Als sich Ferrari-Pilot Carlos Sainz als Sieger des GP von Silverstone feiern liess, konnte auch Zhou Guanyu schon wieder lächeln. Seinen Horror-Unfall beim Formel-1-Klassiker in Silverstone hatte der Chinese ohne Verletzungen überstanden. Die 142'000 Fans an der Traditionsstrecke atmeten erleichtert auf, als der Alfa-Romeo-Pilot das Medical Centre verlassen konnte und durch das Fahrerlager schlenderte.
«Ich bin ok, alles gut», teilte der 23-Jährige via Twitter mit. «Danke für eure liebevollen Nachrichten.» Und so konnte auch Ferrari-Fahrer Sainz seinen ersten GP-Sieg überhaupt unbeschwert mit der spanischen Flagge um die Schultern feiern. Doch das Ergebnis interessierte vor der neuen Silverstone-Rekordkulisse fast nur am Rande, denn die Zuschauer bangten zunächst um Zhou.
I’m ok, all clear. Halo saved me today. Thanks everyone for your kind messages! pic.twitter.com/OylxoJC4M0
— 周冠宇 | Zhou Guanyu 🇨🇳 (@ZhouGuanyu24) July 3, 2022
Unmittelbar nach dem ersten Start war es zu einem heftigen Crash gekommen, in den gleich mehrere Fahrer verwickelt waren. Am schlimmsten erwischte es dabei Alfa-Pilot Zhou. Angestossen vom Mercedes von George Russell wurde sein Wagen ausgehebelt und Zhou schlitterte verkehrt herum über den Asphalt in ein Kiesbett hinein. Der Chinese wurde schliesslich über einen Reifenstapel geschleudert und flog in einen Begrenzungszaun. Natürlich wurde das Rennen unterbrochen.
Rettungskräfte seien «sofort vor Ort» gewesen, teilte der Weltverband FIA mit und gab nach langen Minuten Entwarnung: Zhou sei bei Bewusstsein gewesen und wurde für weitere Untersuchungen ins Medical Centre gebracht. Es wurden keine Knochenbrüche festgestellt. Alfa-Romeo-Teammanager Beat Zehnder sagte bei Sky: «Er spricht und scheint keine äusserlichen Verletzungen zu haben.» Zhou durfte noch während des Rennens das Streckenhospital verlassen und wurde für «fit» erklärt.
Sofort vor Ort war George Russell, der den Unfall aus nächster Nähe verfolgte. Der Brite stieg sofort aus seinem Mercedes aus und rannte zum Wrack von Zhou. Wie Fotos der Szene dokumentieren, schaute er nach dem Chinesen, stand auf dem Reifenstapel und rief Unterstützung herbei. «Das war ein schrecklicher Unfall», sagte der 24-jährige Mercedes-Pilot bei Sky und beschrieb: «Ich bin aus dem Auto ausgestiegen, um Zhou zu helfen.»
Für Russell, der trotz einer Beschädigung wohl hätte weiterfahren können, war das Rennen damit beendet. «Als ich wieder zurückkam, war das Auto schon aufgeladen.» Auch Diskussionen mit den Marshalls und der Rennleitung blieben ergebnislos. «Ich bin natürlich enttäuscht, dass das Rennen auf diese Weise endet, es tut mir leid für die Fans und das Team», schrieb Russell bei Twitter. «Aber das Wichtigste ist, dass es Zhou gut geht.» Unter seinem Post wurde er trotzdem als «Held des Tages» gefeiert.
First of all, the most important thing is that Zhou is ok. That was a scary incident and all credit to the marshals and medical team for their quick response.
— George Russell (@GeorgeRussell63) July 3, 2022
Obviously gutted to end the race this way and I'm sorry for the team and the fans. Cheering LH on from the garage. 👊
Zhou zog sich beim Horror-Crash nicht einmal einen Kratzer zu. «Halo hat mich heute gerettet», teilte der Chinese nach dem Rennen mit. Auch Weltmeister Max Verstappen unterstrich nach dem Rennen die immense Bedeutung des Sicherheitssystems. «Ohne Halo wäre er nicht mehr bei uns», so der Niederländer bei Sky, Mercedes-Teamchef Toto Wolff sprach von einem der schlimmsten Unfälle der letzten Jahre.
Beim Halo handelt es sich um den Bügel, der um den Kopf des Fahrers verläuft und an drei Punkten mit dem Chassis verbunden ist – daher auch die Übersetzung «Heiligenschein». Offizielle Bezeichnung: «Secondary Roll Structure», also «sekundäre Überrollstruktur». Der Bügel besteht aus Titan, wiegt neun Kilogramm und muss laut FIA-Standard Belastungen von bis zu 12,5 Tonnen aushalten.
Entwickelt worden war der Cockpit-Schutz als Reaktion auf mehrere Vorfälle. Der Brasilianer Felipe Massa war 2009 in Ungarn durch eine Metallfeder schwer am Kopf verletzt worden. 2009 war zudem in der Formel 2 der 18-jährige Henry Surtees durch einen herumfliegenden Reifen in Brands Hatch tödlich getroffen worden.
Zhou rettete er am Sonntag das Leben. «Es war ein grosser Crash und ich bin zum Glück in Ordnung. Die Marshals und das medizinische Team an der Strecke waren fantastisch. Ich muss mich auch bei der FIA und der Formel 1 für ihre Arbeit bedanken. Denn vor ein paar Jahren hätte der Unfall noch ganz anders ausgehen können ...», führte dieser nach dem Rennen aus und erklärte, dass er keine Pause brauche: «Ich bin fit und freue mich auf Österreich nächste Woche.»
Auch in der Nachwuchsklasse Formel 2 hatte der Halo am Sonntag Schlimmeres verhindert. Bei einer Kollision landete das Auto des Norwegers Dennis Hauger in Cockpithöhe auf dem Boliden von Roy Nissany. Der Israeli blieb dank des Titanbügels ebenfalls unverletzt. (pre)