Am Montagnachmittag sind gleich sechs Schweizer Olympia-Heldinnnen und -Helden in die Schweiz zurückgekehrt. Die Medaillengewinner Nina Christen, Belinda Bencic, Viktorija Golubic, Noè Ponti, Jérémy Desplanches und Nikita Duccaroz wurden am Flughafen Zürich von tosendem Applaus und Kuhglockengeläut empfangen.
Besonders die Goldmedaillen-Gewinnerinnen Christen und Bencic konnten sich grosser Unterstützung erfreuen. Die Schützin, die Gold und Bronze mit nach Hause gebracht hat, wurde von ihrem extra aus der Innerschweiz angereisten Schützenverein sowie von ihrer Mutter gefeiert.
Priska Christen gab im SRF ein sehenswertes Interview, wobei sie unter anderem erklärte, dass eine Mutter nicht nur Sport und Erfolg im Kopf hat, wenn es um das eigene Kind geht. «Seit ich weiss, dass der Flieger gelandet ist, geht es mir ganz gut. Ich sehe immer meine Tochter, und nicht nur die Sportlerin», sagte sie.
Nach ihrem 6. Platz über 100 m erreichte die Schweizer Sprinterin Mujinga Kambundji auch über 200 m den Final. Die 29-jährige Bernerin lief zum dritten Mal in ihrer Karriere die Schweizer Rekordzeit von 22,26 und qualifizierte sich als Dritte ihres Halbfinals. Insgesamt ist die WM-Dritte von 2019 die siebtschnellste aller Halbfinalisten. 22,26 war Kambundji bereits im Vorlauf am Vormittag gelaufen. Für eine Medaille muss sie sich aber nochmals steigern.
Die WM-Dritte von 2019 ist zuversichtlich: «Ich habe es in den Beinen. Aber man muss es auch auf die Bahn bringen. Ich hätte am Morgen doch durchziehen sollen. Dank der Lockerheit konnte ich da den Schritt öffnen. Im Halbfinal habe ich mich wohl leicht verkrampft und wollte mit zu hoher Kadenz rennen.»
Lea Sprunger über 400 m Hürden und Angelica Moser im Stabhochsprung verpassten im Gegensatz zu Kambundji den Finaleinzug. Die Waadtländer Sprinterin wurde im strömenden Regen in 55,12 s nur Vierte ihrer Halbfinal-Serie, Moser scheiterte in der Stab-Quali bereits bei 4,55 m.
Beide zeigten sich hinterher in ihrem SRF-Interview untröstlich. Moser schüttelte es gar richtig durch: «Ich habe mir das komplett anders vorgestellt, ich bin mega enttäuscht», erklärte die 23-Jährige sichtlich aufgelöst. «Aber ich muss jetzt nicht nach Ausreden suchen. Ich habe heute nicht das gebracht, was ich eigentlich drauf hätte. Warum, kann ich mir auch nicht erklären.»
Etwas gefasster reagierte Sprunger, doch auch sie kriegte während ihren Ausführungen feuchte Augen: «Es war ein ambitioniertes Ziel, aber es tut trotzdem weh», sagte die 31-Jährige. «Am Ende bin ich ja nicht Neunte, es waren noch einige Athletinnen vor mir.»
Der australische Bahnradfahrer Alex Porter erlebte in der Qualifikation der Teamverfolgung einen grossen Schreckmoment, als sein Velo unter ihm plötzlich zusammenkrachte. Mitten im Rennen brach ihm der Lenker und Porter flog kopfüber auf die Bahn. Der 25-Jährige hatte Glück im Unglück – er zog sich keine ernsthaften Verletzungen, aber dennoch Verbrennungen und Schürfen an Armen und Beinen zu. Porter biss in der Folge auf die Zähne und fuhr weiter. Die Australier erreichten noch die fünftschnellste Zeit und kämpfen damit wie der Schweizer Bahnvierer noch bestenfalls um Bronze.
Ebenfalls ziemlich kurios: Bei der Stabhochspringerin Sandi Morris brach in der Qualifikation mitten im Sprung der Stab, worauf die Amerikanerin ziemlich unsanft auf den Rand der Matte flog. Die Silbermedaillengewinnerin von Rio 2016 musste den Wettkampf wenig später mit Problemen in der Hüfte abbrechen.
