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Ethikmeldestelle: Mehrere Verfahren von Trainern im Rudersport

Die Schweizer Ruder werden gerichtet, im Training anlaesslich Point de Press der Schweizer Ruder Nationalmannschaft am Rotsee vor dem Ruder Weltcup auf dem Rotsee in Luzern am Mittwoch, 22. Mai 2024.  ...
Die Situation im nationalen Leistungszentrum Rudern in Sarnen beschäftigt seit Frühjahr 2022 auch die Juristen.Bild: keystone

Schlimmer Eklat bei den Ruderern nicht gemeldet – Trainer gingen aufeinander los

Bei Swiss Sport Integrity laufen mehrere Verfahren aufgrund der Situationen im nationalen Ruderzentrum. Es ist eine der grössten Untersuchungen wegen möglichen ethischen Fehlverhaltens, seit die Meldestelle als Folge der Magglinger Protokolle 2022 gestartet ist.
11.03.2025, 11:3111.03.2025, 11:31
Rainer Sommerhalder / ch media
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Die Situation im nationalen Leistungszentrum Rudern in Sarnen beschäftigt seit geraumer Zeit auch die Juristen. Bereits im Frühjahr 2022 gingen bei der Ethikmeldestelle von Swiss Sport Integrity Meldungen von Athletinnen und Athleten sowie Personen aus deren Umfeld gegen den Verband, gegen Cheftrainer Ian Wright und gegen Direktor Christian Stofer ein.

Vorgeworfen wurden den Verantwortlichen mögliche Verstösse gegen die Ethikcharta des Schweizer Sports. Daraus entstand eine der grössten Untersuchungen von SSI im Bereich Ethik seit deren Gründung. Sie dauerte über ein Jahr, und es wurden mehr als ein Dutzend Befragungen durchgeführt.

Inhaltlich ging es um überharte Trainingsmethoden und die Frage, ob im Leistungszentrum Sarnen im Umgang mit Sportlerinnen und Sportlern ethische und fürsorgerische Grenzen überschritten wurden. Allerdings wurden gegen den Trainer danach keine Massnahmen verhängt, weil man weder einen konkreten psychischen noch physischen Verstoss feststellen konnte. Zwei Drittel aller befragten Athletinnen und Athleten sagten zwar, sie störten sich an der Art und Weise, wie mit ihnen umgegangen werde. Es sei aber wohl genau das, was sie bräuchten, um sportlich erfolgreich zu sein.

Ähnlich argumentierten vor einigen Jahren auch Turnerinnen aus den Kadern des Schweizerischen Turnverbandes, als sie im Rahmen der Magglinger Protokolle zu Wort kamen. Ein Psychologe sagt dazu, wenn man in einem entsprechenden Umfeld sozialisiert worden sei, beginne man es mit der Zeit als normal zu empfinden.

Keine klaren Ethikverstösse festgestellt

In der Einstellungsverfügung gegen Wright wird auch Kritik laut: Die Umgangsformen von Ian Wright werden als unangemessen betitelt. Er mache durch seine direkte Art verletzende Aussagen, und man fühle sich situativ blossgestellt. Allerdings würden die gemeldeten Vorfälle nicht die Schwere eines Ethikverstosses im Sinne der vorliegend einschlägigen Bestimmungen erreichen.

Auch die Untersuchung gegen Verbandsdirektor Christian Stofer wurde 2023 eingestellt – ebenfalls nicht ohne kritische Untertöne in der schriftlichen Begründung. Eine von SSI befragte Person kritisiert insbesondere die Reaktion des Verbandsdirektors auf die Nachricht, dass ein Verfahren laufe. Stofer habe an einem Meeting zu den Athletinnen und Athleten gesagt: «Irgendöpper vo üch het gschnorred.»

Verbandsdirektor Christian Stofer vereint gemäss Swiss Sport Integrity eine problematische Machtfülle.
Verbandsdirektor Christian Stofer vereint gemäss Swiss Sport Integrity eine problematische Machtfülle.Bild: Ch Media

Sie sagt, sie habe grösste Mühe mit dieser Reaktion gehabt. «Stofer ermunterte uns, die Meldung wieder zurückzunehmen. Und er sagte auch, dass er die Meldung als persönlichen Angriff auf ihn verstehe.» Ein weiteres Beispiel von inakzeptabler Machtausübung. Gemäss Ethikcharta ist es die Aufgabe von Verbandsfunktionären, mögliches Fehlverhalten von Trainern zu melden. Und nicht die Anzeiger unter Druck zu setzen.

Missstand gegen den Verband festgestellt

Aus dem Schneider ist Swiss Rowing trotz der Einstellung der Verfahren gegen die verantwortlichen Personen nicht. Einerseits hat SSI bei der damaligen Untersuchung einen Missstand gegenüber dem Verband angezeigt. Die festgestellten Mängel betrafen organisatorische Defizite, Defizite in den Strukturen, Machtkumulation bei Christian Stofer, ungeeignete Trainingsabläufe, zu wenig Mitsprachemöglichkeiten für Athletinnen und Athleten sowie fehlende Athletenvereinbarungen und Karriereplanungen.

Daraus ergab sich die Auflage an Swiss Rowing, in Zusammenarbeit mit Swiss Olympic geeignete Massnahmen zur Ausmerzung dieser Missstände zu ergreifen und gemeinsam eine Umsetzungsvereinbarung zu erarbeiten. Swiss Olympic kommunizierte diesen Umstand im Oktober 2023 mit folgenden Worten: «Swiss Olympic und der Schweizerische Ruderverband vereinbaren Massnahmen zur Optimierung der Governance-Strukturen.» Die Umsetzung wurde aufgrund der Olympia-Vorbereitungen auf Spätherbst 2024 verschoben. Swiss Rowing war verpflichtet, bis zum 31. Oktober geforderte Anpassungen im Leistungssport-System und bei den Abläufen vorzunehmen.

