Seit gut 15 Jahren prägt José Mourinho als einer der extrovertiertesten und unterhaltsamsten Trainern den europäischen Spitzenfussball. Danke dafür. Ähnlich lange und ähnlich hoch oben hielten sich in den letzten Jahren nur Grössen wie beispielsweise Roger Federer.
Bevor wir daher den aktuellen Ärger über den zweifachen UEFA Trainer des Jahres (2003 und 2004) raus lassen, blicken wir doch auf die Highlights seines bisherigen Palmares:
Keine Frage: Von so einer Bilanz wagen die meisten Trainer nicht einmal zu träumen. Ich verneige mich so tief ich kann.
Der einzige Makel: Mit Chelsea und mit Real Madrid konnte der Portugiese nie die Champions League gewinnen – dafür hatte man ihn eigentlich jeweils geholt. Aber darüber können wir mit etwas Distanz hinwegblicken: Mourinho ist schlicht einer der grössten Coaches des 21. Jahrhunderts.
Oder zumindest war er dies.
United had four shots on target in 180 minutes against a team who have conceded 42 league goals this season and 12 in six Champions League group games.
— Rob Dawson (@RobDawsonESPN) 13. März 2018
Denn was er – nicht erst jetzt – im Achtelfinal mit Manchester United gegen Sevilla zeigte war: beschämend. Fussballverweigerung im Hinspiel, uninspirierte und lethargische Darbietung im Rückspiel. Total nur vier Torschüsse in beiden Partien zusammen müssen eigentlich nicht weiter kommentiert werden. ManUtd-Legende Rio Ferdinand trifft mit diesem Tweet die Sache auf den Kopf:
If you don’t turn up with the right attitude and don’t apply yourself then you will get beat - don’t care what you have done or how good you have been before @ChampionsLeague
— Rio Ferdinand (@rioferdy5) 13. März 2018
Das grosse Manchester United mauert sich aus der Champions League. Man hätte nie gedacht, dass man dies mal sagen müsse. Jahrelang war Angriffsfussball die DNA der Red Devils. Wir erinnern uns an Giggs, Beckham, Solskjaer, Sheringham, Cole, Yorke, Cantona und wie sie alle heissen. Die Fans erwarten nicht nur Siege, sie wollen Spektakel. «Wir sind Manchester United, wir wollen Offensivfussball», singen sie immer wieder, wenn der Ball zu lange quer statt tief gespielt wird.
Klar, Mourinho war nie für Spektakel bekannt. Schon damals nicht mit Porto. Er war immer pragmatisch. Das ist legitim. Aber er eroberte die Fussballwelt als «New Kid on the Block» im Sturm. Mourinho setzte Massstäbe. Fussball des Taktikmeisters, das war das neue Nonplusultra.
Aber irgendwann zu seiner ersten Zeit bei Chelsea begann er den «Bus zu parkieren», wenn es zählte. Heute ist Mourinho so weit vom als modernen Fussball gelobten Offensivspektakel Manchester Citys oder Barcelonas – oder mit Abstrichen auch Real Madrids, Bayern Münchens oder des PSG – wie Pep Guardiola von einem Engagement bei GC.
Es ist ja auch nicht so, dass Mourinho die Hände gebunden waren in den letzten zwei Saisons in Manchester. Er durfte Paul Pogba (105 Millionen, damals weltweiter Rekordtransfer) und Romelu Lukaku (85 Millionen) holen. Dazu kamen in der Offensive Zlatan Ibrahimovic und Alexis Sanchez. Ibrahimovic ist nicht mehr der Alte, Lukaku trifft grundsätzlich nur gegen Teams wie West Ham, Crystal Palace oder Huddersfield, Sanchez wirkt noch immer wie ein Fremdkörper, Pogba sass erst auf der Bank und spielte dann in der Nachspielzeit diesen fürchterlichen Pass:
Paul Pogba 👀🔥🔥🔥🔥🔥🔥 #Pogba pic.twitter.com/3izugZ6vWn
— Joey (@Joeyy_93_) 13. März 2018
Und was macht Mourinho? Natürlich: Er fordert Verstärkung. Man müsse mehr investieren. Alles müsse verändert werden. Aber ein Drama will er nicht machen, wenn Manchester United an Sevilla im Achtelfinal scheitert. Angesprochen auf die vier Schüsschen in 180 Minuten kontert er: «Das ist nur Statistik.»
Als ein spanischer Reporter wissen will, ob er die Spielzeit als missratene Saison betiteln würde, antwortet er schnippisch: «Interessiert es die Spanier wirklich, was bei uns in der Premier League passiert?»
Paul Scholes at half time tonight. 😂😂😂😂😂😂👍🏻 pic.twitter.com/6XdlcRWqKL
— Ben (@IHMU4EVA) 13. März 2018
Mourinho ist angezählt. Er muss etwas ändern, sonst verpasst er den Zug in die (erfolgreiche) Zukunft. Sein Palmares bleibt überragend. Im letzten Jahr kam die Europa League mit ManUtd dazu. Davor gab es seit 2010 aber nur zwei wichtige Trophäen (Meister 2012 mit Real und 2015 mit Chelsea).
Er, der einst den Fussball prägte, scheint den Anschluss verpasst zu haben. Passive Spielweise können die Fans von grossen Klubs gerade noch verzeihen, wenn es wie am Wochenende gegen Liverpool trotzdem zu einem 2:1-Sieg reicht.
Aber Mourinho verhöhnt die Anhänger nach dem CL-Aus mit solchen Aussagen: «Ich habe hier auch schon zweimal gewonnen. Mit Porto und Real Madrid. Das ist also nichts Neues für Manchester United.» Das mag stimmen, ist aber ein Stich in jedes Fanherz. Schon gestern gab es Pfiffe gegen den Portugiesen. Sie dürften in den nächsten Wochen nicht leiser werden.
As if parking the bus against Sevilla was not enough action to hurt Man U fans, Jose Mourinho threw the entire club under the bus in his press statement.
— Naija Virals (@NaijaVirals) 14. März 2018
😂😂😂😂😂😂😂😂😂#NaijaVirals pic.twitter.com/nv2ch572nj
Und dann ergänzt er: «Ich bereue nichts. Die Spieler und ich haben unser Bestes gegeben. Wir versuchten es, aber haben verloren. So ist Fussball. Die Welt geht nicht unter.» Mourinho bleibt in dieser Saison mit dem FA-Cup nur noch eine Titelchance. Dort steht man im Viertelfinal. Vor drei Wochen höhnte er noch, dass man sich erst als «wahres Champions-League-Team» bezeichnen darf, wenn man unter den letzten Acht steht. Jetzt klammert er sich an den Strohhalm FA-Cup.
Früher waren die Sprüche lustig und das Markenzeichen Mourinhos. Aber der Grat ist schmal. Bleibt der Erfolg aus, wird einem alles um die Ohren gehauen. Heute sind die unerwarteten Aussagen zwar weiterhin ein Markenzeichen des 55-Jährigen, aber nur noch peinlich. Welcher Trainer diskreditiert schon sein eigenes Team in diesem Stil? Ein Coach mit weniger Renommee würde für solche Aussagen entlassen. Hoffentlich geschieht dies bei Manchester United auch.
Mourinho hat eine Auszeit nötig. Ihn abzuschreiben, wäre fatal. Aber er muss über die Bücher, muss sich neu erfinden. Hoffentlich hat er Roger Federers Nummer.
Moyes’ United outperforms Mourinho’s United in the Champions League.
— Miguel Delaney (@MiguelDelaney) 13. März 2018
Moyes still United’s best CL manager since Ferguson.