Sport
Interview

ESAF: Die Einteilung des 1. Gangs in Mollis ist Sache von Stefan Strebel

Der Technische Leiter des Eidgenoessischen Schwingerverband, ESV, Stefan Strebel posiert fuer den Fotografen beim Vitaparcour in Wohlen am Freitag, 25. Juli 2025. (KEYSTONE/Urs Flueeler).
Vorfreude aufs ESAF: Stefan Strebel in Wohlen.Bild: keystone
Interview

«Es muss diskutiert werden vor dem Fest» – so teilt Schwingerboss Strebel den 1. Gang ein

Stefan Strebel teilt am Eidgenössischen Schwingfest in Mollis die Paarungen im 1. Gang ein. Der abtretende Eidgenössische Technische Leiter über Favoriten, Revanchen – und was ihn mit Zlatan Ibrahimovic verbindet.
21.08.2025, 17:1421.08.2025, 17:44
Pascal Vogel / Keystone-SDA
Mehr «Sport»

Stefan Strebel, in gut einer Woche blicken alle nach Mollis. Beim ESAF obliegt Ihnen die Einteilung des ersten Gangs. Zaubern Sie wieder überraschende Paarungen aus dem Hut?
Stefan Strebel: Ich mache keine Paarung, nur weil es sie schon seit sechs Jahren nicht mehr gegeben hat. So habe ich noch nie funktioniert, das finde ich langweilig. Es ist kein Geheimnis, dass ich ein Befürworter von Revanchen bin, und die wird es auch dieses Jahr geben. Ich gab schon Sprüche von mir wie: «Der Gang ist noch nicht fertig für mich» – wenn etwa keiner von beiden Schwingern ein Risiko eingegangen ist, sie gestellt haben. Oder wenn gewisse Gänge sehr schnell zu Ende gegangen sind, etwa Staudenmann gegen Wicki. Dann mache ich halt diese Paarung wieder. Gerade beim Eidgenössischen, an dem sie etwas zeigen müssen. Denn keiner der Königskandidaten will mit Minus 1,25 Punkten starten. Darum liebe ich den ersten Gang.

«Moser ist für mich frei.»

Also läuft es auf Staudenmann gegen Wicki hinaus?
Nein. Sie verstehen sicherlich, dass ich Ihnen nicht den ersten Gang verraten kann. Dieses Jahr gibt es fünf, sechs Kandidaten, die interessant sind.

Joel Wicki, hinten, und Fabian Staudenmann, vorne, im 1. Gang beim 104. Ob- und Nidwaldner Kantonal Schwingfest am Samstag, 18. Mai 2024 in Lungern. (KEYSTONE/Urs Flueeler19
König Wicki (oben) gegen Staudenmann wäre ein Knaller im 1. Gang.Bild: keystone

Wen haben Sie denn auf dem Zettel?
Michael Moser etwa. Weil er noch keinen eidgenössischen Kranz hat, sind Diskussionen vorprogrammiert. Das interessiert den Stefan Strebel aber genau so viel (legt Daumen und Zeigefinger nahe zusammen). Schwingexperten werden monieren, man dürfe ihn nicht mit diesem oder jenem zusammentun. Aber der Moser ist für mich frei.

Wer ist ausserdem Königskandidat?
Joel Wicki muss man auf der Rechnung haben. Er ist schon König und hat seit Pratteln Leistung erbracht. Samuel Giger, Armon Orlik, Adrian Walther, Fabian Staudenmann. Das sind alles Topschwinger, die man ohne mit der Wimper zu zucken aufeinander loslassen könnte. Und doch haben alle in diesem Jahr schon verloren. Es müssen einfach spannende Kämpfe sein, gerade im ersten Gang. Es muss diskutiert werden in den Tagen vor dem Fest. Das ist mein Ziel.

«Das waren extreme Paarungen. Da hätte jeder Experte gesagt: Der Strebel spinnt!»

Zerbrechen Sie sich schon Wochen vorher den Kopf über die Spitzenpaarungen?
Ich habe in diesem Jahr schon 14 Schwingfeste besucht, mir dabei stets Notizen gemacht (zückt sein Smartphone). Diese nehme ich irgendwann zur Hand, setze mich hin und teile ein. Um alle Paarungen zu machen, benötige ich zweimal 90 Minuten.

Der ESV technischer Leiter Stefan Strebel spricht vor dem ersten Gang beim Eidgenoessischen Jubilaeumsschwingfest, am Sonntag, 8. September 2024, in Appenzell. Der Eidgenoessische Schwingerverband beg ...
Strebel sieht man fast jedes Wochenende auf einem Schwingplatz.Bild: keystone

Wie muss man sich das vorstellen?
Vor einigen Wochen bin ich an einem Samstagabend hingesessen, hatte vor mir ein leeres Blatt. Ich habe zehn Paarungen aufgeschrieben und das Blatt anschliessend wieder in die Schublade gepackt. Das waren extreme Paarungen. Zum Zeitpunkt, als ich die aufgeschrieben habe, hätte jeder Experte gesagt: «Der Strebel spinnt!» Aber in Anbetracht der Entwicklung von gewissen Schwingern kristallisierte sich heraus, dass die Paarungen gar nicht so verkehrt waren.

