Ja, auf dem Papier haben die ZSC Lions auch diese Saison wieder die beste Mannschaft. So viele Schweizer Stars und solch grossartige ausländische Verstärkung bringt kein anderes National-League-Team aufs Eis. Doch wir wissen auch, wie schwierig es in unserer Liga ist, einen Titel zu verteidigen.
Zwischen 2002 und 2016 wurde der Titel kein einziges Mal verteidigt. Erst im Jahr darauf schaffte es der SC Bern, zum zweiten Mal in Serie Meister zu werden. 2021 und 2022 gelang dies dann auch dem EV Zug, doch ihr erster Meistertitel dürfte sich in der speziellen Corona-Saison nicht ganz normal angefühlt haben.
Denn der Meisterblues ist ein echtes Problem, mit dem sich erfolgreiche Mannschaften immer wieder herumschlagen. Da ist einerseits eine physische Komponente: Der Meister hat lange Playoffs hinter sich. Im Normalfall reicht der Sommer für die Erholung, aber vielleicht spielt die eine oder andere Verletzung aus der Vorsaison trotzdem noch eine Rolle. Und andererseits ist da eben auch eine mentale Komponente, auch wenn sie nur im Unterbewusstsein vorhanden ist. Die Zürcher werden auch diese Saison eines der besten Teams der Liga sein, aber die Titelverteidigung gelingt nicht.
Seit dem Aufstieg in die National League im Frühling 2021 landete der HC Ajoie in seinen drei bisherigen Saison stets auf dem letzten Platz. Warum sollen die Jurassier also genau in dieser Saison um die Play-Ins kämpfen können?
Nun, einerseits heisst um die Play-Ins kämpfen nicht, dass es am Ende dann tatsächlich auch für Rang 10 oder mehr reicht. Meine Prognose ist, dass Ajoie dieses Jahr länger in diesen Kampf involviert sein wird, als wir uns das gewohnt sind. Christian Wohlwend hat es geschafft, dass seine Mannschaft letzte Saison in fast jedem Spiel mithalten konnte.
Und dieses Jahr hat der Bündner Trainer drei neue finnische Trümpfe: Jerry Turkulainen, Oula Palve und Julius Nättinen. Das Sturmtrio hat riesiges Potenzial, derart gute ausländische Stürmer hatte Ajoie seit dem Aufstieg noch nie. Palve ist ein begnadeter Spielmacher, Nättinen ein gefährlicher Sniper und Turkulainen ein hervorragender Alleskönner. Harmonieren die drei vorne und halten hinten Damiano Ciaccio und Benjamin Conz dicht, ist ein Sprung nach vorne möglich.
Die Meldung sorgte bei den Fans von Ambri-Piotta für grosse Freude: Dominik Kubalik kehrt aus der NHL zurück in die Leventina. Beim HCAP wurde der Tscheche in der Saison 2018/19 Ligatopskorer. Doch die freudige Meldung kam mit einem Sternchen. Bis Mitte Dezember kann er zurück nach Nordamerika wechseln, sofern ein Angebot vorliegt.
Das wird allerdings ziemlich sicher nicht passieren, auch wenn Kubalik gut in die National-League-Saison starten sollte. «Aus den Augen, aus dem Sinn» ist das Motto der NHL, insbesondere bei europäischen Spielern, die nach Europa zurückkehren. Die werden schlicht nicht mehr in Betracht gezogen. Kubalik ist als Unrestricted Free Agent mit keinem NHL-Team mehr verbunden und seine letzte Saison in Ottawa war zu schwach (74 Spiele, 11 Tore, 4 Assists), um das Interesse der anderen Klubs auf sich zu ziehen.
Ist das wirklich eine steile These? Schliesslich hat Servette schon letztes Jahr die Saison nur auf Rang 10 beendet und dann das Play-In-Duell gegen Biel verloren. Damit haben die Genfer die Playoffs als Meister offiziell verpasst. Aber dieses Jahr wird tendenziell erwartet, dass der amtierende Champions-League-Sieger wieder zu alter Form zurückkehrt.
