Peking. Samstag. Kurz vor Mitternacht. Die Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft hat gegen Dänemark verloren. Eigentlich Zeit, um Feierabend zu machen.
Aber den Text will der Chronist, pflichtbewusst wie er halt nun mal ist, zu Ende komponieren. Der letzte Bus vom Stadion zurück Richtung Hotel fährt um 01:05 Uhr. Kein Problem also.
Die freundlichen Helferinnen verabschieden sich schon mal. Und auf einmal ist der Chronist der letzte Aufrechte, der im Medienzentrum des Stadions noch arbeitet.
Um 00:45 packt er seine Siebensachen zusammen und strebt der Bushaltestelle vor dem Stadion zu. Und hat Pech: Die Ausgangstüre ist bereits zugesperrt. Was nun?
Der Chronist eilt durch die halbdunklen Gänge, sucht einen anderen Ausgang, findet keinen und ruft: «Hallo! Hallo!» Muss er jetzt hier nächtigen?
Er hat Glück. Hinter einer Türe hört er Stimmen. Er öffnet die Türe. Und erstarrt: Marsmenschen! Sie haben die Kopfbedeckung abgelegt und essen Nudelsuppen.
Vielleicht können sie dem Chronisten helfen. Nur: Wie soll er sich verständigen? Wie soll er nach dem Ausgang zur Bushaltestelle fragen? Er ist der chinesischen Sprache nicht mächtig und die Marsmenschen kennen nur ihre Landessprache.
«Das blaue Bähnli» kommt dem gehetzten Chronisten in den Sinn: die Nummer von Karl Steuer und Ernst Mischler. Ein deutscher Tourist fragt in der Stadt Bern einen urchigen Emmentaler nach dem Weg zur Station des Zuges nach Worb und kommt mit dem breitesten Berndeutsch nicht klar.
Doch der Chronist hat eine Idee: Er deutet einem Marsmenschen an, mitzukommen. Draussen auf dem Gang ist ein Schild «Exit». Er deutet darauf und der Marsmensch nickt, lächelt, versteht. Interplanetare Kommunikation. So wird es einmal sein, wenn die Ausserirdischen kommen.
Nun geleitet der freundliche Marsmensch den müden und gestressten Chronisten im Bauch des Stadions durch die Gänge. Aber zu einem anderen Ausgang auf einer anderen Seite des Stadions. Mehr kann auch ein freundlicher Marsmensch in Peking für einen alten Emmentaler nicht tun.
Der Chronist rennt ums Stadion herum. Um den letzten Bus auf der anderen Seite noch zu erwischen. Er muss. Er biegt um die Ecke. Der Bus fährt ihm bereits entgegen. Er kann ihn stoppen. Zischend öffnet sich die Tür. Gerettet. Er ist der einzige Fahrgast.
Ein Emmentaler ist eben kein Deutscher. Der deutsche Tourist in der Kabarettnummer verpasst das «Blaue Bähnli» nach Worb. Der Emmentaler im fernen China verpasst den letzten Bus nicht.
40 Minuten lang geht die Fahrt zurück durch die Nacht. Durch fremde Strassen. Gesäumt von fremden Häusern mit einer fremden Architektur. Beschriftet mit fremden Buchstaben. Lost in China.
Müdigkeit überfällt den alten Chronisten, der nun schon viel zu lange auf dem Archipel Olympia unter Marsmenschen lebt und viel zu viel arbeitet. Er wird auf einmal melancholisch. Ach, wie schön hat doch einst der Polo Hofer gesungen:
Ja, ja, und 3:5 gegen Dänemark …
Halt durch Klausi, es ist erst Halbzeit.
ist ihm wohlgelungen. danke für die wunderbaren berichte vom mars, wobei die CH nati noch etwas kritischer beurteilt werden könnte.
kommt wohl nach der niederlage im nächsten spiel 🧐