Sie ist keine Seriensiegerin wie Lara Gut-Behrami (34 Weltcupsiege), sie dominiert den Gesamtweltcup nicht wie Marco Odermatt (375 Punkte Vorsprung). Und dennoch vereint Corinne Suter etwas mit den grössten beiden Schweizer Ski-Aushängeschildern: Sie ist da, wenn es zählt. Nach Odermatt und Gut-Behrami bringt auch Suter eine Goldmedaille nach Hause.
Vier Weltcuprennen hat Corinne Suter «erst» gewonnen. Drei Abfahrten und einen Super-G. Zuletzt gewann Suter Ende Januar die Abfahrt in Garmisch-Partenkirchen und holte sich damit das nötige Selbstvertrauen für Peking. Die 27-Jährige war für das wichtigste Rennen ihrer Karriere in Topform – nicht zum ersten Mal, wie ein Blick auf die bisherige Laufbahn zeigt.
Corinne Suter lernt das Skifahren auf der Ibergeregg, dem Pass zwischen Schwyz und Oberiberg. Schon früh ist ihr riesiges Talent erkennbar. Suter besucht die Sportmittelschule, eine grosse Karriere wird ihr schon damals zugetraut.
Suter startet, wie viele Speedfahrerinnen, als Technikerin. 2011 ist sie gerade mal 17 Jahre alt, als sie in Aspen im Riesenslalom ihr Weltcup-Debüt gibt. Sie scheidet aus. Am Tag darauf darf sie sich auch im Slalom versuchen – erneut kommt die Schweizerin nicht ins Ziel. Auf Europacup-Stufe läuft es besser. Suter gewinnt am 19. Dezember 2011 in Valtournenche einen Riesenslalom.
In ihrer ersten Weltcup-Saison bleibt Suter aber noch ohne Punkte, bestreitet nur Technik-Rennen, bis sie sich am 18. Februar 2012 in Sotschi auf die Abfahrts-Piste wagt – immerhin ein 38. Rang wird es in ihrem ersten Speed-Rennen auf Weltcup-Stufe.
Das vielversprechende Talent wird langsam aufgebaut. In den kommenden beiden Saisons wird Suter praktisch nur im Europacup eingesetzt, 2014 gewinnt sie im Europacup die Abfahrts- und die Super-G-Wertung. Im «Gesamtweltcup der zweithöchsten Stufe» wird sie hinter Michelle Gisin Zweite.
Dass sie es auch am berühmten Tag X kann, zeigt die damals 19-Jährige dann an den Junioren-Weltmeisterschaften 2014 in Jasna. Suter holt Gold in der Abfahrt und im Super-G.
Mit 21 Jahren gehört Suter nun fix zum Weltcup-Team. In der Abfahrt von Lake Louise im Dezember 2014 holt sie sich dann gleich auch ihren ersten Weltcup-Punkt, der Rest der Saison läuft aber nicht nach Wunsch. Ende Januar zieht sich Suter einen Innenbandriss zu, die Saison ist damit vorzeitig beendet.
In der Folgesaison schafft Corinne Suter den Sprung an die Weltspitze, fährt die Ränge 6, 5, 7, 7 und 8 heraus. Der Sprung auf das Podest ist ganz offensichtlich bloss noch eine Frage der Zeit. Doch auf einmal ist die Lockerheit weg. Nach zwei guten Rennen in Lake Louise im Dezember 2016 folgt eine Resultatekrise.
So gibt es nur noch drei Top-10-Ränge (9., 10., 9.) in den kommenden 30 Rennen. Es ist bereits März 2018, Suter 23 Jahre alt. Während die ein halbes Jahr jüngere Mikaela Shiffrin die Technik-Disziplinen dominiert und zum zweiten Mal den Gesamtweltcup gewinnt, bewegt sich Suter eher vom ersten Podestplatz weg.
Es mangelt der Schweizerin nicht an Talent, sie bringt es einfach nicht auf die Piste. Suter gilt als Zweiflerin, als eine, die sich einfach zu sehr unter Druck setzt.
Im Sommer 2018 folgt ein weiterer Rückschlag – diesmal ein gesundheitlicher. Suter leidet an einer Blutvergiftung, kann während zwei Monaten keinen Sport treiben. Wie sie rückblickend selbst erklärt, habe sie diese Zwangspause letztendlich stärker gemacht: «Da wurde mir klar, was ich eigentlich will», sagte sie damals.
Es wird nach einem schwierigen Saisonstart tatsächlich die Saison des grossen Durchbruchs für Corinne Suter. Wendepunkt ist – wie könnte es anders sein – ein Grossanlass. An der Ski-WM 2019 in Are holt sich Corinne Suter völlig überraschend die Bronzemedaille im Super-G. Nur fünf Tage später doppelt sie mit der Silbermedaille in der Abfahrt nach. Damit hat Suter zwar noch keinen Weltcup-Podestplatz, aber bereits zwei WM-Medaillen.
Wie befreiend diese Weltmeisterschaft in Are war, betonte Corinne Suter auch heute nach ihrem Olympiasieg.
Dass der Kopf endlich frei und das Selbstvertrauen da ist, zeigt Suter auch unmittelbar nach der WM. In der Chaos-Abfahrt von Crans-Montana, als die Zeiten falsch gemessen werden, fährt Suter endlich auf ein Weltcup-Podest – offiziell wird das allerdings erst drei Tage nach dem Rennen. Am Renntag selbst war Suter noch auf Rang 5 klassiert.
Und weil es Suter auf dem Podest so gut gefällt, doppelt sie in der darauf folgenden Abfahrt in Soldeu, ebenfalls mit Rang 3, nach.
So schnell wie es mit den Ski nach unten geht, geht es nun mit der Karriere bergauf. Corinne Suter fährt völlig befreit auf, im Januar 2020 gewinnt sie in Zauchensee ihr erstes Weltcuprennen, Ende Saison holt sie sich überlegen die kleinen Kristallkugeln in der Abfahrt und im Super-G.
Ein Jahr später ist Suter zwar nicht mehr so überlegen, an der Ski-WM in Cortina d'Ampezzo 2021 ist sie aber wieder auf den Punkt genau in Topform. Im Super-G holt Suter hinter Lara Gut-Behrami die Silbermedaille, zwei Tage später krönt sich Suter zur Abfahrtsweltmeisterin.
Ein Jahr und zwei Tage später steht Corinne Suter erneut ganz oben auf dem Treppchen. Diesmal holt sie sich Olympiagold in der Königsdisziplin.
Corinne Suter ist noch immer keine Seriensiegerin, die ihre Konkurrentinnen nach Belieben dominiert. Aber sie ist aktuelle Weltmeisterin und Olympiasiegerin in der Abfahrt. Corinne Suter gewinnt dann, wenn es wirklich wichtig ist. Es ist eine Fähigkeit, welche die ganz grossen Champions auszeichnet.