Da staunen Krajicek und Washington: Eine Blondine stürmt vor dem Beginn des Matches über den Centre Court.Bild: AP
Unvergessen
Halbnackt über den Centre Court – Flitzerin stiehlt Wimbledon-Finalisten kurz die Show
7. Juli 1996: Richard Krajicek trifft im Endspiel von Wimbledon auf MaliVai Washington. Mit den beiden hatte vor dem Turnier niemand gerechnet – und auch nicht mit dem Auftritt einer jungen, sehr spärlich bekleideten Dame.
«Es hat noch nie jemand gemacht und es musste doch gemacht werden, oder etwa nicht?» Die Begründung von Melissa Johnson ist so freimütig wie ihr Auftritt. Sie sorgt dafür, dass auf dem Centre Court von Wimbledon schon vor dem Herrenfinal 1996 die Post abgeht.
Als sich Richard Krajicek und MaliVai Washington gerade auf dem Platz einfinden, schlägt die grosse Stunde der Flitzerin. Johnson, die auf dem Gelände an einem Pizza-Stand arbeitet, stürmt den Rasen. «Es war meine Idee. Aber natürlich spornten mich meine Kollegen an, die Idee auch wirklich umzusetzen», sagt die 23-Jährige später im Mirror. Sie sei schliesslich «ein bisschen frech» und habe «eine wilde Ader».
Die Flitzerin fehlt im Video, aber es ist trotzdem sehenswert: die Highlights vom einzigen Grand-Slam-Erfolg von Richard Krajicek.Video: YouTube/VandaagVoorheen
«Wir müssen Zeitlupen aus jedem Blickwinkel zeigen!»
Die Spieler grinsen sich einen ab und auch die Mehrzahl der 14'000 Zuschauer findet es amüsant. Selbst der Duke of Kent in der Royal Box wird von einem Fan in der Nähe beobachtet, wie er «lacht wie verrückt».
— Birds and Betting (@BirdsAndBetting) 7. Juli 2016
Den grössten Spass hat aber wohl nicht Johnson, nicht die beiden Finalisten und auch nicht der Duke of Kent, sondern John McEnroe. Der «Bad Boy» des Tennis-Sports ist Co-Kommentator im amerikanischen TV und fordert begeistert: «Wir müssen Zeitlupen aus jedem Blickwinkel zeigen!» Als sein Kollege entgegnet, dass es sich um eine Familien-Sendung handle, kontert McEnroe: «Meine Familie würde es lieben!»
Sieg! Krajicek bejubelt seinen Erfolg.Bild: AP
Johnson verdreht Washington den Kopf
Finalverlierer Washington gibt nach dem Spiel zu Protokoll: «Sie hat mich angelächelt und trug dabei nichts als eine Schürze. Sie zog sie hoch und lächelte mich immer noch an. Sie verdrehte mir den Kopf und drei Sätze später hatte ich verloren. Vielleicht hätte ich mehr Glück gehabt, wenn sie zurückgekommen wäre.»
Hier ist die Schürze zum Glück unten.bild: imago-images.de
Die Entscheidung 1996
Richard Krajicek feiert im Final seinen einzigen Grand-Slam-Erfolg. MaliVai Washington schlägt er 6:3, 6:4, 6:3.
Der Holländer verdient sich den Titel. Denn im Viertelfinal eliminiert er überraschend Pete Sampras. Er fügt dem Amerikaner dessen einzige Niederlage in Wimbledon zwischen 1993 und 2000 zu. «Ich habe mir das Spiel noch nie angeschaut», schreibt Sampras in seiner Biografie.
Washington liegt in seinem Halbfinal gegen Todd Martin im fünften Satz schon mit 1:5 zurück, ehe er den Spiess wendet und mit einem 10:8 in den Final einzieht.
Das konnte Johnson aber nicht, denn die Polizei nahm sie mit und liess sie erst nach Krajiceks Matchball wieder gehen. Konsequenzen hatte der Auftritt nicht wirklich: Der steife All England Lawn Tennis and Croquet Club als Gastgeber des Grand-Slam-Turniers zeigte sich von seiner freundlichen Seite.
In einem Communiqué liess man mitteilen, dass man zwar nicht auf Wiederholungstäter hoffe. «Aber wenigstens sorgte die Dame mit ihrem Auftritt für ein Lächeln bei den geduldigen Zuschauern, die es wegen des schlechten Wetters nicht einfach hatten in diesem Jahr.»
So nahe an einem Kübel ist Washington nie mehr: Der Wimbledon-Final ist trotz der Niederlage sein Karriere-Highlight.bild: keystone
Ihren Teilzeit-Job am Pizza-Stand ist die Flitzerin indes los: «Sie haben die Schürze verlangt. Ich denke, das heisst, dass ich gefeuert bin.» Dafür holt sie sich den Respekt ihrer Mutter. Von der ist selber eine Flitzer-Einlage überliefert und so lobt sie ihre Tochter: «Gut gemacht, Darling!»
In der Serie «Unvergessen» blicken wir jeweils am Jahrestag auf ein grosses Ereignis der Sportgeschichte zurück: Ob hervorragende Leistung, bewegendes Drama oder witzige Anekdote – alles ist dabei. Um nichts zu verpassen, like uns auch auf Facebook!
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Die beliebtesten Kommentare
Macca_the_Alpacca
07.07.2024 07:34registriert Oktober 2021
Lieber ein Tennis Poster, als den Penis im Toaster.
Im Fegefeuer der Eitelkeiten oder wie eine «Büro-Revolution» den Verbandsboss stürzte
Stefan Schärer tritt freiwillig vom höchsten Amt unseres Hockeys zurück. Er hat sich im Fegefeuer der Eitelkeiten die Flügel verbrannt. Hat zum ersten Mal in der Geschichte unseres Hockeys (seit 1908) das aufmüpfige Büropersonal den Rücktritt des Verbandspräsidenten erzwungen? Eine wunderbare Geschichte aus der bunten Welt des helvetischen Sportes mit unserem charismatischen Nationaltrainer Patrick Fischer als Rebell.
Freiwillig zurücktreten? Nie. Schliesslich ist er ja erst vor 15 Monaten Präsident geworden. Der Rücktritt ist Stefan Schärer zwar immer mehr von vielen Seiten unverblümt nahegelegt worden. Sogar Peter Zahner, Manager der ZSC Lions und Mitglied des Verband-Verwaltungsrates, hat ihm gesagt, es sei Zeit, das Amt aufzugeben, und selbst der hockeytechnisch unpolitische Nationaltrainer Patrick Fischer zählte nicht mehr zu seinen Freunden. Es gab für den Präsidenten gar ein Nationalmannschafts-Kabinenverbot. Doch er blieb unbeeindruckt und sagte noch vor wenigen Tagen: «Ein Rücktritt kommt für mich nicht infrage, solange ich grosse Unterstützung im Verbands-Verwaltungsrat, bei verschiedenen Klubs und bei der Mehrheit der Delegierten aus den Regionen spüre.»