Das Eidgenössische mit dem Schlussgang am Sonntag als Höhepunkt wird SRF erneut Traumquoten bescheren. 2019 sahen durchschnittlich 836'000 bzw. 824'000 Frauen, Männer und Kinder die Live-Übertragung des königlichen Titanen-Kampfes. Bessere Werte als bei jedem Meisterschaftsspiel im Fussball oder Hockey. Schwingen ist ein Quotenhit praktisch zum Nulltarif.
Der Nutzen ist gegenseitig. Schwingen ist auch dank der TV-Präsenz weit über seine wertkonservative Anhängerschaft hinaus so populär geworden. Ohne TV-Präsenz gäbe es kaum Interesse der Werbeindustrie und keinen Werbebatzen für die «Bösen».
Kommt dazu: Schwingen, der Zweikampf der rauen Kerle, ist ein perfekter TV-Sport und die TV-Produktion verdient im Schwingen nur eine Bezeichnung: Weltklasse! Sowohl was die Bildqualität als auch die Kommentierung und Aufarbeitung betrifft. Besser kann Sport fürs Fernsehen nicht umgesetzt werden.
Die TV-Geschichte im Sägemehl ist jung. 1995 gibt es vom Eidgenössischen in Chur erstmals Live-Bilder. Leutschenbach macht kurze Live-Schaltungen und bringt eine einstündige Tageszusammenfassung. Vom Eidgenössischen 2004 in Luzern wird erstmals zwei Tage lang live berichtet und seither sind die zweitägigen Live-Übertragungen aus dem eidgenössischen Sägemehl ein fixer Bestandteil des öffentlich-rechtlichen TV-Programmes.
Der Betrag, der aus Leutschenbach jährlich für die TV-Rechte an den Eidgenössischen Schwingerverband (ESV) als Rechtehalter überwiesen wird, ist nachgerade lächerlich. Die ESV-Jahresrechnung legt die Zahlen offen, so viel Transparenz gibt es in Bezug auf TV-Einnahmen in keinem anderen Sport. SRF bezahlt für die TV-Rechte exakt 172'320 Franken pro Jahr. Dabei handelt es sich um eine Netto-Summe. Will heissen: Leutschenbach trägt die Kosten für die TV-Produktion, die sechsstellig sind.
Der Aufwand für die Produktion des Eidgenössischen ist beträchtlich. In Mollis sind 35 SRF-Mitarbeitende für die redaktionelle Umsetzung plus 45 für die Produktion des landesweiten TV-Signals vor Ort tätig. In der Schwinger-Arena kommen 14 Kameras zum Einsatz. Vier Kilometer Kabel werden auf dem Festgelände verlegt und insgesamt müssen rund zehn Tonnen Material auf- und wieder abgebaut werden.
Der Vertrag mit den Schwingern läuft bis 2028. Zu traumhaften Rahmenbedingungen: Unser staatstragendes Fernsehen besitzt die exklusiven Übertragungsrechte für alle Feste der Stufe 1 und 2. Also für das Eidgenössische, für Unspunnen, Kilchberg, für alle fünf Teilverbandsfeste und sämtliche Bergkranzfeste. Darüber hinaus darf Leutschenbach lokalen TV-Sendern Live-Übertragungen mit Sublizenzen erlauben, gegen Entgelt natürlich. Davon wird reichlich Gebrauch gemacht: Live-Übertragungen von Schwingfesten mit regionalem Charakter – wie den Gauverbandsfesten im Bernbiet – gehören längst zum festen Programm der privaten Lokal-TV-Stationen.
Im Eishockey und im Fussball holen die nationalen Verbände und Ligen aus den TV-Rechten jährlich gut 30 Millionen Franken heraus. Im Eishockey sind die Rechte soeben für insgesamt 300 Millionen Franken für 10 Jahre bis 2035 an private Stationen verkauft worden. Schwingen ist inzwischen so populär geworden, dass es möglich wäre, im Jahr über zehn Millionen Franken zu bekommen.
Rolf Gasser, der Verbands-Geschäftsführer im Vorruhestand, der in der Vergangenheit bei allen Gesprächen in der Sache am Tisch sass, geht davon aus, dass der TV-Vertrag 2028 zu ähnlichen Konditionen verlängert wird. Im Wesentlichen sind es drei Gründe, die dazu führen, dass die Gralshüter des Schwingens die Popularität ihres Sportes bei den TV-Rechten nicht ausreizen und sich mit einem Trinkgeld begnügen.
Erstens gibt es in den Kreisen des vaterländischen Sportes eine tiefe Staatsgläubigkeit und Staatstreue. Beim öffentlich-rechtlichen – also beim staatstragenden – Fernsehen fühlen sie sich geborgen und respektiert. Sie gehen zu Recht davon aus, dass respektvoll und ausgewogen berichtet wird. Eine zu moderne, dynamische Berichterstattung nach bester Boulevard-Art, wie sie bei privaten TV-Stationen Brauch ist mit entsprechender Einflussnahme auf Ablauf der Feste oder gar auf Reglemente, die sich seit mehr als einem Jahrhundert bewährt haben, fürchten sie wie der Teufel das geweihte Wasser.
Zweitens hat der Verband das Geld nicht nötig. Einnahmen aus den TV-Rechten von bis zu zehn Millionen Franken würden die Verbandsstrukturen in den Grundfesten erschüttern, ja zerreissen. Es würde mit ziemlicher Sicherheit zu einem Hauen und Stechen ums Geld kommen und es würde nicht lange dauern, bis die Schwinger mit Anwältinnen und Anwälten versuchen würden, die Verbandskasse mit dem Hinweis auf Persönlichkeitsrechte zu sprengen. Letztlich machen ja die Bösen (im Schwingen sind die Guten die Bösen) den Wert der TV-Rechte aus.
Zudem würden die Organisatoren der Feste vom Verband ihren Anteil am Geldsegen einfordern, was die Verbandstrukturen von Grund auf verändern könnte. Mit dem inneren Frieden, der Beschaulichkeit in der Welt des Schwingens wäre es für alle Zeiten vorbei. Der ESV hat auch wohlweislich in der Vergangenheit das finanziell lukrative Angebot des Medienkonzerns Ringier abgelehnt, im Hallenstadion jährlich ein «Masterturnier» des Schwingens aufzuführen.
Drittens wissen die Schwinger sehr wohl, dass der Boom der letzten Jahre in erster Linie der Präsenz im frei empfangbaren Fernsehen zu verdanken ist. Es wäre unklug, die in letzter Zeit arg unter politischen Druck geratenen («Halbierungsinitiative») und auch sonst gebeutelten TV-Vögte (sie haben soeben bis 2035 die Rechte am nationalen Eishockey verloren) mit höheren Geldforderungen zu verstimmen.
Rolf Gasser fasst die Situation in klugen Worten zusammen: «Wir verdanken die Entwicklung der letzten 20 Jahre zu einem grossen Teil dem Fernsehen. Wir sind telegen geworden. So hat sich über die Jahre eine Win-win-Situation für das Fernsehen und für uns entwickelt. Dazu wollen wir Sorge tragen.»
Oder wie schon unser aller heiliger Bruder Klaus im 15. Jahrhundert seine Zeitgenossen, die drauf und dran waren, eine militärische Grossmacht zu werden, mit den Worten «Machet den Zun nyt zuo wyt!» zur Mässigung gemahnt hatte.