2022 gab es mehrere Spitzenschwinger, die fraglich waren für den Saisonhöhepunkt, allen voran Schwingerkönig Christian Stucki. Dieses Jahr sind die grössten Namen allesamt fit. Erleichtert das Ihre Aufgabe?
Absolut. Bei Stucki hat man bis am Mittwoch gezittert: Kommt er, kommt er nicht? Damals gab es einen Plan B. Den brauche ich dieses Jahr nicht, weil alle Spitzenschwinger fit sind.

«In der Kampfrichterkommission waren 97 Prozent gegen den Videoschiedsrichter.»

Von der Spitze zur Basis: Das Bundesamt für Sport hat angekündigt, Subventionen im Bereich Jugend und Sport (J+S) ab 2026 um einen Fünftel zu kürzen. Welche Auswirkungen hätte das auf den Schwingsport?
Das wäre eine Katastrophe, deren Auswirkungen wir jedoch erst in der Zukunft richtig zu spüren bekommen würden. Kürzungen sind immer negativ, im Nachwuchsbereich aber umso gravierender. Der Sport ist etwas für die Gesundheit, und die sollte doch was Wert sein. Ich finde es falsch, dort den Sparhebel anzusetzen, bin mir aber sicher, dass noch nicht das letzte Wort gesprochen ist.

Zwei Jungschwinger in aktion auf der Ruetliwiese waehrend der Bundesfeier auf dem Ruetli, welche im Zeichen des Schweizer Traditionssport Schwingen steht, am Montag, 1. August 2022. (KEYSTONE/Urs Flue ...
Wie alle Sportarten sorgen sich auch die Schwinger um die Kürzung von Subventionen.Bild: keystone

Sie waren als Aktiver selber an der Spitze, sind dreifacher Eidgenosse (1998, 2001, 2004). Haben Sie sich während Ihrer Aktivkarriere über Einteilungen aufgeregt?
Ja logisch, weil ich sie nicht verstand. Ich regte mich auch über Kampfrichter auf, über Notengebungen. Aber manchmal ist es nicht so einfach. Hinzu kam in den letzten Jahren das mediale Interesse, das den Zuschauern wie den Athleten neue Möglichkeiten eröffnet – da nehme ich mich nicht raus. Am Bernisch Kantonalen habe ich nach einem umstrittenen Kampfrichterentscheid das Telefon zur Hand genommen und meinen Sohn angerufen. Der hat für mich den Gang nochmals angeschaut und meine Sicht der Dinge bestätigt.

Sie brachten vor vier Jahren einen Videoschiedsrichter ins Spiel. Das kam nicht gut an.
In der Kampfrichterkommission waren 97 Prozent dagegen. Damit war das Thema für mich erledigt. Denn im Schwingsport herrscht Demokratie, auch wenn ich vorne mal poltere.

Lassen Sie uns auf Ihre Funktionärskarriere zurückblicken. Sie sind seit 2020 Technischer Leiter des Eidgenössischen Schwingerverbandes, zuvor waren Sie während 15 Jahren im Nordwestschweizer Verband tätig. Was hat sich während Ihrer 20-jährigen Funktionärstätigkeit im Schwingsport verändert?
Es ist alles gläserner geworden – das finde ich super. Aus Schwingfesten wurden Volksfeste, jeder redet mit – auch das ist super. Früher, als ich noch ein Bub war, musste man sich fast schämen, wenn man sagte, dass man schwinge. Heute sind Schwinger angesehen. Alles ist professioneller geworden, das Training, die Rahmenbedingungen. Ich glaube, wir haben den Peak bald erreicht.

Der aktuelle Schwingerkoenig Joel Wicki waehrend eines Krafttrainings in der Tiefgarge des Kraftkeller Sportrock in Willisau am Mittwoch, 6. August 2025. Joel Wicki und Joel Ambuehl bereiten sich zur  ...
Joel Wicki beim Krafttraining in Willisau.Bild: keystone

Haben Sie eine Erklärung dafür, warum der Schwingsport so populär geworden ist?
Die Friedlichkeit spielt eine grosse Rolle. Die Besucher müssen keine Angst um ihre Sicherheit haben. Ich war auch schon an einem Fussball-Cupfinal und neben mir kam ein Stein runter. Da gehe ich nicht mehr hin.

«Das Wort konservativ ist negativ behaftet, das mag ich nicht.»

