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Schon wieder in der Falle: Bundesanwalt Lauber und der Uefa-Scheich aus Katar

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PSG-Präsident Nasser Al-Khelaifi (im Bild mit Superstar Neymar) wird bald vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona angeklagt.Bild: EPA/EPA

Schon wieder in der Falle: Bundesanwalt Lauber und der Uefa-Scheich aus Katar

Die Bundesanwaltschaft führt ein Verfahren gegen ein Mitglied der Uefa-Exekutive – und hat ein grosses Problem mehr.
29.04.2020, 22:29
Henry Habegger / ch media
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Der Verteidiger eines Beschuldigten im soeben verjährten «Sommermärchen»-Prozess sprach in einer Eingabe von «Vertuschung», «Vergessen», «Verheimlichung». Er meinte das absonderliche Theater, das eine Gruppe Herren um das ominöse dritte Treffen von Bundesanwalt ­Michael Lauber mit Fifa-Boss Gianni Infantino aufführen.

Keiner von vier verbürgten Teilnehmern kann sich angeblich ans Treffen erinnern. Natürlich auch nicht daran, wer der fünfte Mann war, der vermutlich im Juni 2017 auch noch am Meeting im Berner «Schweizerhof» dabei war.

Kandidaten waren Olivier Thormann, einst Leiter Wirtschaftskriminalität bei Lauber, sowie Cédric Remund, Staatsanwalt und Ankläger im «Sommermärchen». Nach viel Hin und Her legten sie mehr oder weniger starke Belege dafür vor, dass sie nicht Nummer 5 waren.

Die Frage ist zentral, denn wenn ein operativ mit den Fussball-Verfahren befasster Staatsanwalt am Geheimtreffen dabei war, sind die Fussball-Verfahren hoffnungslos vergiftet. Wegen Kungelei der Ankläger mit dem Privatkläger Fifa.

Joël Pahud – ist er der fünfte Mann?

Erstmals sickert jetzt aus der Bundesanwaltschaft selbst ein Name durch. Nummer 5 am Tisch soll Joël Pahud (33) gewesen sein, Staatsanwalt des Bundes. Die Information stammt aus dem inneren Zirkel der Lauber-Behörde. Unabhängig davon wird CH Media, der Süddeutschen Zeitung und der französischen Le Monde von anderer Seite bestätigt, dass der fünfte Mann Pahud sein soll.

Der Waadtländer Pahud ist seit Beginn der Fifa-Verfahren im Jahr 2015 Mitglied der Task-Force Fussball. Er selbst hat einst spontan erklärt, dass er nicht der fünfte Mann war. Die Bundesanwaltschaft wollte sich auf ­Anfrage nicht äussern.

Wieder sieht es nach Befangenheit aus

Der Name Pahud birgt mehrfach Zündstoff. Im ­September 2020 soll er vor dem ­Bundesstrafgericht in Bellin­zona seinen ersten grossen Fall vertreten. Beschuldigt ist zum einen der ehemalige Fifa-Generalsekretär Jerôme Valcke, dem unter anderem ­Bestechlichkeit im ­Zusammenhang mit der Vergabe von ­Medienrechten an Fussball-­Turnieren vorgeworfen wird. Zum anderen richtet sich das Verfahren gegen einen schwerreichen Prominenten, der von der Rechtevergabe profitiert haben soll: Nasser Al-Khelaifi. Der Geschäftsmann aus ­Katar besitzt eine Mediengruppe. Er ist aber vor allem bekannt als Präsident des Fussballklubs Paris Saint­Germain, der Stars wie Neymar Junior oder Kylian Mbappé beschäftigt.

Pahud ist aber auch jener Staatsanwalt des Bundes, der mit einer Mitarbeiterin des Uefa-Rechtsdienstes verheiratet ist. Diese Verbindung fällt jetzt erst recht ins Gewicht, weil der Beschuldigte Al-Khelaifi seit Februar 2019 Mitglied des Uefa-Exekutivkomitees ist. Laubers Staatsanwalt führt also ein Verfahren, das sich gegen einen Vorgesetzten seiner Frau richtet, den Scheich aus Katar. Das sieht stark nach Befangenheit aus.

Trat Pahud jemals in den Ausstand? Gibt er das Verfahren ab? Die Bundesanwaltschaft wollte sich auch dazu nicht äussern.

