Es hätte nicht einen weiteren Beweis gebraucht. Marco Odermatt lieferte ihn trotzdem. Im letzten Rennen demonstrierte er am Samstag noch einmal, dass aktuell niemand besser auf dem Ski steht als er. Im Frühlingsschnee von Méribel sorgte er im ersten Durchgang für die Bestzeit, obwohl die Fahrt nicht perfekt war. Im zweiten Lauf baute er den Vorsprung aus und verneigte sich anschliessend vor einem ausgelassenen Publikum. Es war die Kür einer märchenhaften Saison.
Olympia eingerechnet gab es neun Riesenslaloms in diesem Winter. Odermatt gewann sechs, zweimal wurde er Zweiter, einmal Dritter. Selbst Pirmin Zurbriggen und Michael von Grünigen haben nicht eine solche Bilanz. Hinzu kommen acht Podestplätze in Speedwettbewerben. Insgesamt stand er im Weltcup 16-mal auf dem Podium. Die unheimlichen Erfolge sorgen für viel Zuwachs in seinem Fanklub. In dieser Saison hat sich die Anzahl der Mitglieder von 800 auf 1600 geschraubt. Gemäss dem Fanclub-Präsidenten – sein Onkel Paul Odermatt – gibt es nun auch Fans in Portugal und Norwegen.
«Können wir zum nächsten Thema gehen bitte?», sagte Lara Gut-Behrami im Dezember in St. Moritz. Die Themen gehen bei ihr nie aus. In diesem Winter war es ihr Gesundheitszustand, der zum Rätseln einlud. Zu Beginn der Saison plagte sie eine Erkältung. Als die Erkältung überstanden war, gewann sie den Super-G von St. Moritz. Einen Tag danach stürzte sie auf der gleichen Piste fürchterlich. Kaum hatte sie sich vom Sturz erholt, erkrankte sie an Corona.
Gut-Behrami fühlte sich oft ausgelaugt und verpasste viele Rennen. Nach den Olympischen Spielen, wo sie Gold im Super-G gewann, wollte sie die Saison abbrechen und machte trotzdem weiter. Die Gerüchte um einen Rücktritt entkräftete sie schliesslich. Doch bis zu den Winterspielen 2026 in Mailand/Cortina – sie wäre dann 34 Jahre alt – will sie nicht weitermachen. «Ich habe Besseres zu tun», sagte sie.
Mitten in der Saisonvorbereitung machten Mikaela Shiffrin und Aleksander Kilde ihre Liebe publik. Der eine Star liebt den anderen Star – ein Traum für die bunten Blätter. Die Beziehung schadete weder der einen, noch der anderen Karriere. Shiffrin fand in diesem Winter zur alten Stärke zurück, nachdem ihr Leben seit 2020 wegen des Todes ihres Vaters durcheinandergeraten ist. Zwei Rennen vor Schluss sicherte sie sich den Sieg im Gesamtweltcup und kehrte zurück auf den Thron, im letzten Rennen hätte sie sogar noch Chancen auf den Disziplinensieg im Riesenslalom gehabt.
Bei der Verarbeitung ihres Olympiadebakels, wo sie mit grossen Ambitionen an- und leeren Händen abreiste, stand ihr Aleksander Kilde zur Seite. Sei es mit seiner Präsenz vor Ort oder mit einem Instagram-Post im virtuellen Raum, wo er die frechen Fans ermahnte. Der Norweger machte vieles richtig. Und auch wenn Beat Feuz der beste Abfahrer der Gegenwart sein mag: In dieser Saison war Kilde der Speedkönig, er holte sich in Abfahrt und Super-G die kleine Kristallkugel. Nun will er wieder vermehrt Riesenslalom trainieren. In der Gesamtwertung dürfte er damit den Druck auf Odermatt erhöhen.
Die Stimmung war nicht gut am Lauberhorn. Der Österreicher Vincent Kriechmayr siegte in der Abfahrt vom Samstag und die Schweizer Funktionäre schäumten. Denn Kriechmayr verpasste die beiden Trainings, weil er nach einem positiven Coronatest in Quarantäne war. Und ohne Training gibt es normalerweise keine Rennteilnahme – das schreibt das Reglement vor. Dann öffnete die Jury eine Hintertür. Kriechmayr durfte sich am Renntag aus dem Starthaus abstossen und nach drei Metern abschwingen. Die Einlage wurde als Training gewertet, für die beiden Abfahrten bekam er deshalb grünes Licht. Dass er beim Alibi-Training in die Fernsehkamera grinste und winkte, half der Schlaumeierei kaum.
In der verkürzten Abfahrt wurde er 12., die Geschichte schien erledigt. Doch als er am Samstag Beat Feuz auf den zweiten Platz verwies und siegte, änderte sich die Schweizer Gemütslage. Swiss-Ski-Präsident Lehmann sprach von einer «Sauerei», Alpindirektor Reusser von «Kindergarten». Souverän blieb hingegen der geschlagene Feuz. Für ihn hatte der Sieg des Österreichers «keinen schalen Nachgeschmack».
Gisin hebelte in diesem Winter die Gesetze des Skisports aus. Nach einer unterirdischen Vorbereitung zeigte sie eine starke Saison und stiess bis auf Rang 5 der Gesamtwertung vor. Noch im September hatte sie kaum genügend Energie für einen Spaziergang, weil sie im Sommer am Pfeifferschen Drüsenfieber erkrankte. Kurz vor Weihnachten schaffte sie es wie von Zauberhand aufs Riesenslalom-Podest, obschon sie kaum ein Training absolviert hatte. Zudem wurde sie Olympiasiegerin in der Kombination und gewann Bronze im Super-G.
Er ist einer von mehreren hochtalentierten norwegischen Technikern: Lucas Braathen, 21 Jahre jung. Er weiss bereits sehr genau, was er will und was nicht. Letzteres war in Adelboden der Fall. Nachdem er 2021 kurz vor der Ziellinie schwer gestürzt war, wollte er sich in diesem Jahr den steilen Schlusshang nicht zumuten. Ohne Not schwang er ab und beendete das Rennen. Später sagte er im Zielraum mit entwaffnender Ehrlichkeit, dass er Angst gehabt hätte. Ein Trauma entwickelte sich nicht daraus. Eine Woche später gewann er den Slalom von Wengen.