Mehr als zwei Milliarden Menschen verfolgten die kontrovers diskutierte Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris vor einem Fernseher, fast ein Viertel der Weltbevölkerung. Nur ein Fussball-WM-Final der Männer erreicht ein noch grösseres Publikum als das vierstündige Spektakel auf und an der Seine. Olympische Spiele sind auch ein gigantischer Laufsteg.
Auch für den Schuhhersteller und Ausrüster der Schweizer Delegation, die Sportbekleidungsmarke On. 24 Stück umfasst die Kollektion, die er eigens für die Sommerspiele in Paris entwickelt hat. Neben einer breiten Auswahl an Bekleidung und Schuhen umfasst die Kollektion Accessoires wie Trainings- und Reisetaschen sowie Caps und Socken. Erhältlich ist ein Grossteil der Kollektion bei Ochsner Sport, wo man sagt, sie sei «nicht ganz billig».
Bis 2028 arbeitet Swiss Olympic mit On als Ausrüster zusammen, wo die frühere Tennisgrösse Roger Federer Teilhaber ist. 2010 gegründet, stellte On zunächst Laufschuhe her, 2016 folgte dann die erste Kleiderkollektion. Inzwischen ist On in 60 Ländern vertreten, unter anderem in den USA, Deutschland, Japan, China, Vietnam, Australien und Brasilien. On, eine Marke aus der Schweiz, für die Welt, die Olympischen Spiele als Laufsteg.
Hingegen den Athletinnen und Athleten vorenthalten ist das Outfit für die Übergabe der Medaillen und die Eröffnungs- und die Schlussfeier. Es sind die Augenblicke, in denen die öffentliche Aufmerksamkeit am grössten ist.
Wohl auch deshalb investierten On-Chefdesigner Thilo Brunner und seine Mitstreiter besonders viel Denkkraft in die Symbolik dieser exklusiven Stücke. Sie entstanden aus PET-Flaschen, die aus der Limmat gefischt worden sind. Die 930 Kilogramm Plastik wurden danach in den Thurgau gebracht und dort zu Flocken verkleinert. Weiterverarbeitet wurden diese im Tessin, in Stabio. Garn und gewebter Stoff wurde daraus wiederum in der Ostschweiz. Produziert wurden die rund tausend Jacken in Portugal.
Nur: Wie nachhaltig ist dieses Verfahren? Nicht besonders, sagt Kai Nebel. Er ist Ingenieur für textile Verfahrenstechnik und leitet an der Hochschule Reutlingen den Forschungsschwerpunkt Nachhaltigkeit & Recycling. Zwar sei die Wiederverwertung besser als die Produktion neuer Kunststoffe, doch das Plastik müsse chemisch gereinigt und transportiert werden. Das verbraucht Energie und verursacht Ausstoss von Kohlenstoffdioxid (CO2).
Das grösste Problem ortet Nebel aber anderswo. Er sagt: «Macht man aus PET Kleidung, nimmt man dieses aus einem funktionierenden Kreislauf.» Die Getränkeindustrie muss dann viel mehr Plastikflaschen herstellen, damit die Textilindustrie diesen sogenannt nachhaltigen Rohstoff hat.»
Aus PET (steht für Polyethylenterephthalat) hergestellte Textilien sind nicht wiederverwertbar. Denn dafür müssten die verschiedenen Materialien voneinander getrennt werden. «Selbst bei sortenreinen Garnen wären die Kosten dafür unverhältnismässig hoch.» Das Fazit von Fachleuten: Aus Polyester-Fasern hergestellte Textilien sind ein ökologischer Unsinn.
Zudem seien teilweise aus PET gefertigte Textilien gesundheitlich nicht bedenkenlos. Kunstfasern geben Mikroplastik ab. Dieses gelangt unter anderem beim Waschen ins Abwasser, mittelfristig ins Trinkwasser und in die Nahrungskette. Welche Folgen das genau hat, ist zwar noch nicht klar. Dennoch sei es besser, Kleidung zu tragen, die keine Kunstfasern enthält.
Nebel bezeichnet es als Greenwashing, wenn Modeketten mit rezyklierter Kleidung werben, da es nur darum gehe, den Verkauf anzukurbeln - was die Müllberge weiter wachsen lasse. Denn schon heute werden Milliarden von Kleidungsstücken produziert, ohne dass sie verkauft werden.
Sind die roten Schweizer Jacken also nichts anderes als ein Vehikel, um auf dem Olympia-Laufsteg Greenwashing zu betreiben? Nein, sagt Kai Nebel. Das sei erst dann der Fall, wenn die Hersteller zu wenig transparent seien und nicht deklarieren, wie gross der Anteil der wiederverwerteten Stoffe ist. Oft bestünden diese nur zu einem Bruchteil aus rezykliertem Material.
Bei On ist das hingegen nicht der Fall. Schon heute bestünden Artikel aller Kategorien zu einem Drittel aus rezyklierten oder erneuerbaren Stoffen, einige Kleider und Accessoires aus zwei Dritteln. Die Schweizer Firma unternimmt grosse Anstrengungen, um nachhaltig zu produzieren, und hat sich dazu verpflichtet, Wasserverbrauch, den Einsatz von Chemikalien und Abfall zu minimieren, wie auch der Nachhaltigkeitsbericht offenbart.
Aus Getränkeflaschen gewonnene Fasern zur Herstellung von Textilien bezeichnet On als «momentan unsere Lösung für konventionell rezyklierte Polyesterstoffe». Trotzdem bevorzuge man, wo möglich, fortschrittlich rezyklierte Materialien, an denen man bereits mit Hochdruck arbeite.
Und damit Materialien, die nicht aus einem funktionierenden Kreislauf gerissen worden sind wie das Plastik in den Schweizer Olympia-Jacken, die auch am Sonntag wieder in den Fokus der Weltöffentlichkeit rücken werden. Dann, wenn die Olympischen Spiele in Paris zu Ende gehen. (aargauerzeitung.ch)
Es ist typisch schweizerisch da jetzt wieder herumzunörgeln.
Lasst die kreativen Köpfe doch arbeiten, nur so entstehen neue Konzepte. Es ist zudem jedem klar, dass mit PET aus der Limmat keine Grossindustrie aufgezogen werden kann...