Die Beurteilung, ob dies ausreichend geschehen ist, unterliegt Swiss Olympic. Der Dachverband des Schweizer Sports schreibt auf Anfrage zum aktuellen Stand: «Mit einer Ausnahme hat Swiss Rowing alle Massnahmen zufriedenstellend umgesetzt. Bei einer Massnahme war Swiss Olympic mit der Umsetzungsqualität nicht einverstanden und hat diese deshalb als nicht erfüllt bewertet.

Dabei handelt es sich um die Überarbeitung des Handbuchs Spitzensport, welches die Selektionsbestimmungen und weitere Punkte im Zusammenhang mit dem jährlichen Programm der Nationalteams regelt. Die Nichterfüllung wurde, wie es das Ethik-Statut vorsieht, Swiss Sport Integrity gemeldet. Es obliegt Swiss Sport Integrity, zu entscheiden, ob ein neues Verfahren eröffnet wird.»

Swiss Sport Integrity untersucht neue Vorwürfe

Swiss Rowing ergänzt zu dieser offiziellen Auskunft von Swiss Olympic, dass auch diese Pendenz in der Zwischenzeit erledigt ist und von Swiss Olympic genehmigt wurde. Swiss Olympic habe dabei festgestellt, dass Swiss Rowing die Massnahme «Überarbeitung Handbuch Spitzensport» abgeschlossen hat. Tatsächlich bestätigte der Dachverband in einem Mail vom 21. Februar an Swiss Rowing, dass die im Spätherbst noch beanstandeten Punkte «bereinigt wurden» und führt mehrere geänderte Punkte detailliert auf.

Allerdings steht im Mail auch, dass dies eine «Einschätzung von Swiss Olympic» sei. Daraus zu schliessen, damit sei auch das Verfahren definitiv abgeschlossen, ist nicht korrekt. Diese Kompetenz liegt nicht bei Swiss Olympic, sondern bei Swiss Sport Integrity.

Markus Pfisterer, Leiter der Ethikmeldestelle, sagt dazu auf Anfrage: «Es ist korrekt, dass wir von Swiss Olympic über die nicht vollständige Umsetzung der Missstandsvereinbarung informiert wurden. Diese Information wird unsererseits als Meldung entgegengenommen und im Rahmen einer Untersuchung abgeklärt. Diese Untersuchung läuft im Moment. Inhaltlich darf ich mich zum aktuellen Zeitpunkt nicht äussern.»

Doch selbst wenn SSI zur gleichen Einschätzung gelangt wie Swiss Olympic und die Umsetzungsvereinbarung als komplett erfüllt betrachtet, bedeutet dies noch immer nicht das Ende aller Untersuchungen gegen Swiss Rowing. Denn im Frühling 2024 landete eine neue Anzeige von verschiedenen Personen aus der Ruderszene bei SSI mit ähnlich lautendem Inhalt wie 2022.

Erneut startete Swiss Sport Integrity eine Untersuchung mit diversen neuen Anhörungen. Diese Untersuchung sorgt dafür, dass das Verfahren gegen Swiss Rowing weiterläuft. Markus Pfisterer sagt dazu: «Ich kann bestätigen, dass wir im Frühling 2024 Meldungen zu möglichen Ethikverstössen erhalten haben. Wenn immer möglich, aus prozessökonomischen Gründen, vereinen wir Meldungen mit möglichen Inhalten, da wir es vermeiden möchten, betroffene Personen mehrmals in derselben Angelegenheit zu befragen.»

Chefcoach wurde handgreiflich gegen Frauentrainer

Ob Swiss Sport Integrity zu einer anderen Einschätzung als vor zwei Jahren gelangt, wird sich also erst noch weisen. Und ein gravierender disziplinarischer Vorfall ist dabei nicht einmal Bestandteil der aktuellen Untersuchung, weil er Swiss Sport Integrity nie gemeldet wurde. Im März 2023 kam es im Ruderzentrum in Sarnen zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen Cheftrainer Ian Wright und Frauentrainer Nick Lloyd.

Dieser ging ein mündlicher Disput voraus. Swiss Rowing setzte als Folge eine Mediation zwischen den Streithähnen an, veranlasste aber keine disziplinarischen Massnahmen. Den angestauten Frust und das Gefühl von Lloyd, lediglich Befehlsempfänger des Chefcoaches zu sein, veränderte auch die Mediation nicht.

Ian Wright
Der nach China gewechselte Chefcoach Ian Wright musste im März 2023 nach einem körperlichen Angriff auf Frauentrainer Nick Lloyd zur internen Mediation antreten.Bild: Keystone

Wie schwer die Erfahrungen die Betroffenen nach wie vor belasten, zeigt eine Nachricht vom Februar 2025. Ein Kadermitglied schreibt zur Recherche von CH Media: «Ich finde es sehr wichtig, zu betonen, dass nicht nur der Trainer das Problem war. Ich bin an der nicht vorhandenen Unterstützung und dem Druck durch den Verband gebrochen. Wir Athleten brauchen euch, ihr könnt für uns sprechen, da wir uns selbst nicht getrauen.» (aargauerzeitung.ch)

(les)

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8 Kommentare
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Tennis-Schiri fällt korrekten Entscheid – der Spieler so 😳🤬😭

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