgang eher auf die Leistung als auf das Resultat.
Sie wirken beide nicht besonders impulsiv an der Bande.
Reto: Ich glaube, dass es in gewissen Situationen im Spiel nicht förderlich ist, beispielsweise den Schiedsrichter anzuschreien und die ganze Mannschaft damit anzustecken. Die Spieler sollen den Fokus auf das Wesentliche behalten
Sollte der Trainer nicht auch mal ausrasten?
Jan: Natürlich ist die Kabinentüre schon ein oder zweimal laut zugefallen. So etwas braucht es aber nur sehr selten. Du musst nicht zwingend immer laut werden, damit die Spieler merken, dass es ans Eingemachte geht.
Reto: Es ist ein Vorteil, dass wir zu dritt sind. Wenn es einem den Hut lupft, bleiben die anderen dann ruhig. Ich glaube sowieso nicht, dass es hilft, die Spieler zusammenzustauchen, nur damit sie zusammengestaucht worden sind. Es kann dich mal «verjagen», dann ist das halt mal passiert. Aber wenn du das nur spielst, durchschauen dich die Jungen. Auch hier gilt: Du musst dir selbst treu bleiben.
Sie haben aber sicher damals in Davos auch erlebt, dass so ein Zusammenschiss oder Kabinen-Donnerwetter etwas bewirken konnte.
Jan: Natürlich gab es das. Aber das war eine andere Generation von Spielern. Wir wuchsen anders auf. Wenn du in der Schule groben Unfug angestellt hast, kam der Rektor ins Zimmer, und dann hat es eine Ohrfeige abgesetzt. Heute werden Konflikte in der Schule anders gelöst. Darauf müssen wir als Trainer auch Rücksicht nehmen. Die jungen Spieler funktionieren anders als wir damals. Ich bin darum kein Fan von solchen emotionalen Ausbrüchen, bei denen die Sache meistens auf der Strecke bleibt. Auch, weil es nicht meinem Wesen entspricht.
Wenn wir schon mit früher vergleichen: Hat der Trashtalk (verbale Provokationen) auf dem Eis nachgelassen?
Reto: Wahrscheinlich schon. Aber auch, weil in jeder Halle viele Kameras mit Mikrofonen installiert worden sind. Da würde ich auch nicht mehr viel sagen, jeder hört jedes Wort.
Viele Spieler haben Mühe nach dem Rücktritt. Wie war das bei Ihnen?
Reto: Ich hatte mich extrem gefreut, endlich einmal keine Pflichten mehr zu haben und das Familienleben geniessen zu können. Ich vermisste das Leben als Spieler nicht wirklich.
Jan: Ich nahm eine Auszeit von drei Monaten und ging mit meiner Freundin auf Reisen. Danach begann ich beim HCD im Nachwuchs zu arbeiten. Es war eine gewaltige Umstellung. Im Nachhinein überlegte ich mir mehrmals, ob es nicht besser gewesen wäre, ein ganzes Jahr lang eine Pause zu machen und mich besser auf die Zeit danach vorzubereiten. Wobei: Kann man sich auf die Zeit nach einer Karriere überhaupt richtig vorbereiten? Ich brauchte fast zwei Jahre, um wirklich richtig in den Job reinzukommen.
Hätten Sie eigentlich immer noch hin und wieder Lust, sich selbst einzuwechseln?
Reto: Nein. Das heisst aber nicht, dass ich nicht gerne im Training zu Beginn mitspiele oder am Ende auch Penaltys schiesse. Weil ich das Spiel, das «Herumkügeln» immer noch liebe.
Sie wurden beide sechs Mal Schweizer Meister. Wo haben Sie Medaillen, Trikots etc. aufbewahrt?
Reto: Ich hatte früher eine Kiste mit Leibchen. Ich habe diese dann eines nach dem anderen verschenkt, mittlerweile habe ich keines mehr. Was ich noch habe, sind die sechs Meisterringe.
Jan: Ich verschenkte die Leibchen am Ende jeder Saison. Ich sammelte sie nie. Die Ringe habe ich auch alle, von den Medaillen habe ich noch drei oder vier zuhause. Wo die anderen sind, weiss ich nicht mehr. Die sind aber auch nicht wirklich aus Gold (lacht).
Alte Langnau-Jerseys haben Sie in dem Fall auch keine mehr?
Reto: Nein, aber wir erhielten von Langnau zum Abschied ein schönes, eingerahmtes Bild mit uns zwei als junge Burschen drauf.
Jan: Doch, ich glaube, mein allererstes Leibchen in Langnau habe ich noch. Das wäre wirklich das einzige. Es ist ein richtig schönes Old-School-Jersey aus der Juniorenzeit. Die Eltern haben es damals auf die Seite getan.
Welche Nummer trugen Sie damals?
Jan: Die 19.
Also eine Center-Nummer.
Jan: Ich war bis zu den Novizen auch Center. Als wir Mangel an Verteidigern hatten, kam Alfred Bohren und sagte: Willst du nicht nach hinten? Damals fragte ich mich, ob das ein gutes Zeichen für mich ist. Denn früher hiess es ja: Wer nicht gut schlittschuhlaufen kann, muss ins Tor oder in die Abwehr (lacht). Doch dann gefiel mir die Verteidigerrolle, und ich blieb dabei.
Kurz zusammengefasst: Was blieb übrig von der Spielerkarriere?
Jan: Freundschaften und Erinnerungen. Von beiden sehr viele. Und eben die sechs Ringe.