Der Chronist ist in der Regel schon früh im Stadion. Wer auf einem Bauernhof aufgewachsen ist, pflegt mit den Hühnern aufzustehen. Aber natürlich nicht mehr, wie einst die echten Bauern, mit den Hühnern schlafen zu gehen.
Es ist kurz nach 10.00 Uhr. Am Nachmittag wird die Schweiz um 16.40 Uhr (09.40 Uhr in der Schweiz) den Viertelfinal gegen Finnland bestreiten. Vorher tritt die Slowakei gegen die USA an.
Der Chronist biegt im Stadion um die Ecke – und trifft überraschend auf Dario Simion. Wo kommt denn der Zuger Meisterstürmer her? Hat er nach dem Aufwärmtraining den Mannschaftsbus verpasst?
Der Grund für seinen Aufenthalt ist schnell geklärt. Der kräftige Flügel, 189 Zentimeter gross, hat für sich allein auf dem Eis trainiert. Aus gutem Grund: Die «Marsmenschen» hatten ihn ja abgeholt. Er war elf Tage in Isolation. Nun muss er wieder in Schwung kommen. Bewegung tut ihm gut. Im Kleinbus ist er vom Olympischen Dorf zum Stadion gefahren worden. Jetzt wird er wieder abgeholt.
Er war der einzige Schweizer auf dem Eis, weil die Mannschaft, die am Vortag den Achtelfinal gegen Tschechien 4:2 gewonnen hat, auf ein Aufwärmtraining verzichtet hat. Erholung ist bei zwei Spielen in 24 Stunden ein zentraler Faktor.
Der Chronist, den die latente Angst vor den «Marsmenschen» plagt, ist neugierig: Wie ist die «Verhaftung» denn abgelaufen? «Der Teamarzt hat mich informiert und dann bin ich mit der Ambulanz abgeholt und in ein Hotelzimmer gebracht worden. Telefon und Laptop durfte ich mitnehmen.» Und wie war das Hotelzimmer: «Karg und klein …». Wie eine Gefängniszelle? «Nun, so schlimm dann doch nicht.»
Und dann elf Tage immer, wirklich immer, in diesem Hotelzimmer? «Ja, das war so.» Das Essen sei jeweils aufs Zimmer gebracht worden. Für einen Powerstürmer, einen energiegeladenen jungen Mann, dessen Beruf die Ausübung eines rauen Spiels ist, der täglich trainiert, sozusagen immer in Bewegung ist, müssen elf Tage ohne Auslauf weit schlimmer sein als für einen alten Chronisten, der lieber spaziert als trainiert.
Wie vertreibt man sich die Zeit in der Isolation? Mit Computer, Lesen, Trockenübungen: «Ich war in Kontakt mit dem Team und mit der Familie, das hat mir geholfen. Ich habe darauf geachtet, im Rhythmus zu bleiben und nur nachts und nicht während des Tages nicht zu schlafen.»
Nach zwei negativen Tests ist Dario Simion nun also freigekommen. «Ich hatte nie die geringsten Symptome. Bald hatte ich auch einen negativen Test. Aber der nächste war wieder positiv und so musste ich erneut auf zwei negative Tests warten.»
Wo er den Virus eingefangen hat, weiss er nicht. Vielleicht während des Fluges nach Peking. Vielleicht auch nicht.
Nun ist er froh, dass er endlich wieder draussen ist und gegen Finnland sein erstes Spiel bei diesem Turnier bestreiten kann. Und der Chronist hofft, dass ihn die «Marsmenschen» in den letzten Tagen nicht doch noch holen.