Mit roten, wässrigen Augen betreten die vier Schweizer Sprinterinnen den Medienbereich des Letzigrund-Stadions. Es wäre alles bereit gewesen für den perfekten Abschluss einer erfolgreichen EM, für eine Medaille in der 4x100-m-Staffel. Und dann lässt ausgerechnet die Frau der Stunde, Mujinga Kambundji, kurz nach dem Start den Stab fallen.
«Ich bin so enttäuscht, die anderen tun mir so leid», sagt Kambundji mit gebrochener Stimme und Tränen in den Augen. «Wir hätten so schnell laufen können, ich war voll geladen. Es wäre so viel möglich gewesen.»
Doch was ist beim Missgeschick eigentlich genau passiert? «Ich hatte den Stab in der Hand. Zwei Schritte später nicht mehr», so Kambundji. Sie habe mit der Hand ihr Bein touchiert und den Stab aus den Händen fallen lassen. Und das nicht zum ersten Mal. «An der U20 EM in Tallinn 2011 ist mir dasselbe passiert», verrät Kambundji.
Die Enttäuschung kann auch mit der Erinnerung an die erfolgreiche Woche nicht so rasch vergessen gemacht werden: «Es vermiest mir die ganze EM. Die Woche war bis gestern so super, jetzt wollte ich dies für die anderen auch möglich machen. Wir wären so eine schnelle Zeit gelaufen.»
Kein Wunder, tun der Bernerin deshalb ihre Kolleginnen am meisten leid. «Sie sagen schon, sie seien nicht wütend, aber man fühlt sich halt schuldig. Die anderen können nichts dafür. So ist es einfach blöd auszuscheiden.» Oder auf gut Schweizerdeutsch: «Es schiisst mi aa!»
Natürlich ist das Ausscheiden auch für die drei anderen Schweizer Starterinnen ein Schock, wie alleine der Blick in ihre Gesichter verrät. Lea Sprunger dachte zuerst, es handle sich um einen Fehlstart. Dann folgte der Schock. «Zuerst tat mir Mujinga leid, dann wir selber und am Schluss das Publikum. Plötzlich kommt alles rein. Wir wissen gar nicht genau, was sagen.»
Es ist ein harter Brocken, den die vier Sprinterinnen verdauen müssen. Die Medaille war das erhoffte Ziel, nun zerbricht dieser Traum an einem einzigen Fehler. Für Kambundji findet Sprunger aber tröstende Worte: «Mujinga bleibt trotzdem die Königin der EM. Sie muss das so schnell wie möglich löschen.»
Kambundji habe sich auch sofort bei den anderen entschuldigt, sagt Sprunger weiter. Im Gegenzug munterte Sprunger die am Boden zerstörte Bernerin auf: «Ich sagte ihr, dass es uns allen hätte passieren können und dass wir sie sehr fest gerne haben. Es ist halt ein spezieller Moment. Aber wir sind ein Team und Kolleginnen. Das bleibt auch so.» Schade, dass die EM mit diesen Worten zu Ende gehen muss.