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Olympia 2022: Wer erlöst die Hockey-Nati in der Offensive?

epa09746124 Jiri Smejkal (R) of the Czech Republic in action against Gregory Hofmann (L) of Switzerland during the Men's Ice Hockey preliminary round match between Czech Republic and Switzerland  ...
Von Grégory Hofmann kommt noch zu wenig.Bild: keystone
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Warten auf Winkelried – es ist Zeit, für Grégory Hofmann aufzustehen

Zweites Spiel, zweite Niederlage. Nach dem 0:1 gegen Russland nun eine Penalty-Pleite (1:2) gegen Tschechien. Gut, kehrt Denis Malgin zurück.
11.02.2022, 14:2311.02.2022, 14:55
klaus zaugg, peking
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Wozu nach diesem Spiel Fragen stellen? Die Antworten sind eh schon klar. Tatsächlich sagen die Spieler nach der Niederlage gegen Tschechien (1:2 n.P) genau das, was die Fragesteller erwartet haben: Das Wort «bitter» fällt mehrmals. Dann heisst es, man habe gekämpft, gut mitgehalten. Aber man müsse präziser und schneller spielen. Damit man sich auf dem letzten Meter vor dem gegnerischen Tor durchsetzen könne.

Viel mehr gibt es eigentlich nicht zu sagen. Niemand hat sich etwas zuschulden kommen lassen. Es gibt keine Sündenböcke zu benennen. Keine Krise ist im Anzug. Keine Polemik zieht herauf.

Die Schweizer haben in zwei Partien plus fünf Anläufen im Penalty-Schiessen ein einziges Tor erzielt: Das 1:1 im Powerplay gegen Tschechien. Note ungenügend.

Aber sie haben in diesen zwei Partien nur zwei Tore kassiert. Zwei Eigentore. Gegen Russland hat Enzo Corvi den Puck zum einzigen Treffer ins eigene Tor abgelenkt. Gegen Tschechien ist es Yannick Weber. Das war Pech. Nicht Unvermögen. Die Note für die Defensive ist eine sehr gute.

Was sagt uns das alles? Defensiv spielen wir auf Augenhöhe mit den besten Teams der Welt. Das bedeutet: Das Spiel ohne Puck ist tadellos. Aber offensiv sind wir Mittelmass. Nur ein Powerplaytor in zwei Partien. Das Spiel mit dem Puck muss besser werden. Die Balance zwischen Offensive und Defensive stimmt noch nicht.

Aber es fehlt nicht viel. Reto Berra (spielte gegen Russland) und Leonardo Genoni (gegen Tschechien im Tor) sind «zwäg». Das Defensivsystem funktioniert. Die Disziplin ist hoch und die Fehlerquote tief. Es fehlt nicht vorne und hinten. Es fehlt nur ganz wenig vorne.

Czech Republic's forward David Krejci, left, scores a.the winner goal against Switzerland's goaltender Leonardo Genoni, right, during the shootout session at the men's ice hockey prelim ...
An Leonardo Genoni und Reto Berra gibt es nichts auszusetzen.Bild: keystone

Das ist die Chance, eine Heldengeschichte zu schreiben. Wenn Partien 6:2 oder 7:5 gewonnen werden, erinnern wir uns nach ein paar Tagen höchstens noch an einen Torschützen, wenn er vier oder fünfmal getroffen hat. Aber hier kann ein einziges Tor alles entscheiden. Pleite oder Medaille. Wer hier einen Treffer erzielt, hat gute Chancen, seinen Namen im Ruhmesbuch unserer Hockeygeschichte einzutragen.

Die zwei wichtigsten Fragen: Warum haben wir so wenig Tore erzielt? Wer kann uns offensiv erlösen?

In Peking wird auf dem kleinen, rund vier Meter schmäleren NHL-Eis gespielt. Das Spiel wird dadurch «verdichtet»: Jeder einzelne hat weniger Zeit und Raum. Das bedeutet: Schneller denken, schneller und präziser spielen. Das ist ungewohnt für Stürmer aus unserer Lauf- und Tempoliga, die zur spielerischen Entfaltung viel Raum und viel Zeit lässt.

Es ist kein Zufall, dass Gaëtan Haas (unser einziger Torschütze) und Sven Adrighetto (traf gegen die Russen den Pfosten) bisher die besten Stürmer waren. Beide haben sich in der Vergangenheit länger als eine Saison in der NHL bewährt.

