Big Ben statt Big in Japan – Sumo ringt in London um Aufmerksamkeit
Touristen sorgen in London eher selten für Aufsehen. Doch wenn rund 120 schwergewichtige Sumoringer in traditionellen Gewändern durch die englische Hauptstadt wandeln, bleibt das nicht unbemerkt.
Sumoringer posieren neben berühmten roten Telefonzellen, neben einem Doppeldeckerbus, bei der Tower Bridge oder mit Big Ben im Blick. Die Sportler sind nicht weniger interessiert an den Sehenswürdigkeiten als die etwa 20 Millionen anderen Reisenden, die Jahr für Jahr London besuchen.
Selbst Londons Bürgermeister Sadiq Khan teilte einen Schnappschuss der berühmten Gäste: drei Ringer, die die Stadt mit Mietvelos erkunden. «Das ist der Beweis, dass Velofahren in London für jedermann ist, sogar für Sumo-Champions», schrieb der Politiker.
Verkrustete Strukturen
Doch die Sumoringer sind nicht nur zum Sightseeing gekommen. In der Royal Albert Hall findet noch bis am Sonntag ein grosses Turnier statt. Sumo will internationaler werden, denn in Japan steckt der Traditionssport in der Krise.
«Man nimmt, was man noch kriegen kann», bilanzierte kürzlich die NZZ, als sie über das mangelnde Interesse der Jugend berichtete. Die Sumoställe hätten so wenige Bewerber gehabt, dass sie kaum einen Ringer ablehnen konnten, um ihren Betrieb aufrechtzuerhalten.
Das Leben hat sich gewandelt, Sumo ist mit veralteten Strukturen stehen geblieben. Eine Karriere als Sumoringer gilt vielen Jungen nicht mehr als erstrebenswert. Zu gross sind die Entbehrungen auf dem Weg nach oben. Sumoringer leben und trainieren in streng hierarchisch organisierten Gruppen, Ställe genannt, wo sie teilweise auf dem Küchenboden schlafen müssen.
Heute dominieren Mongolen
An der Spitze ihrer Sportart wurden die Japaner längst abgelöst. Von den acht Sumoringern, die seit der Jahrtausendwende in den höchsten Rang eines Yokozuna befördert wurden, stammten sechs aus der Mongolei, nur zwei waren Einheimische. Immerhin ist einer davon, Onosato, noch aktiv, der zweite aktive Yokozuna ist mit Hoshoryu ein Mongole.
Das Turnier in London soll ein erster Schritt hin zur Internationalisierung des Sports sein. Im kommenden Sommer wird der Tross nach Paris reisen. Sumoringer auf dem Eiffelturm und vor dem Arc de Triomphe – auch diese Bilder werden um die Welt gehen. Ob sie dazu beitragen können, die Nachwuchssorgen des Sports zu lindern, ist allerdings offen.