Keine Sportlerin und kein Sportler des Jahres 2020 also. Das Schweizer Fernsehen teilt offiziell mit:
So weit so gut. Aber hinter dieser staubtrockenen Mitteilung steht nicht weniger als Verrat am Sport. Es ist der Preis, den unser Sport für den Verkauf seiner Seele zu zahlen hat.
Der Blick zurück hilft uns zu verstehen, was schiefgelaufen ist. Vor 70 Jahren (1950) haben die Schweizer Sportjournalisten (von Journalistinnen war damals noch nicht die Rede) beschlossen, verdiente Sportler auszuzeichnen (Sportlerin des Jahres mit eigener Kategorie erst seit 1971). Dieses Prozedere ist laufend den Erfordernissen der Zeit angepasst worden. Aber im Kern ist eines geblieben: die Wahl der herausragenden Persönlichkeiten des laufenden Sportjahres.
Die gibt es nun zum ersten Mal seit 70 Jahren nicht mehr. Für diese Absage gibt es keinen vernünftigen Grund. Natürlich ist 2020 im Sport weniger los als üblich. Keine Olympischen Heldinnen und Helden sind gekürt worden. Einige Titelkämpfe mussten abgesagt werden. Aber mit ziemlicher Sicherheit sind 2020 mindestens so viele internationale Wettkämpfe ausgetragen worden wie 1950 als der Zehnkämpfer und Fussballstar Armin Scheuerer zum Sportler des Jahres gekürt worden ist.
Wer war unser Sportler des Jahre 1953? Aha, GC-Kultstürmer Alfred Bickel. Und 1960 wird die Ehre dem Leichtathleten Bruno Galliker zuteil. Er wird später auch eine grosse Karriere als Sportreporter beim staatstragenden Radio Beromünster machen. Und besonders interessant: Erst ab 1971 gibt es eine eigene Kategorie für die Sportlerinnen des Jahres. Aber bereits 1954 (Ida Bieri-Schöpfer), 1956 (Madeleine Chamot-Berthod) und 1966 (Meta Antenen) werden Frauen vor allen Männern zur herausragenden Sportpersönlichkeit des jeweiligen Jahres erkoren. Dabei gab es etwa 1966 mit den Ruderweltmeistern Melchior Bürgin und Martin Studach oder mit dem enorm populären Töff-Weltmeister Luigi Taveri starke männliche Konkurrenz.
Wer aber war 2020 Sportlerin oder Sportler des Jahres? Keine Ahnung. Es gibt keine. Hat es 2020 denn keinen Sport gegeben? Doch, schon. Aber auf die Wahl ist verzichtet worden.
Was 1950 mit einer einzigen Auszeichnung (Sportler des Jahres) begonnen hat, ist längst ein sog. «Event» geworden. Mit zuletzt sieben verschiedenen Auszeichnungen. Eine abendfüllende TV-Show. Die muss finanziert werden. Party, Werbepartner, Einschaltquoten. Moderatorinnen und Moderatoren, die so wichtig sind wie die Sportstars. Der Sport ist nicht mehr die Hauptsache. Der Sport bietet nur eine weitere Gelegenheit, um eine Bude auf dem Werbejahrmarkt aufzustellen. Wie bei so vielen anderen Veranstaltungen auch, die ihre Seele dem Kommerz verkauft haben.
Die Aussicht (oder besser: die Gefahr), dass im Jahre 2020 keinem grossen Namen, sondern Aussenseiterinnen und Aussenseitern die Ehre zuteil geworden wäre, ist gross. Roger Federer stand nicht zur Wahl. Auch kein König der Schwinger und wohl auch kein Skistar. Kein Verschwörungstheoretiker, wer vermutet, dass aus Rücksicht auf die Einschaltquoten und die Visibilität der Werbelogos lieber die grossen Stars der letzten Jahre im Rudel als bloss ein paar kleinere Namen aus dem Sportjahr 2020 gefeiert werden. Ende der Polemik.
Die kriegen nicht nur nie einen Scheinwerferkegel bei solchen Provinzpossenveranstaltungen, nein, über die spricht (sprach) nicht mal 1x die alles überbetonende Buchli und da bietet man auch irgendwie Unterwasserhornussen und solchem Seich Plattform.
Sollen die auch heulen, oder lieben, leben und ehren sie den Sport einfach für die Sache, Schönheit und Essenz an sich? Eben.