Eigentlich sollte alles besser werden, versprach Trainer Hansi Flick nach den beiden Niederlagen im Juni gegen Polen und Kolumbien. Doch beim 1:4 gegen Japan trat Deutschland genauso ideenlos und anfällig auf, wie in den vorherigen Spielen – und eigentlich gar Jahren. Nun muss Flick, der Joachim Löw nach der EM 2021 als Bundestrainer ablöste, seinen Hut nehmen.
Zuvor hatten Experten, Medien und viele Fans nach fünf sieglosen Spielen und nur vier Erfolgen aus den letzten 17 Partien bereits die Entlassung des früheren Bayern-Coachs gefordert. Am Dienstag gegen Frankreich wird DFB-Sportdirektor Rudi Völler gemeinsam mit Hannes Wolf und Sandro Wagner auf der Trainerbank sitzen. Doch wer sind die Kandidaten für die langfristige Nachfolge?
Seit seiner Entlassung beim FC Bayern im März ist Julian Nagelsmann ohne Anstellung. Im Sommer sagte er angeblich einigen Topklubs ab, ob er sich das am Boden liegende Deutschland antun würde, ist unklar. In jedem Fall wäre für den 36-Jährigen, der in München noch bis 2026 unter Vertrag steht, eine Ablöse fällig. Wenn der deutsche Rekordmeister in diesen Verhandlungen aber etwas nachgibt, dann beim deutschen Nationalteam – wie es die Bayern bereits bei Flick getan haben.
Dass Nagelsmann ein guter Trainer ist, hat er in Hoffenheim und Leipzig bewiesen, mit den Bayern gewann er zudem eine Meisterschaft und war zum Zeitpunkt seiner Entlassung noch in allen drei Wettbewerben vertreten. Von den aktuell verfügbaren Kandidaten wäre er wohl der Wunschkandidat vieler.
Der Frankfurter Erfolgstrainer, der die Eintracht zum Sieg in der Europa League geführt hat, ist neu im Rennen um die Flick-Nachfolge. Oliver Glasner gilt als grosser Fachmann und schreckt auch nicht davor zurück, Missstände anzusprechen.
So kritisierte der Österreicher sein Team nach einer Niederlage gegen Union Berlin deutlich und sprach der Defensive die Qualität ab. Dies kam nicht überall gut an, doch würde dem deutschen Nationalteam ein auch mal kritischer Trainer in vielen Augen nicht schaden. Der 49-Jährige wäre wie Nagelsmann sofort verfügbar.
Die einfachste Lösung wäre wohl, den bisherigen Trainer durch den Sportdirektor zu ersetzen. Rudi Völler kennt die Situation, ein kriselndes Team zu übernehmen und möglichst schnell Erfolg zu bringen. So übernahm der frühere Stürmer das Nationalteam nach dem Vorrunden-Aus an der EM 2000 von Erich Ribbeck und führte sie an der WM 2002 bis in den Final.
Nur folgte danach der Absturz und an der EM in Portugal ein weiteres Vorrunden-Aus. Kurz danach war er während eines Monats noch Trainer der AS Roma und für drei Spiele Interimstrainer bei Bayer Leverkusen. Seit 2005 fungierte Völler aber nicht mehr als Trainer, trotzdem wird der Ruf nach «Tante Käthe» in Deutschland derzeit laut.
Er war schon immer ein Mann der klaren Worte. Vor den Länderspielen gegen Japan und Frankreich äusserte Matthias Sammer gegenüber der «Süddeutschen Zeitung» nun deutliche Kritik am deutschen Fussball und dem Nationalteam. «Seien wir doch mal ehrlich: Wir liegen am Boden!», sagte er dort beispielsweise. Er sei schockiert und fassungslos, wie man diese Krise noch schönrede, ohne dass jemand Verantwortung übernehmen würde.
Eventuell könnte der BVB-Berater und frühere Sportvorstand des FC Bayern seine geforderte Kurskorrektur gleich selbst umsetzen. Der 56-Jährige wird unter anderem von Lothar Matthäus ins Spiel gebracht: «Er ist jemand, der aneckt. Das ist das, was wir zurzeit nicht haben», sagt der ehemalige Mitspieler von Sammer über diesen, «das kann der Mannschaft guttun.» Aber auch bei Sammer ist die letzte Anstellung als Trainer bereits 18 Jahre her, mit Borussia Dortmund wurde er in der Saison 2001/02 deutscher Meister.
Fragt man die Deutschen nach ihrem Wunschkandidaten, fällt der Name des aktuellen Liverpool-Coaches am häufigsten. Jürgen Klopp wäre wohl der perfekte Kandidat für das Amt des Bundestrainers und äusserte in der Vergangenheit auch schon Interesse daran, «wenn es passt». Doch aktuell dürfte dies wohl nicht der Fall sein, zudem hat der 56-Jährige in England noch einen bis 2026 laufenden Vertrag. Vor der EM 2024 dürfte Klopp seinen Job in Liverpool mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht aufgeben.
Neben den am meisten genannten potenziellen Nachfolgern für Flick steht auch Stefan Kuntz zur Debatte. Der aktuelle Nationaltrainer der Türkei steht angeblich vor dem Aus, zuvor führte er die deutsche U21 zu zwei Europameistertiteln. Von damals kennt er einige A-Nationalspieler wie Nico Schlotterbeck, Florian Wirtz und Serge Gnabry bereits.
Die «Sport-Bild» fordert zudem einen besonders strengen Nachfolger. Demnach müsse der DFB Louis van Gaal davon überzeugen, nach seinem Rücktritt als Trainer der Niederlande noch einmal an die Seitenlinie zurückzukehren. Der 72-jährige «General» erklärte, dass «ein vielversprechendes Land» noch immer die Chance hätte, ihn an Bord zu holen. Ob Deutschland in diese Kategorie fällt, liegt im Auge des Betrachters.