Infantino lag Uefa-Verfahren schwer auf dem Magen

Die Bundesanwaltschaft steckt also jetzt auch noch in der Uefa-Falle. Zum Verfahren gegen den Scheich kommt noch eines, das bereits abgeschlossen ist, aber immer noch Fragen aufwirft. Seit April 2016 ermittelte die Bundesanwaltschaft im Uefa-Zusammenhang. Formell gegen unbekannt, aber es ging um einen ­dubiosen TV-Rechte-Deal, den einst Infantino als Uefa-Generalsekretär unterzeichnet hatte.

FILE - In this Wednesday, Sept. 25, 2019 file photo, Swiss Federal Attorney Michael Lauber speaks at a press conference in Bern, Switzerland. Swiss attorney general Michael Lauber was disciplined Wedn ...
Michael Lauber traf sich mehrfach mit Gianni Infantino, kann sich daran aber nicht erinnern.Bild: AP

Dieses Verfahren lag Infantino schwer auf dem Magen lag. Es hing wie ein Damoklesschwert über seiner Fifa-Präsidentschaft. Unter anderem gehackte E-Mails, publiziert durch den Tages-Anzeiger, deuten darauf hin, dass Infantino die Geheimtreffen auch dazu nutzen wollte, um Lauber von seiner angeblichen Unschuld zu überzeugen. Behilflich bei seinen Demarchen bei der Bundesanwaltschaft war ihm sein Kumpel, der Walliser Oberstaatsanwalt Rinaldo Arnold. Auch er erinnert sich allerdings an nichts mehr. Fest steht: Im November 2017, einige Monaten nach dem «vergessenen» Geheimtreffen, stellte die Bundesanwaltschaft dieses Verfahren ein.

In Bezug auf Pahud und den fünften Mann ist ein Blick auf die Zeitachse hilfreich.

Im März 2017 eröffnete Staatsanwalt Cédric Remund das Verfahren gegen Valcke und Al-Khelaifi aus Katar. Anfang Juni 2017 konstituierte sich die Fifa als Privatklägerin.

Zwei Wochen später, am 16. Juni 2017, fand das ominöse dritte Treffen im «Schweizerhof» statt, vielleicht mit Pahud.

Am 30. September 2017 ging die Leitung dieses Korruptions-Verfahrens von Remund an Pahud über. Die beiden Waadtländer gelten in der Bundesanwaltschaft als enge Vertraute.

Beobachter glauben angesichts des Ablaufs der Ereignisse, dass es bei dem ominösen Treffen um das kurz später eingestellte Uefa-Verfahren ging, aber auch um das Verfahren gegen Valcke und Al-Khelaifi.

Rätselhafter Fifa-«Deal» mit Al-Khelaifi

Mindestens zwei weitere Rätsel bleiben. Das eine: Warum wurden zwei der Geheimtreffen von Lauber und Infantino im «Schweizerhof» abgehalten? Wo dieser doch dem Emirat ­Katar gehört, das auch seine Botschaft dort hat. Was heisst, dass das Hotel ohne Zweifel überwacht oder gar verwanzt ist.

Das andere, das vielleicht mit dem ersten zusammenhängt: Warum zog Infantinos Fifa im Januar 2020 ihren Strafantrag wegen Privatbestechung gegen Al-Khelaifi plötzlich ­zurück? Ein Teil von Pahuds ­Anklage brach damit zusammen. Die Fifa hatte, so die Bundesanwaltschaft, «eine nicht ­näher definierte gütliche Einigung» mit Al-Khelaifi erzielt.

Es gilt die Unschuldsver­mutung.

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23 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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sweeneytodd
30.04.2020 00:14registriert September 2018
Der Staat Katar mischt sich offenbar i unser Rechtssystem ein, da sollte man hellhöhrig werden und den ganzen Sumpf der BA trocken legen und von vorne starten. Die Schweiz verkauft soch hier nicht besonders gut 🙄.
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leu84
30.04.2020 00:05registriert Januar 2014
Die Schweizer Bundesanwaltschaft hat in den letzten 20 Jahren genug Material geliefert um eine Krimiromanreihe zu verfassen. Eigentlich ein Armutszeugnis für unser Land und die Leute, die sie immer wiederwählen und der BA dann plötzlich doch gehen muss.
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Victor Paulsen
30.04.2020 00:28registriert April 2019
Das so ein Lauber in der Schweiz überhaupt soein Amt erhält ist fraglich. Aber das er auch nach solchen gut belegten Anschuldigungen in seinem Amt bestätigt wird, ist eine SCHANDE
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