Switzerland's forward Denis Malgin controls the puck during the warm up prior the men's ice hockey preliminary round game between Czech Republic and Switzerland at the National Indoor Stadiu ...
Denis Malgin ist zurück bei der Nati.Bild: keystone

Gut hat sich Denis Malgin inzwischen «freigetestet»: Er ist zurück und spielt gegen Dänemark sein erstes Spiel. Auch er hat NHL-Erfahrung. Er bringt die Prise Genialität und Unberechenbarkeit ins Spiel, die die Differenz machen kann.

Zwei bittere Niederlagen. Aber noch ist das Selbstvertrauen intakt. Nach wie vor gilt: Einer Medaille so nah und doch so ferne. Nur noch eine Partie gegen Dänemark bleibt, um das Spiel zu justieren. Ausgerechnet Dänemark: Spielerisch limitiert. Aber im Spiel ohne Puck Weltklasse und defensiv schier unerschütterlich. Logisch. Der Nationaltrainer heisst Heinz Ehlers. Der defensive Hexenmeister. Die Dänen haben Tschechien besiegt (2:1) und gegen Russland auch nur 0:2 verloren. Drei Gegentreffer in zwei Spielen. Fast wie die Schweiz.

Dänemark ist der schlimmstmögliche Gegner fürs letzte Spiel der Vorrunde und vor dem Achtelfinal. Ein Sieg ist Pflicht. Wenn die Schweizer gewinnen, heisst es: Na und? Im Falle einer Niederlage erwachen hingegen die Dämonen des Zweifels. Defensivspiel ist eine Sache des Fleisses, der Disziplin und des Willens. Unserem Defensivspiel können diese Dämonen nicht schaden. Das Offensivspiel aber ist auch eine Frage des Selbstvertrauens, der Lockerheit, des schnellen, instinktiven Handelns. Da wirken Zweifel lähmend.

Es wird Zeit, dass einer ein Hockey-Winkelried wird. Einer, der seinen Mitspielern durch die gegnerischen Verteidigungen eine Gasse macht. Wie einst Winkelried unter natürlich ungleich dramatischeren Umständen seinen Mitstreitern den Weg zum Sieg durch den Wald der gegnerischen Spiesse freigemacht hat.

Es ist Zeit, dass Grégory Hofmann aufsteht und mit dem Toreschiessen beginnt.

P.S. Kehrt Dänemarks Nationaltrainer Heinz Ehlers in die Schweiz zurück? Er hat im Frühjahr 2020 seinen weiterlaufenden Vertrag in Langnau aufgelöst und ist in seine Heimat zurückgekehrt. Um dänischer Nationaltrainer zu werden.

epa09741510 Denmark's head coach Heinz Ehlers looks on during the Men's Ice Hockey preliminary round match between the Czech Republic and Denmark at the Beijing 2022 Olympic Games, Beijing,  ...
Kehrt Heinz Ehlers in die Schweiz zurück?Bild: keystone

Ein wenig Small Talk mit Heinz Ehlers:

Ist es nicht langweilig, nur dänischer Nationaltrainer zu sein?
Nein, diese Saison mit dem Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele, das olympische Turnier und der WM nicht. Aber nächste Saison wahrscheinlich schon.

Ist also die Rückkehr in die Schweiz für nächste Saison ein Thema?
Was denken Sie?

Ja, es ist ein Thema. Sie könnten beispielsweise Ajoie übernehmen.
So langweilig ist es nicht, dass ich mir das antun möchte.

Aber es gibt ja noch andere Möglichkeiten in der Schweiz. Oder?
Sie können mich mit Ihrer Fragerei nicht aufs Glatteis führen. Haben Sie noch Fragen zum Spiel? Ich sollte zu meiner Mannschaft in die Kabine.

Nein, keine weiteren Fragen.

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30 Kommentare
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Chnoblibrot
11.02.2022 14:56registriert Oktober 2020
....und immer wieder heisst es "es fehlt nicht viel" das ist im Fall nicht mehr lustig, es fehlt seit Jahren nicht viel, wann gedenken sie das zu ändern?
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Maple
11.02.2022 16:59registriert September 2018
Keine Diskussion: Hofmann ist und bleibt ein Schönwetterspieler. In einem erfolgreichen Team kann er sehr wertvoll sein. Das beweist sein letztes Jahr in Zug. Er ist jedoch kein Reisser. Schon gar nicht auf internationalem Parkett. In unserer Liga, die immer weicher und weicher wird, fühlt er sich natürlich pudelwohl. Bis auf seine Schusstechnik und seine Schnelligkeit überzeugt mich sonst nichts von Hofmann.
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Walt White
11.02.2022 14:30registriert November 2015
Grégory Hofmann, ausgerechnet. Ist das nicht der, welcher die Komfortzone „Schweizerfamilie“ dem NHL Traum vorzieht?
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