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Schweiz

Rudern: So erlebte dieser Aargauer die Pazifik-Überquerung

7000 Kalorien täglich und trotzdem 7 Kilo verloren: Das härteste Ruderrennen der Welt

Samuel Widmer aus Döttingen ist einer von vier Schweizer Ruder-Helden. Sein Team gewann das Rennen über den Pazifik in Weltrekordzeit. Wie es dem 30-Jährigen eine Woche nach dem Triumph geht.
09.07.2025, 21:0209.07.2025, 22:05
Daniel Weissenbrunner / ch media
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Im Hintergrund läuft gepflegte Musik, es wird angeregt diskutiert, etwas getrunken und gegessen. Ferienstimmung. Wir erreichen Samuel Widmer am Handy. Er ist entspannt. Er geniesst den Abend mit Freunden und Familie auf der Insel Kauai westlich von Honolulu. «Ich bin wieder unter den Halblebigen», sagt er und lacht. Angesichts der Leistung ist seine Analyse kaum übertrieben.

Eine Woche ist seit dem Zieleinlauf verstrichen. Am vergangenen späten Dienstagabend überquerten Ingvar Groza, Jan Hurni, Yassin Boussena und der Aargauer im Bunde, der Döttinger Samuel Widmer, die Ziellinie. Sie haben Geschichte geschrieben.

Vorher (links) und nachher (rechts): Samuel Widmer ruderte 25 Tage über den Pazifik. Die Strapazen sind dem Döttinger anzusehen.
Vorher (links) und nachher (rechts): Samuel Widmer ruderte 25 Tage über den Pazifik. Die Strapazen sind dem Döttinger anzusehen.bild: zvg

Die 4444 Kilometer legte das Schweizer Extremruder-Quartett auf dem offenen und oftmals wilden Pazifik in Weltrekordzeit zurück. Vom kalifornischen Monterey nach Hawaii in etwas mehr als 25 Tagen. Der «World’s Toughest Row», wie das Rennen, oder je nach Betrachtung, der Wahnsinn, genannt wird, zählt zu den grössten sportlichen Herausforderungen.

Die Tortur hat bei Samuel Widmer Spuren hinterlassen. Was nicht weiter erstaunt: Während der dreieinhalb Wochen teilten die vier Abenteurer ihre Einsätze in Fünfstunden-Schichten ein. «Drei Stunden Rudern, zwei Stunden Pause», erklärt der 30-Jährige. Wobei Pause ein relativer Begriff ist. Angesagt war das Behandeln von Blasen an den Händen und Füssen. Oder irgendetwas am Boot reparieren. «Wenn es hoch kam, blieb noch eine Stunde für den Schlaf», sagt Widmer.

Wohlverdiente Belohnung: Samuel Widmer (2.v.r.) stösst mit Ingvar Groza, Yassin Boussena und Jan Hurni (v.l.) auf den Triumph an.
Wohlverdiente Belohnung: Samuel Widmer (2.v.r.) stösst mit Ingvar Groza, Yassin Boussena und Jan Hurni (v.l.) auf den Triumph an.bild: manfred tennstedt

Der Verschleiss und die Abnützungen sind für Normalsterbliche schwer nachvollziehbar: Schmerzen an den Fussgelenken, an den Knien, Verkürzungen der Sehnen an den Händen und Oberschenkeln. Platzwunden und Hautverbrennungen von der Sonne.

Mit ihrer Tempofahrt auch Freunde und Familie überrascht

Weil der Energieverbrauch deutlich höher war als die Kalorienzufuhr, mussten die Ruderer kräftig Energie zuführen. Widmer und seine Kollegen nahmen täglich rund 7000 Kalorien zu sich, in Form von Astronautennahrung, also in Beuteln abgepackte Mahlzeiten. «Experten empfahlen uns sogar noch mehr. Doch irgendwann ist der Körper gar nicht mehr in der Lage, mehr aufzunehmen», sagt Widmer. Trotzdem verlor der Aargauer während der Überfahrt sieben Kilo an Körpergewicht.

Die Schweizer legten bei ihrer Fahrt eine Fabelzeit hin.
Die Schweizer legten bei ihrer Fahrt eine Fabelzeit hin.bild: manfred tennstedt

Die Strapazen haben sich – nimmt man die Zielsetzung als Mass für Widmer und seine Teamkollegen – gelohnt. «Unser Gameplan ist voll aufgegangen», zieht Samuel Widmer zufrieden Bilanz. Sie wollten den Sieg und den bestehenden Weltrekord brechen. Beides gelang. Die bisherige Bestmarke lag bei 29 Tagen, 17 Stunden und 29 Minuten. Die neue vom Team «Swiss Raw» bei beeindruckenden 25 Tagen, 2 Stunden und 21 Minuten.

Mit ihrer Rekordfahrt überraschte das Team nicht nur sich, sondern auch Freunde und Familie. Diese verpassten schlicht die Ankunft von Groza, Hurni, Boussena und Widmer. Die vier erreichten in ihrem Temporausch Hawaii einen Tag früher als ihre Liebsten.

Schon wieder Gewicht zugelegt

Inzwischen hat sich Samuel Widmer erstaunlich gut von den Anstrengungen erholt. «Die Beweglichkeit kommt zurück und ich bin fast schmerzfrei», sagt der Döttinger. Auf dem Tagesprogramm stehen Golfen und Tennisspielen. Auch den Schlafrhythmus bezeichnet er beinahe wieder als normal. Und Gewicht hat Widmer seit der Ankunft ebenfalls zugelegt. «Drei Kilogramm», gibt er an.

Bei der Ankunft auf Hawaii waren die Medien anwesend, nicht aber Freunde und Familien.
Bei der Ankunft auf Hawaii waren die Medien anwesend, nicht aber Freunde und Familien.bild: manfred tennstedt

Die nächsten Tage und Wochen verbringt er noch im Pazifik, ehe der Polizist Anfang August wieder seinen Dienst antritt. Zeit, um sich bereits Gedanken für ein nächstes Projekt zu machen? «Nein», sagt Samuel Widmer. Und falls ihn irgendwann die Abenteuerlust wieder packen sollte: «Die bleibt, aber sicher nichts mehr mit Rudern», sagt er. (hkl/aargauerzeitung.ch)

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7 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Jake Peralta
09.07.2025 22:17registriert Dezember 2014
Wir haben die vier per Zufall vor dem Start in Monterey getroffen. Alle waren super sympathisch und haben uns alle noch so doofen Fragen beantwortet. Herzlichen Glückwunsch an diese riesige Leistung!
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chris-swiss
09.07.2025 22:03registriert November 2022
Ach, ich beneide diese Sportler um ihr Erlebnis, auch wenn es sicherlich sehr hart war und vielleicht auch mal zum davonlaufen. Den Pazific zu befahren, war immer ein Traum von mir. Aber für sowas ist bei mir natürlich der Zug schon längstens abgefahren. Ich bin sicher, dass sich die Sportler ein leben lang an diese intensive Zeit erinnern und davon zehren können.
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