Abfahrts-Olympiasieger Matthias Mayer liegt mit komplizierten Frakturen am sechsten und am siebten Brustwirbel im Spital. Die Verletzungen hat sich der Österreicher am Samstag bei der Abfahrt von Gröden zugezogen. Bei der Anfahrt auf die Ciaslat-Wiese passiert es: Der 25-jährige Kärntner wird bei Tempo 100 von einer Welle in die Luft katapultiert und kracht danach mit hoher Wucht auf die harte Piste.
Bei Mayers Unfall löst sich erstmals im Weltcup ein Airbag aus. Das «D-Air»-System von Dainese, das in diesem Winter erstmals von zum Einsatz kommt, bläst sich in nur hundert Millisekunden auf und soll etwa 60 Prozent der Aufprallwucht absorbieren. Doch hat der Airbag Mayer vor einer noch schlimmeren Verletzung bewahrt oder ist er gerade schuld, dass für den Österreicher die Saison vorzeitig geendet hat? Die Protagonisten sind sich nicht einig.
«Meines Wissens war es der erste Crash mit einem Airbag, der zur schlimmsten Rückenverletzung der letzten Jahre führte», polterte Riesenslalom-Superstar Ted Ligety auf Facebook. «Für mich sieht es so aus, als ob sein Rücken rund um den Airbag herum
gebrochen ist. Wahrscheinlich wäre er mit normalen Protektoren weniger
oder vielleicht gar nicht verletzt. Es ist wirklich unglücklich, dass
Rennfahrer als Crashtest-Dummies benützt werden.»
Anderer Meinung ist Marco Pastore von der Hersteller-Firma «Dainese». «Natürlich hat es geholfen», ist er überzeugt. Das System habe erkannt, «dass der Skifahrer in der Luft war, dass da eine Rotation war, die nicht normal war». Daher sei es sofort zur Auslösung gekommen.
Auch ÖSV-Sportdirektor Hans Pum glaubt, der Airbag habe «wahrscheinlich
schwerere Verletzungen verhindert». Österreichs Abfahrtschef Florian
Winkler äusserte sich schon vor Mayers Sturz positiv über das
Schutzsystem, ebenso Ex-Abfahrer und FIS-Renndirektor Hannes
Trinkl.
Noch werden die 800 Gramm schweren Airbags, die bei Motorradrennen standardmässig zum Einsatz kommen, nur von wenigen Athleten verwendet. Nur sechs Athleten fahren mit Airbag, die Schweizer tragen diesen Schutz (noch) nicht. «Es gibt noch zu wenig Erfahrungswerte», sagt Carlo Janka zu diesem Thema, «es besteht ja auch die Gefahr von Fehlauslösungen».
Hinzu kommen weitere Argumente, die gegen den Airbag sprechen: Aksel Lund Svindal und Kjetil Jansrud haben den Schutz im Training schon getragen, wollen ihre perfekt sitzenden Rennanzüge nicht mit einem eventuell aerodynamisch nachteiligen Gepäck beladen. Ausserdem schränke er die Bewegungsfreiheit ein.
Ein anderes Hindernis ist der Preis, 1000 bis 1500 Euro kostet die Anschaffung. Nicht jeder Skiverband verfügt über die finanziellen Mittel sein Team damit auszurüsten. Und so lange nicht eindeutig geklärt ist, wie effektiv der Schutz ist, wird der Airbag auch nicht von der grossen Masse der Fahrer getragen. (pre/si)