Aber ist das tatsächlich so? Auf dem Papier hat Servette eine bärenstarke Mannschaft. Sami Vatanen ist der beste Verteidiger der Liga und er hat Unterstützung von starken Schweizern wie Tim Berni, Roger Karrer und Simon LeCoultre und dem hoffentlich endlich gesunden Schweden Theodor Lennström. Auf Teemo Hartikainen und Sakari Manninen ist im Sturm Verlass, dazu kommt neu der tschechische Knipser Michael Spacek (von Ambri).
Das Problem der Genfer liegt eher auf Schweizer Seite. Von den vielen namhaften Stürmern (Noah Rod, Marco Miranda, Vincent Praplan, Tanner Richard, Alessio Bertaggia) kam letzte Saison zu wenig. Auch die Schweizer Torhüter Gauthier Descloux und Robert Mayer enttäuschten oder kämpften noch mit Verletzungen. Wenn das dieses Jahr nicht bessert, steht Servette eine weitere enttäuschende Saison bevor.
Der beste Goalie ist die etwas weniger überraschende These. Sandro Aeschlimann war die letzten Jahre immer einer der besten Torhüter der Liga. Nun erhält er in Davos etwas zusätzliche Entlastung in der Person von Luca Hollenstein. Die perfekte Voraussetzung, um ZSC-Goalie Simon Hrubec die Auszeichnung zum besten Goalie im nächsten Sommer zu entreissen.
Doch welcher Davoser wird Ligatopskorer? Matej Stransky? Der Tscheche hat sicher das Zeug dazu, aber mein Geld setze ich auf seinen Landsmann Filip Zadina. In der NHL ein gescheitertes Talent, hat er hier die Chance, zum Star zu werden. Der Tscheche ist ein Spielmacher, kann aber auch selbst viele Tore schiessen. Er ist ein dynamischer Skater und die weniger physische Spielweise in der Schweiz wird ihm entgegenkommen. Um Ligatopskorer zu werden, braucht es wahrscheinlich mehr als 50 Punkte – das ist machbar für einen Spieler mit seinem Talent.
Nur Platz 7 und das Viertelfinal-Aus gegen Fribourg-Gottéron in sieben Spielen – angesichts des Potenzials der Mannschaft war die letzte Saison von Lugano eine Enttäuschung. Trotzdem durfte der junge Trainer Luca Gianinazzi durch alle Krisen bleiben. Wie lange ist das noch so?
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Auch dieses Jahr hat Lugano beste Voraussetzungen für eine erfolgreiche Saison. Auf der Goalieposition hat man durch Joren van Pottelberghe ein Upgrade gegenüber Mikko Koskinen erhalten. Die Verteidigung ist mit Santeri Alatalo, Carl Dahlström, Calle Andersson, Mirco Müller und Neuzugang David Aebischer stark besetzt. Vorne ist dank Calvin Thürkauf, Daniel Carr, Michael Joly und Luca Fazzini viel Feuerkraft vorhanden. Wenn nun wieder eine Enttäuschung folgt, dann ist der junge Trainer bei aller Liebe zum «Lugano-Weg» das schwächste Glied.
Man kann es drehen und wenden, wie man will: 14 Teams in der National League sind zwei zu viel. Während die Swiss League einen langsamen Tod wegen Unattraktivität stirbt, ist der Modus in der obersten Liga unbefriedigend. Zwar sorgen die Play-Ins grundsätzlich für Spektakel, aber dass für die Teams auf den Plätzen elf und zwölf die Meisterschaft nach der Qualifikation vorbei ist, wird diesen nicht passen. Da geht im Gegensatz zur Konkurrenz in den Playoffs und Playouts (trotz minimaler Abstiegsgefahr) eine gute Einnahmequelle flöten. Und Geld ist nunmal die Sprache, die die Klubs am besten verstehen.
Deshalb glaube ich, dass die Liga sich zumindest auf gewisse Modus-Diskussionen einlassen wird. Nicht aus Grosszügigkeit der Swiss League gegenüber, sondern um allfällige unzufriedene Stimmen innerhalb der eigenen Liga zu besänftigen. Dass zuletzt mit jedem Jahr neuerlich am Modus gebastelt wurde zeigt, dass man nicht restlos damit glücklich ist. Ob aus den Diskussionen dann etwas entsteht, wird sich weisen, aber sie wären jedenfalls spannend.
Hast du auch noch eine gewagte These für die neue National-League-Saison? Schreibe sie uns in die Kommentare.