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Carlo Clerici war beim Giro einst noch dominanter als Tadej Pogacar

Zieleinfahrt an der Schlussetappe des Giro d'Italia am 13. Juni 1954 in Mailand, Italien, mit Hugo Koblet, links, und Carlo Clerici, links. Clerici gewinnt die Tour, Koblet wird Zweiter. (KEYSTON ...
Carlo Clerici (rechts) und Hugo Koblet nach der Schlussetappe des Giro d'Italia 1954.Bild: KEYSTONE

Dieser Schweizer war beim Giro einst noch dominanter als Tadej Pogacar

Tadej Pogacar dominiert den Giro d'Italia nach Belieben. Aber an den Rekordvorsprung des Zürchers Carlo Clerici von 1954 kommt er nicht heran.
23.05.2024, 15:14
Raphael Gutzwiller / ch media
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Für einmal gewinnt Tadej Pogacar nicht. Doch auch in der 17. Etappe des Giro d'Italia am Mittwoch überzeugt der Slowene, setzt sich in der Schlussphase vom Feld ab und holt noch den zweiten Rang hinter dem jungen Deutschen Georg Steinhauser. Damit baut der grosse Dominator, der schon fünf Etappen gewonnen hat, seine Führung in der Gesamtwertung weiter aus. Nach 17 Etappen beträgt Pogacars Vorsprung auf den Zweiten, Daniel Martinez, unglaubliche 7 Minuten und 42 Sekunden.

So dominant Pogacar ist: Auch der Slowene kommt nicht an die Zahlen des Zürchers Carlo Clerici heran. Beim Giro d'Italia 1954 war sein Vorsprung noch grösser als jener von Pogacar heute. Nach der 17. Etappe führte Clerici den Giro mit 14 Minuten und 18 Sekunden an. Der 24-jährige Zürcher schaffte mit seinem Sieg die vielleicht bis heute grösste Sensation in der Geschichte der italienischen Landesrundfahrt.

The radio reporter Vico Rigassi, left, is on July 13, 1955 on the Buerkliplatz in Zurich shortly before the start of the 7th stage of the Tour de France from Zurich to Thonon-les-Bains, with the rider ...
Legenden ihrer Zeit: Radio-Reporter Vico Rigassi mit Ferdy Kübler und Carlo Clerici (von links).Bild: PHOTOPRESS-ARCHIV

Die Hilfe für den Jugendfreund

Bis in die 3. Klasse lebt Clerici in Italien bei seiner Grossmutter, dann wächst der Sohn einer Schweizerin und eines Italieners im Zürcher Kreis 4 auf. «Mit dem Velo habe ich in der Freizeit Blumen ausgeliefert», erzählt er Jahre später in der «Schweizer Illustrierten». «Dann begann ich zu trainieren und wurde Amateurfahrer.»

Im Windschatten der beiden grossen Schweizer jener Zeit, Ferdy Kübler und Hugo Koblet, radelt er in Richtung Rad-Elite. Als er auf der internationalen Bühne ankommt, hat er immer noch nur den italienischen Pass. «Ich war Zürcher, aber eben kein Schweizer.» Dass er aber beim Triumph Schweizer ist, hat viel mit der Austragung im Jahr zuvor und mit einer aussergewöhnlichen Freundschaft zu tun.

Ein Veloclown unterhaelt den Radrennfahrer Carlo Clerici waehrend des ersten Sechstage-Rennens im Hallenstadion in Zuerich 1954. (KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/Str) === , ===
Ein Clown unterhält Clerici anlässlich des ersten Zürcher Sechstage-Rennens 1954.Bild: PHOTOPRESS-ARCHIV

Beim Giro 1953 ist Koblet, der 1950 als erster Ausländer die italienische Landesrundfahrt gewonnen hat, einer der Topfavoriten. Doch seine Helfer können ihren Leader im Kampf mit dem italienischen Star Fausto Coppi nur ungenügend unterstützen. Clerici, der mit Koblet aufgewachsen und ebenfalls im Zürcher Radfahrer-Verein gross geworden ist, fährt zu jenem Zeitpunkt zwar für ein italienisches Team, doch in einem entscheidenden Moment wartet er auf seinen Jugendfreund. Weil die beiden nicht für das gleiche Team fahren, wird Clerici daraufhin ausgeschlossen.

