Ob die Eltern bei der Geburt von Mönchbatyn Dawaadschargal geahnt haben, was dereinst aus ihrem Sohn wird? Gehofft haben sie bestimmt, dass er ein erfolgreicher Sportler wird. Vater Dschigdschidiin Mönchbat war schliesslich als dreifacher Olympiateilnehmer im Ringen und 1968 in Mexiko als Gewinner einer Silbermedaille eine Legende in der Heimat. Es war die erste Olympiamedaille für die Mongolei überhaupt.
Doch der heute 1,92 m grosse und knapp 160 Kilogramm schwere Sohn überragt seinen Erzeuger nicht nur körperlich, sondern auch sportlich. Aus Mönchbatyn Dawaadschargal, der seine Heimat als 15-Jähriger verliess, um in Japan Karriere zu machen, wurde erst Hakuho Sho – und schliesslich der erfolgreichste Sumoringer der Moderne.
Die Liste seiner Erfolge ist schwindelerregend lang. So hat der Sumoringer im Rang eines Yokozuna 45 Meisterschaftsturniere gewonnen – so viele wie kein anderer. Der Zweitplatzierte schaffte 32 Turniersiege.
An 16 Turnieren blieb Hakuho unbesiegt – einsamer Rekord, die nächstbesten bringen es auf halb so viele. Mit 1187 Karriere-Siegen führt er in dieser Statistik ebenfalls, und auch die jeweils 86 von 90 möglichen Siegen in einem Kalenderjahr in den Jahren 2009 und 2010 bedeuten Rekord.
Von den wichtigsten Bestmarken fehlt ihm wohl einzig jene der längsten Siegesserie. Hakuhos 63 Siege in Folge im Jahr 2010 wurden nur vom legendären Futabayama übertroffen, der zwischen 1936 und 1939 sogar aus 69 Kämpfen hintereinander als Sieger hervorging – und das, obwohl er auf einem Auge blind war.
Als Hakuho noch Mönchbatyn war, wollte ihn in Japan erst kein Sumostall aufnehmen. Weshalb auch: Er wog als 15-Jähriger bloss 62 Kilogramm und hatte keine Erfahrung als Ringer. Es war sein Glück, dass im japanischen Nationalsport Sumo seit den 1990er-Jahren mehr und mehr starke Mongolen Fuss fassten. Der mongolische Sumo-Pionier Kyokushusan Noboru öffnete Hakuho eine Tür und sorgte dafür, dass ihn der Miyagino-Stall aufnahm. Ein Entscheid, den die Verantwortlichen nicht bereuen sollten.
Rasch legte der junge Sumoringer an Gewicht zu und so wie der Zeiger der Waage nach oben schnellte, so ging es auch mit seiner Karriere aufwärts. Drei Jahre nach seinem Profidebüt stieg er im Frühling 2004 in die Makuuchi-Division auf, gewissermassen die Champions League des Sumos. Dort sorgte der Allrounder gleich beim ersten Auftritt dafür, dass man ihn künftig auf der Rechnung haben musste: Mit 12:3 Siegen gewann er zwar nicht das Turnier, wohl aber einen Sonderpreis für seinen Kampfgeist.
Drei Jahre später war er bereits auf dem Gipfel angelangt: Hakuho Sho wurde im Mai 2007 zum 69. Yokozuna der Geschichte ernannt. War seine Anfangszeit im höchsten Rang noch vom Zweikampf mit Asashoryu Akinori geprägt, dominierte Hakuho Sho nach dessen Rücktritt den Sport während einiger Jahre nach Belieben. «Er setzte Marken, die wohl noch jahrzehntelang unantastbar bleiben», glaubt die «Japan Times».
Nachdem er fast jeden Rekord an sich gerissen hatte, kämpfte er zuletzt nicht nur mit massigen Gegnern, sondern vor allem mit körperlichen Beschwerden. Vor einem Jahr erfolgte eine Knieoperation, im Januar lag er während eineinhalb Wochen mit Covid-19 im Spital und im März musste er wegen des selben Knies noch einmal unters Messer.
Wer geglaubt hatte, dass die Karriere von Hakuho Sho damit beendet ist, wurde im Juli eines Besseren belehrt. Beim Comeback-Turnier feierte er einen furiosen Sieg, indem er im Final Terunofuji schlug – beide Ringer waren mit einer makellosen 14:0-Bilanz in den Endkampf gestiegen. Mit seinem 45. Turniersieg wurde Hakuho im Alter von 36 Jahren und vier Monaten zum ältesten Turniersieger der Geschichte.
Das September-Turnier verpasste der Sumotori wegen der positiven Corona-Tests zweier Stallkollegen danach aber. Und Hakuho Sho wird auch nicht mehr in den Ring steigen, wenn wieder sämtliche Tests negativ sind. Das lädierte rechte Knie lasse es nicht mehr zu, meldete die angesehene Nachrichtenagentur Kyodo, die vom Rücktritt schrieb. Auch der TV-Sender NHK meldete das Ende der schillernden Karriere unter Berufung auf gut informierte Kreise.
Dem Sport bleibt Hakuho Sho indes erhalten. 2019 wurde der gebürtige Mongole, der längst mit einem japanischen Model verheiratet und vierfacher Familienvater ist, eingebürgert. Der japanische Pass war eine Bedingung dafür, im Sumo-Verband bleiben zu können.
Er wolle dem Sumo, das ihm so viel gegeben habe, etwas zurückzahlen, sagte er damals. Es wird angenommen, dass Hakuho Sho die Führung «seines» Miyagino-Stalls übernimmt, da der aktuelle Leiter im nächsten Jahr das vorgeschriebene Rentenalter 65 erreicht.