Sie sind ein Fussballfan, haben eine Saisonkarte beim deutschen Bundesligisten Freiburg und nannten Zlatan Ibrahimovic einst als Vorbild. Was fasziniert Sie am Schweden?
Er hatte eine gewisse Härte und Gradlinigkeit, ist hingestanden und vorangegangen. Seine unkonventionelle Spielart hat mir gefallen, sein Mut, auch mal aus 40 Metern abzuschliessen. Er hatte auch immer eine klare Meinung. Und er liebte Revanchen, liess nichts auf sich sitzen, wenn er mal auf den Deckel bekam.

Ibrahimovic polarisierte, auch Sie sind ein Mann der klaren Worte. Wie kam das in der als konservativ geltenden Schwingerfamilie an?
Der Schwingsport ist gar nicht so konservativ, wie ihr alle denkt. Das Wort konservativ ist negativ behaftet, das mag ich nicht. Wir sind grosse Schritte gegangen in den vergangenen Jahren, waren also quasi das Gegenteil von konservativ. Wie ich angekommen bin, das müssten Sie meine Kollegen fragen. Klar war es nicht immer harmonisch. Aber wir haben immer den Konsens gefunden. Ich bin nie ausgewichen und habe Themen nie unter den Tisch gekehrt. Wenn mal wieder ein böser Brief kam und der Absender drauf war, habe ich das Telefon in die Hand genommen, angerufen und anständig meine Sichtweise dargelegt. Man kann das Amt auch ausüben, ohne zu polarisieren. Aber das war nie mein Ding.

epa06640493 Los Angeles Galaxy Zlatan Ibrahimovic of Sweden reacts after tying the score at 3 apiece in second half action against Los Angeles Football Club at StubHub Center in Carson, California, US ...
Ibrahimovic Zlatan wäre gewiss ein Kranz-Anwärter gewesen, hätte er aufs Schwingen gesetzt.Bild: EPA

Ibrahimovic sah sich stets als Gott des Fussballs. Sehen Sie sich im Schwingsport auf ähnlichem Level?
(lacht) Ich sehe mich gar nicht als Gott. Gewisse Medien titelten in Zusammenhang mit meiner Person vom «Schwingerboss», damit konnte ich leben. Das ist halt auch einfacher zu schreiben als Eidgenössisch Technischer Leiter (schmunzelt). Aber im Grunde genommen bin ich einfach der zweithöchste Schwinger.

Sie hätten der höchste Schwinger werden können, zogen Ihre Kandidatur für den Posten des Obmanns jedoch zurück, weil es mit Guido Sturny vom Südwestschweizer Verband einen Gegenkandidaten gab.
Als Technischer Leiter steht man in der Öffentlichkeit, muss Entscheide treffen und macht sich dadurch nicht nur Freunde. Berner, Innerschweizer oder Ostschweizer fühlten sich bei Einteilungen durchaus manchmal benachteiligt. Das hätten sie mich bei einer Kampfwahl spüren lassen können. Gewisse Leute waren überrascht, denn ich bin vom Charakter her schon der Kämpfer, der im Grunde nichts scheut. Das aber habe ich gescheut. Ich wollte mir das nach so langer Zeit im Verband nicht mehr antun, habe mir gesagt: Jetzt ist gut.

Nach dem ESAF in Mollis treten sie turnusgemäss von ihrem Posten als Eidgenössisch Technischer Leiter zurück. Was wünschen Sie sich zum Abschluss?
Dass die zwei richtigen Schwinger im Schlussgang sind, wir einen König haben und nicht über einen Erstgekrönten diskutieren müssen. Ausserdem sollen die Eidgenössischen Kränze sauber verteilt sein. Das sind meine Ziele.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die 10 Schwinger mit den meisten Kränzen
1 / 13
Die 10 Schwinger mit den meisten Kränzen

Beim Schwingen gibt es für die besten Athleten eines Fests einen Kranz. Diese 10 Schwinger haben das meiste Eichenlaub gewonnen.

quelle: keystone / peter klaunzer
Auf Facebook teilenAuf X teilen
So geht Schwingen – ein Crash-Kurs zum Eidgenössischen
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
34 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Wilson_Wilson
21.08.2025 19:18registriert Dezember 2014
Ein grosser Funktionär, hart im Ton, fair in der Sache, und immer ein offenes Ohr.
314
Melden
Zum Kommentar
avatar
bubru
21.08.2025 19:10registriert Mai 2024
Wunderschöne Ehrendame auf dem Bild neben Schlegel. Musste einfach gesagt werden.
2215
Melden
Zum Kommentar
34
Lugano verpflichtet Stanley-Cup-Sieger ++ Jäger wechselt in einem Jahr nach Davos
Die neue National-League-Saison beginnt im September, derzeit beschäftigt die Klubs vor allem die Kaderplanung. Hier gibt es die Transfer-Übersicht für 2025/26.
Der HC Lugano verstärkt sich mit dem erfahrenen amerikanischen Stürmer Zach Sanford. Der 30-Jährige unterschrieb für eine Saison, teilen die Tessiner mit.
Zur Story