Italiener unterschätzen den Schweizer Angriff

Auch wegen dieser Episode beantragt er den Schweizer Pass und erhält diesen im April 1954. Koblet holt seinen Freund ins Nationalteam, beim Giro fährt Clerici zum ersten Mal mit dem Schweizer Kreuz auf der Brust. In der 6. Etappe zwischen Neapel und L'Aquila schlägt seine Stunde. Favorit Koblet gibt seinem Helfer freie Fahrt. Gemeinsam mit Nino Assirelli zieht Clerici davon. Die Italiener um die Stars Coppi und Bartali reagieren nicht. Das Duo zieht weg, Koblet bremst die Konkurrenz.

Als das Feld geschlagene 37 Minuten nach Etappensieger Clerici im Ziel eintrifft, ist der abtrünnige ehemalige Landsmann längst in die Maglia Rosa gekleidet. Vorübergehend, glauben die Tifosi. Doch auch in den Bergen erweist sich Clerici als zäher als gedacht. Und Koblet revanchiert sich bei seinem Freund. Der einstige Mitfavorit stellt sich in den Dienst der Maglia Rosa und wird zum Edelhelfer. Als Clerici in Mailand als Sieger einfährt, buht das italienische Publikum. Der Abtrünnige holt den Titel. Clerici siegt in der Gesamtwertung 24 Minuten vor seinem Freund Koblet.

Tadej Pogacar celebrates retaining the pink jersey of leader of the race after the 17th stage of the Giro d'Italia from Selva di Val Gardena to Passo Brocon, Italy, Wednesday, May 22, 2024. (Marc ...
Der Mann in Rosa: Tadej Pogacar ist am Giro hoch überlegen.Bild: keystone

Schnaps und Zigarren statt Wasser und Birchermüesli

Für Clerici bleibt der Giro-Sieg 1954 sein grösster Erfolg. Zwei Jahre später stürzt er bei der Tour de France schwer. Er bricht das Becken und es treten Lähmungserscheinungen im rechten Bein auf. Daraufhin tritt er zurück und wird Handelsreisender für Schnaps und Zigaretten. Clerici beginnt zu rauchen und setzt sich 25 Jahre lang nicht mehr auf ein Velo.

Erst als er über 80 Kilogramm schwer ist, steigt er wieder aufs Velo. Einige Jahre vor seinem Tod im Jahr 2007 legt er noch 5000 Kilometer jährlich zurück. Und bis zuletzt fiebert Carlo Clerici mit, wenn der Giro d'Italia am Fernseher läuft: «Ich lasse mir keine Etappe entgehen. Da fiebere, leide und triumphiere ich jeden Nachmittag mit.» Dann hat er sich auch immer an seinen unglaublichen Sieg aus dem Jahr 1954 zurückerinnert.

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Die Sieger des Giro d'Italia seit 1995
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1995: Tony Rominger (Schweiz).
quelle: www.imago-images.de / imago images
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Historischer Start, ereignisarmer Rest – Italien startet mit Pflichtsieg gegen Albanien
Das Spiel begann mit dem schnellsten Treffer der EM-Geschichte, ging mit einem italienischen Doppelschlag weiter und endete mit einer ereignisarmen zweiten Halbzeit. Am Ende steht ein Pflichtsieg des Titelverteidigers über Aussenseiter Albanien.

Gerade einmal 23 Sekunden war das Spiel alt, da jubelte der Aussenseiter ein erstes Mal. Ein missglückter Einwurf von Inter-Star Federico Dimarco landete bei Nedim Bajrami, der bei GC zum Profi wurde und mittlerweile bei Sassuolo in Italien kickt. Der 25-jährige Stürmer zögerte nicht und drosch den Ball ins kurze Eck zur albanischen Führung. Es war das schnellste Tor der EM-Geschichte. Bajrami löste damit den Russen Dimitri Kiritschenko, der bei der EM 2004 beim 2:1-Sieg gegen Griechenland nach 67 Sekunden getroffen hatte, ab.

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