Roger Federer suchte die Anonymität, die es für ihn fast nirgendwo mehr gibt, und trainierte in Doha am Samstagabend erstmals, während parallel der Final des Frauenturniers ausgespielt wurde. Auch in Dubai, wo er sich auf seine Rückkehr in den Tenniszirkus vorbereitet hatte, war er offenbar um höchste Diskretion bemüht, bat seine Trainingspartner und Beobachter darum, keine Videos und Fotos zu machen.
Gleichwohl landete immer wieder Material in den sozialen Medien. Irgendwann war nicht mehr zu verheimlichen, was zu erwarten war: Roger Federer trägt neuerdings auch auf dem Tennisplatz Schuhe der Schweizer Marke On, die bisher nur auf Laufschuhe spezialisiert war, und bei der Federer seit 2019 Teilhaber ist. Auf Frage dieser Zeitung sagte Federer am Sonntag:
On und Roger Federer – es ist die perfekte Symbiose. Keine Schweizer Marke liefert und erzählt so gut Geschichten wie On. Und keiner eignet sich besser als deren Erzähler als Roger Federer. Weil er alles verkörpert, was im Rest der Welt als Schweizer Wertarbeit geschätzt wird: Zuverlässigkeit, Innovation, Präzision. Attribute, mit denen sich auch On gerne schmückt.
Und ist die Geschichte nicht wahr, so ist sie zumindest gut erfunden und noch besser erzählt: Ein Schuh aus einem Gartenschlauch, entstanden in einer Garage in Zollikon, nun ein Weltprodukt, schöner und bequemer als alles Dagewesene. Die Erfolgsgeschichte– sie ist mindestens so wichtig wie das Produkt selber. Der Mitgründer David Allemann ist ein preisgekrönter Vermarkter, er hat die Designermarke Vitra gross gemacht.
So gerne man über Schuhe redet, so zugeknöpft gibt sich On, wenn es ums Geld geht. Das Unternehmen ist nicht börsenkotiert. Umsatzzahlen werden keine publiziert, über Margen oder Betriebsgewinn wird nur spekuliert, die genauen Besitzverhältnisse sind unklar. Fragen dazu werden abgeblockt. Doch in den letzten Jahren dürfte der Einfluss aus den USA gewachsen sein, wie ein Blick auf den fünfköpfigen Verwaltungsrat zeigt: Ken Fox ist der Chef der Stripes Group, einer Private-Equity-Firma. Alex Perez, Head of Finance bei Investor Trusts, lotst Hedgefonds in erfolgversprechende Investments. Schon jetzt erzielt On 60 Prozent des Umsatzes in den USA.
Das rasend schnelle Wachstum der letzten Jahre hat Geld gekostet, das mit mehreren Kapitalerhöhungen beschafft worden ist. 2017 sammelte On 5 Millionen Franken, im Dezember waren es weitere 20 Millionen. Anfang 2020 gingen im Zuge von Federers Einstieg 125 Millionen Franken auf einem UBS-Konto ein, das Aktienkapital wurde um sieben Prozent erhöht. Weil auch noch andere Personen Aktien gezeichnet haben, ist unklar, wie viel Geld Federer investiert hat. Schätzungen reichen von 50 bis 100 Millionen Franken. Der Baselbieter sagte der «NZZ am Sonntag» damals:
Gemäss «Handelszeitung» ist Ken Fox mit seiner Stripes Group seit 2018 der «zweitgrösster Aktionär der Firma», hinter den drei Gründern. Bereits früher seien weitere US-Unternehmen bei On eingestiegen, darunter die Investmentboutique G9 Ventures aus New York und die Private-Equity-Firma Bond Capital aus San Francisco. Wie hoch der Gesamtanteil der Amerikaner liegt, lasse sich zwar nicht eruieren. Die Gründer dürften aber 30 Prozent der Namenaktien am Unternehmen halten, heisst es. Eine Hochrechnung, basierend auf einem kürzlichen Aktientransfer, ergibt einen Gesamtwert für die Laufschuhfirma von 2,2 Milliarden Franken.
Das macht On zum «Einhorn». Als solches wird im Fachjargon ein Startup-Unternehmen bezeichnet, dessen Wert vor dem Börsengang (oder einem Exit) auf über eine Milliarde Dollar geschätzt wird.
Der Haken: Erst wenn On an die Börse geht, zahlen sich die Investitionen auch für die Teilhaber erst richtig aus. Normalerweise würden solche Beteiligungen vier bis fünf Jahre gehalten, schreibt die «Handelszeitung». Bei On sind die Investoren seit zehn Jahre an Bord. Offenbar mehren sich die Zeichen, dass sie auf einen Börsengang drängen. Bereits im letzten Jahr berichtete die «NZZ am Sonntag», On treffe derzeit Vorbereitungen, was umgehend dementiert wurde. Nun berichtet die «Finanz und Wirtschaft», On gehe noch in diesem Jahr in den USA an die Börse. Im Dezember hatte On in New York seinen weltweit ersten Flagship-Store eröffnet.
On äussert sich nicht zu den Plänen, schreibt auf Anfrage nur: «Wir sind sehr stark auf Wachstum, Produktion und Innovation fokussiert – das bindet alle Ressourcen.» Das Unternehmen stelle derzeit Personal mit Erfahrung im Investment Banking ein. Die Stellen dafür seien aber nicht öffentlich ausgeschrieben. Gemäss «Finanz und Wirtschaft» werde der Börsengang von einer US-Investmentbank abgewickelt. Auch eine Schweizer Bank sei am Deal beteiligt. Dabei dürfte es sich um die Credit Suisse handeln. Sie ist die führende Schweizer Investment- und Federers Hausbank. Mit 106,3 Millionen Dollar Einnahmen war der 39-Jährige im letzten Jahr gemäss «Forbes» der bestverdienende Sportler der Welt.
Nach Tiger Woods, Michael Jordan und Floyd Mayweather dürfte Roger Federer der vierte Sportler werden, dessen Vermögen die Milliarden-Grenze sprengt. Der Börsengang von On würde aus den Gründern Multimillionäre machen. Und aus Roger Federer wohl einen Milliardär. Ob er bereits am Mittwoch im neuen Schuh spielt oder nicht, ist sekundär.