Es sind nicht nur in München die aktuellen Lichtgestalten der Schweizer Leichtathletik. Mujinga Kambundji (30) und Simon Ehammer (22) trennen zwar acht Jahre Altersunterschied. Doch viel mehr Eigenschaften verbinden die Zwei.
Spass haben. Ist das die Bauanleitung zum Erfolg? Wer der Berner Sprinterin und dem Appenzeller Zehnkämpfer bei der Arbeit zuschaut, kommt ohne Umwege auf diesen Gedanken. Beide strahlen Freude aus, flirten mit dem Publikum, lachen in die Kameras. Sport kann so einfach sein. Wie Simon Ehammer in München auf den enttäuschenden Auftritt mit dem Diskus (34.92 m) durch persönliche Besthöhe im Stabhochsprung (5.20 m) reagierte, war Klasse.
Die Frohnatur von Kambundji und Ehammer ist nicht gekünstelt. Sie entspricht dem Charakter und bildet den Ursprung einer tiefgreifenden Lockerheit, die auch dann noch funktioniert, wenn bei vielen anderen Athletinnen und Athleten der Wettkampfstress längst zu einer spürbaren Verbissenheit führt.
Vielleicht liegt das Geheimnis dieses auffallenden Charismas in der Familie, vielleicht auch bei der Kommunikation. Beide sind «Schnorris» und unterhaltsame Erzähler. Von ihnen gibt es keine Standardantworten auf die immer wieder gleichen Fragen. Kurz angebunden erlebt man sie praktisch nie.
Was Kambundji und Ehammer verbindet ist der Umgang im Elternhaus. Da ging es beim Sporttreiben nie um richtige Resultate oder falschen Ehrgeiz. Die Kinder sollen Spass haben - heute noch. Wer Mujinga Kambundjis Vater Safuka auf der Tribüne eines Leichtathletik-Meetings begegnet, spürt die Freude als Leitfaden auch heute noch.
Auch zu Simon Ehammer gibt es eine Familien-Episode. Dass er die beinahe schon obligaten Rückschläge während eines Zehnkampfs heute so schnell wegsteckt, ist einem ab und zu schmerzhaften Lernprozess geschuldet. Es ist noch nicht einmal so lange her, da wollte er aus Frust auf seine Leistung im Speerwerfen zum abschliessenden 1500-m-Lauf nicht mehr antreten. Mutter Manuela sprach ein Machtwort. Simon lernte die Lektion. Spass haben und durchziehen.
Beide geben alles für ihren Sport. Es gibt keine halben Sachen. Und der Blick ist stets nach vorne gerichtet. «Ich kann es noch besser» hört man nach jedem noch so grossen Erfolg von beiden. Es ist ein fortwährender Antrieb und sorgt dafür, dass Mujinga Kambundji noch lange nicht am Ende ihrer beeindruckenden Karriere steht. Welche Konstanz sie dabei entwickelt hat, ist bewundernswert.
Beinahe schon legendär sind ihr Körpergefühl und das Feeling tief unten im Bauch, was ihr gut tut und was schlecht. In der Umsetzung ist die 30-Jährige die Konsequenz in Person. Die Trainingspläne von Adi Rothenbühler sind vielmehr Diskussionsgrundlage denn Gesetz. Da kann Kambundji sehr bestimmt sein. An der EM wird sie nicht mehr wie an der WM von Rothenbühler, sondern von ihrem Lebenspartner Florian Clivaz betreut.
Auch Simon Ehammers Entwicklung verläuft ähnlich. Das Gefühl für den Körper ist als Mehrkämpfer ohnehin ausgeprägt. Und neuerdings bestimmt er im Training schon mal selbst, wann Schluss ist. Auch wenn der Trainer es anders sieht. Und wo bei Kambundji die Konstanz ist, ist bei Ehammer die Auffassungsgabe. «Simon lernt schnell», sagt Coach René Wyler.
Wo aber liegen neben dem Alter die Unterschiede? Simon Ehammer ist nicht nur auf dem Wettkampfplatz ein quirliger Typ. Mujinga Kambundji ist neben der Bahn die gemütliche Bernerin. Wo der Zehnkämpfer die Treppe nimmt, sucht die Sprinterin mit Garantie den Lift.
Während der Appenzeller seine sportliche Basis seit je her im heimischen Teufen findet, musste die Bernerin auf ihrem Weg in die Weltspitze die Betreuung zuerst für Jahre im Ausland suchen. Nicht weil sie das wollte, sondern weil es vor ihr in der Schweiz schlicht keine Sprintkultur gab. Heute eifert ihr in der Heimat eine ganze Generation nach. Bei Simon Ehammer wird das nicht lange auf sich warten. Denn eine Gemeinsamkeit bleibt abschliessend zu betonen: Sie gewinnen Medaillen. (aargauerzeitung.ch)