Raymond Moore ist 69 Jahre alt und war bis gestern noch Direktor des Tennisturniers in Indian Wells. Bis er über diese Aussage stolperte: «Wenn ich eine Spielerin wäre, würde ich jeden Abend auf die Knie gehen und Gott dafür danken, dass Roger Federer und Rafael Nadal geboren wurden, weil sie diesen Sport getragen haben.»
Es sind überhebliche und chauvinistische Worte. Aber Moore sprach nur aus, woran in der Tennisszene wohl schon jeder einmal gedacht hat. Es ist bezeichnend, dass sich Novak Djokovic, die Weltnummer 1, nicht wirklich von Moores Aussage distanzierte. Wohl verurteilte er sie als «politisch nicht korrekt». Aber der Serbe nahm sie gleich zum Anlass, eine Diskussion über die Höhe der Preisgelder anzustossen.
An den vier Grand Slams und an gemischten Turnieren wie jenem in Indian Wells kassieren Frauen und Männer gleich viel. Dabei, so Djokovic, seien es die Männer, welches das höhere Interesse generieren würden. Wegen ihnen würden mehr Tickets verkauft, wegen ihnen würden mehr Zuschauer den TV einschalten.
Dies lässt sich statistisch belegen: Laut der BBC hatte das Männertennis im letzten Jahr mehr als doppelt so viele Fernsehzuschauer wie die Frauen. Ausserdem sind die Männer auch länger im Einsatz, da sie an den Grand Slams auf drei Gewinnsätze spielen, die Frauen nur auf zwei. Man kann es deshalb in Ordnung finden, dass Djokovic findet, Männer sollen mehr Preisgeld erhalten.
Natürlich ist dies im Alltag nicht der Fall: Wer ein Supermarktgestell auffüllt, wer in einem Büro arbeitet oder wer Schüler unterrichtet, der soll unabhängig vom Geschlecht den gleichen Lohn dafür erhalten. Alles andere ist eine Frechheit.
Doch Lohn und Preisgeld sind zwei Paar Schuhe: Der Sport ist ein Teil der Unterhaltungsindustrie und deshalb nicht mit einem KV-Job zu vergleichen. Oder klatscht jemand, wenn ein Krankenkassen-Sachbearbeiter eine Bostitch-Klammer besonders akkurat in einen Stapel Formulare drückt? Eine Musikgruppe kann mehr für ihre Konzerttickets verlangen, je populärer sie ist. Und im Filmgeschäft ist es so, dass die Akteure am Erfolg eines Streifen partizipieren. Je mehr Besucher ins Kino strömen, umso mehr verdienen die Schauspieler. Stört sich jemand daran?
Gerade im Sport, wo es um nichts anderes als um eine vergleichbare Leistung geht, sollten auch Vergleiche um die Höhe von Preisgeldern kein Tabu sein. Schliesslich stösst sich auch niemand daran, dass die Nummer eins im Tennis mehr Geld verdient als die Nummer eins im Wildwasserkanu. Es wird von allen Beteiligten akzeptiert, dass der weltweit verbreitete Tennissport populärer ist und deshalb mehr Einnahmen generiert. Es gilt das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Mit diesem Argument darf ruhig darüber diskutiert werden, ob die Höhe des Preisgelds innerhalb einer Sportart verschieden sein soll.
Die Japanerin Sara Takanashi hat den Gesamtweltcup der Skispringerinnen gewonnen – dank 14 Siegen in 17 Wettkämpfen. Trotzdem hat sie in diesem Winter nur 300 Franken mehr Preisgeld verdient als Simon Ammann, der kein einziges Mal auf das Podest kam. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Wenn sich die Männer von der Schanze stürzen, ist unten das Stadion voll. Nicht überall, aber an der Vierschanzentournee oder zuletzt beim Skifliegen in Planica sind Zehntausende da. Die Frauen sind froh, wenn überhaupt jemand kommt. Deshalb reissen sich Fernsehstationen auch nicht um die Übertragungen. Und wo kein TV, da kein Geld.
Es ist eine noble Geste und eine moderne Einstellung, wenn an Grand-Slam-Tennisturnieren das Preisgeld für beide Geschlechter gleich hoch ist. Wer aber anderer Meinung ist, sollte deswegen nicht per se als Sexist und Macho abgetan werden.