Es war ein Wechselbad der Gefühle, das Deutschland am letzten Wochenende erlebte. Während die deutsche Fussballnationalmannschaft bei einer klaren Heimniederlage gegen Japan 1:4 unterging, erlebte der deutsche Basketball den grössten Erfolg seiner Geschichte.
«Ein Märchen», titelt «Bild». Der Spiegel schreibt von einer «goldenen Generation», die sich am Sonntag unerwartet an die Spitze der Weltrangliste setzte, nachdem sie sich gegen die starke serbische Nationalmannschaft durchsetzt hatte. Der Erfolg kommt nicht aus dem Nichts, sondern ist ein Teil eines Drei-Jahres-Ziels (bis zu den Olympischen Spielen 2024 in Paris), das von Trainer Gordon Herbert, dem Grundpfeiler des Erfolgsprojekt, anvisiert wird.
Den Baumeister des Erfolgs findet man abseits des Spielfelds. In nur zwei Jahren hat sich Trainer Gordon Herbert als Retter der Nation bzw. als Förderer der vielen deutschen Talente hervorgetan. Vor allem aber hat der kanadische Trainer Dennis Schröder, dem Star-Spielmacher der deutschen Nationalmannschaft, neue Impulse und mehr Verantwortung gegeben.
Die Erfolgsgeschichte hat ihren Ursprung im September 2021, als der neue Trainer beschloss, mit seiner zukünftigen Leitfigur ein persönliches Gespräch zu führen. Herbert fasste den Dialog wie folgt zusammen: «Wir haben drei oder vier Stunden lang geredet, und dann hat alles angefangen. Ich habe seine Leidenschaft, sein Engagement und seinen Einsatz für sein Land, seine Nationalmannschaft und seine Teamkollegen gespürt. Für mich hat alles damals angefangen. September 2021».
Schröder sagte der Bild-Zeitung, worin er die grosse Stärke des Nationaltrainers sieht: «Jeder weiss genau, was er zu tun hat. Er treibt uns an, hält uns auf dem Boden, gibt uns aber trotzdem Selbstvertrauen».
Der deutsche Spielmacher hatte eine schwierige Saison bei den Los Angeles Lakers hinter sich und wurde zur Leitfigur der deutschen Nationalmannschaft. In der nächsten Saison wird er für die Toronto Raptors auflaufen.
Der gebürtige Braunschweiger verfügt mit seinen 29 Jahren bereits über eine gewisse Reife und hat bei diesen Weltmeisterschaften Spitzenleistungen gezeigt. Er wurde zum MVP des Turniers gekürt und tritt damit in die Fussstapfen von Spielern wie Kyrie Irving und Ricky Rubio. Der Deutsche ist konstant und auch in der Offensive mit seinen Dribblings und seiner Geschwindigkeit gefährlich. Schröder erzielte im Finale 28 Punkte und zeigte, dass er auch in der «Money Time» bereit ist.
Seit Schröder Kapitän ist, hat Deutschland Bronze bei der EM und nun Gold bei der WM gewonnen. Die Bronzemedaille an der EM 2022 auf deutschem Boden diene Herberts Truppe als Ansporn. Die Frustration war gross, vor allem da Schröders Teamkollegen daran geglaubt hatten, 29 Jahre nach ihrem einzigen Titelgewinn bei einem internationalen Turnier (EM 1993) den Titel wieder holen zu können.
Wäre 2022 also alles optimal gelaufen, würde die deutsche Mannschaft heute vielleicht nicht mit der WM-Goldmedaille dastehen.
Während Dennis Schröder Verantwortung übernahm und sich auf dem Feld abrackerte, zeigten auch einige andere Schlüsselspieler eine ansprechende Leistung. Zu ihnen gehören Franz Wagner, Andreas Obst, Isaac Bonga und Daniel Theis. Der Erstgenannte glänzte als perfekte Ergänzung zum Anführer Schröder. Der Berliner, der in Orlando spielt, musste in der Gruppenphase verletzungsbedingt noch aussetzen. Nachher verbuchte er in vier Spielen 16,8 Punkte, 6,8 Rebounds und 3 Assists.
Seit ein paar Jahren hat die deutsche Nationalmannschaft einige NBA-Spieler in ihren Reihen. So zum Beispiel Daniel Theis von den Boston Celtics. Er ist ein sehr wichtiger Spieler im Team von Gordon Herbert, der mit seinen offensiven Rebounds eine grosse defensive Stabilität in das deutsche Team gebracht hat.
Um bei einem Turnier weiterzukommen, braucht man manchmal ein Quäntchen Glück. Deutschland profitierte davon, dass es im Halbfinale die grossen Favoriten aus den USA besiegte, denen es offensichtlich an Erfahrung mangelte – ein Durchschnittsalter von 24,6 Jahren, das erste internationale Turnier für die 12 ausgewählten Spieler und kein NBA-Superstar in den Reihen der US-Amerikanern.
Trotz eines Anthony Edwards im Dampfwalzenmodus hatten die USA grosse Mühe, die perfekt geölte deutsche Maschinerie zu stoppen. Die Teile fügten sich zusammen, um den (jungen) amerikanischen Riesen zu Fall zu bringen. Danach galt es, im Finale die serbische Mannschaft zu besiegen. Deutschland hat alles richtig gemacht und sich für die Olympischen Spiele 2024 in Paris warm gespielt. (kat)