Kraft sparen für die Finals: Bei den Favoriten ist es in der Leichtathletik durchaus üblich, auf den letzten Metern durchzutraben, wenn die Leistung für den Einzug in die nächste Runde reicht. Richtig bitter wird es, wenn dieses Kalkül am Ende schiefläuft.
Das ist Medaillenkandidatin Shericka Jackson im 200 Meter Vorlauf passiert. Auf Platz 2 liegend trudelte sie aus und wurde noch von zwei anderen Athletinnen überholt. In ihrem Vorlauf landet Jackson damit nur auf Rang 4 – und ihre Zeit reichte am Ende nicht aus, um als Lucky Loser noch in den Final vorzustossen.
Immerhin zeigte sich die Bronze-Gewinnerin über 100 Meter nach ihrem schwerwiegenden Fauxpas auf Instagram lernwillig: «Manchmal können uns schmerzhafte Dinge eine Lektion erteilen, von der wir nicht dachten, dass wir sie wissen müssen.»
Simone Biles kündigte heute an, dass sie in Tokio doch noch einmal ins Geschehen eingreifen will – und zwar im Schwebebalken-Final. Die Teilnahme Biles' wurde vom amerikanischen Verband USA Gymnastics offiziell bestätigt, sie figuriert auf der Startliste von morgen Dienstag. Zuvor hatte die 24-Jährige nur die Qualifikation komplett bestritten. Beim Team-Final war Biles nach dem ersten Durchgang ausgestiegen und hatte danach wegen «mentaler Probleme» auf die Entscheidungen beim Mehrkampf, am Boden, Stufenbarren sowie beim Sprung verzichtet.
Kugelstosserin Raven Saunders hatte am Sonntag mit einer Geste während der Siegerehrung die Aufmerksamkeit des IOC auf sich gezogen. Die 25-jährige Amerikanerin, die in Tokio Silber gewann, hatte auf dem Podium ihre Arme zu einem X über ihrem Kopf erhoben. Das IOC leitete nun deswegen eine Untersuchung ein. Saunders sagte später, die Geste sei als Zeichen der Unterstützung für die Unterdrückten gedacht. Politische Aktionen während der Siegerehrung sind weiterhin untersagt. Das Olympische Komitee der USA sieht indes keinen Regelverstoss von Saunders.
Laurel Hubbard hat mit ihrer Teilnahme als erste offene Transgender-Athletin bei Olympischen Spielen Geschichte geschrieben, die angestrebte Medaille hat die 43-jährige Neuseeländerin jedoch klar verpasst. Hubbard leistete sich im Superschwergewicht (+87 kg) im Reissen drei Fehlversuche und schied damit vorzeitig aus.
An der Teilnahme von Hubbard, die als Mann geboren wurde und 2012 ihr Geschlecht anpassen liess, hatte es im Vorfeld neben grosser Unterstützung auch Kritik wegen möglicher biologischer Vorteile gegeben. Jedoch hatte die WM-Zweite von 2017 die vom IOC vorgegebenen Richtlinien für Transgender-Athletinnen erfüllt. Diese betreffen unter anderem den Testosteronspiegel.
Die US-Fussballerinnen erleben wie bei den Spielen 2016 in Rio eine herbe Enttäuschung. Die amtierenden Weltmeisterinnen und vierfachen Olympiasiegerinnen scheiterten in den Halbfinals überraschend mit 0:1 an Nachbar Kanada. Im Gegensatz zu den letzten Sommerspielen, als sie in den Viertelfinals verloren, können die USA in Tokio wenigstens noch Bronze holen. Im kleinen Final treffen die Soccer-Girls auf Australien, um Gold kämpfen Kanada und Schweden.
Der Fall der Belarussin Kristina Timanowskaja sorgt in Tokio weiter für Unruhe. Die Sprinterin fehlte am Start über 200 m; sie befand sich in einem Flughafenhotel unter Polizeischutz. Timanowskaja sagt, dass sie Sportfunktionäre ihres Landes kritisiert habe und deshalb zur unfreiwilligen Rückkehr nach Belarus gezwungen worden sei. Die belarussische Athletenvertretung Belarusian Sport Solidarity Foundation (BSSF) sprach von einer versuchten «gewaltsamen» Ausreise. Am Flughafen wehrte sich Timanowskaja gegen die «Ausschaffung» und bat das IOC um Hilfe. Heute ersuchte sie in der polnischen Botschaft in Tokio um Asyl und erhielt schliesslich ein humanitäres Visum.
Mit Material der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.