Es gibt sie, die Erfolgsmeldungen. Nationalspieler Michel Aebischer, der alle YB-Nachwuchsstufen durchlaufen hat und bereits im Winter leihweise nach Italien wechselte, stösst definitiv zu Bologna in die Serie A. Geschätzte Ablösesumme: vier Millionen Euro. Oder: Das 18jährige Servette-Talent Roggerio Nyakossi, das für rund zwei Millionen Euro zu Marseille wechselt, vorerst ins Nachwuchsteam. Oder: Betim Fazliji und Kwadwo Duah, zuletzt in St. Gallen unter Vertrag, finden in St. Pauli und beim 1. FC Nürnberg Platz.
Es sind Beispiele dieses Sommers aus der «Ausbildungsliga» Super Legaue. Eine jener mittelgrossen Ligen Europas also, deren Klubs nicht in erster Linie von Uefa-Wettbewerbs-Geldern leben, nicht von TV-Verträgen oder Merchandising, sondern auch von Transfereinnahmen. Oder dem Kapital der Jugend aus der eigenen Akademie, im ersten Team eingesetzt.
Als Ausbildungsliga steht die Schweiz in Konkurrenz mit ähnlich grossen Ligen, mit Belgien oder Österreich, oder – nicht in Reichweite – der erfolgreichsten Ausbildungsliga Europas, der niederländischen Eredivisie. Wo steht die Schweiz im Vergleich?
Zahlen dazu gibt es viele, zwei Dinge gilt es zu unterschieden: Einerseits die Arbeit in den Akademien, die Ausbildung der eigenen Jugend. Andererseits die andere Strategie in «Ausbildungsligen»: das Verpflichten ausländischer Spieler, mit dem Ziel, sie weiterzuentwickeln und gewinnbringend weiterzuverkaufen. Jüngstes Beispiel aus der Super League: Der US-Amerikaner Jordan Siebatcheu bringt den Young Boys mit seinem Wechsel zu Union Berlin gegen acht Millionen Euro ein – 2021 zahlten die Berner für ihn nur gerade einen Drittel davon an Stade Rennes.
Wie sehr die Klubs und Ligen von Transfergeldern profitieren, zeigt folgende Grafik. Topligen Europas wie die Premier League oder die deutsche Bundesliga sind nicht aufgeführt - ihre Transferbilanzen sind negativ, Haupteinnahmequellen sind dort nicht die Transfers.
In einer anderen Liga spielt in beiden Disziplinen (eigener Nachwuchs und Weiterentwicklung ausländischer Spieler) Ajax Amsterdam, seit Jahren Vorzeige-Talentschmiede.
Der 20-jährige Ryan Gravenberch aus dem Ajax-Nachwuchs? Wechselte für 18.5 Millionen Euro zu Bayern. Der 24-jährige Lisandro Martinez? Kam vor drei Jahren für sieben Millionen Euro aus Argentinien und wird nun für rund 60 Millionen an Manchester United verkauft. Mit Ajax oder auch Salzburg müssen sich Schweizer Klubs nicht messen, doch auch der Vergleich mit anderen Ausbildungsklubs zeigt, dass es Aufholbedarf gibt. Zwar spielen 27 in der Schweiz ausgebildete Fussballer in Europas fünf Topligen, da liegt man vor Österreich und gleichauf mit Belgien.
Doch wer sich die Qualität der Einsätze der Schweizer Fussballexporte anschaut – was das Neuenburger «Football Observatory» getan hat –, staunt. Der FC Zürich ist in dieser Liste national an der Spitze, 25 Spieler aus der FCZ-Akademie spielen in anderen europäischen Ligen, sieben davon in den «Big 5»-Ligen. Dennoch liegt er europaweit nur auf Platz 45 (Oktober 2021), hinter Klubs wie dem Sieger Ajax, mehreren belgischen und österreichischen Vereinen, oder den Dänen von Nordsjealland. Mit Basel und den Grasshoppers schaffen es nur zwei weitere Schweizer Klubs in die Top 100. Zu relativieren gilt es: In der Super League spielen mehr «Eigene» als in anderen Ligen, und die Jugend kommt mehr zum Zug als anderswo. Dieses Potenzial ist in obiger Rechnung nicht enthalten.
Dennoch die Frage: Was kann die Schweiz tun, um Lücken zu schliessen? Patrick Bruggmann, Direktor Fussballentwicklung des Schweizerischen Fussballverbands (SFV), relativiert die Statistik, mit Blick auf das Nationalteam.
Er verweist darauf, dass von den 94 Nationalspielern seit 2002 ganze 90 Prozent den «Schweizer Weg» über Nachwuchsakademie und Super-League-Einsätze gemacht hat. Dass die meisten anderen zuerst wieder in die Schweiz zurückkehren mussten, um für die Nationalmannschaft Thema zu werden. Und dass nur vier Spieler direkt über ausländische Ausbildung in der Auswahl gelandet sind (Johan Djourou, Diego Benaglio, Valon Behrami, Gregor Kobel).
Dennoch sagt er: «Wir müssen wachsam bleiben.» Es fehle an regelmässigen Toptransfers aus der Schweiz, an Schweizer Weltfussballern quasi. Da brauche es noch mehr Fokus auf die «individuelle Entwicklung der Talente», gerade hier sei der Blick nach Belgien oder Dänemark wertvoll. Trainings noch stärker zu individualisieren, in kleineren Gruppen durchzuführen, sei das Ziel. Hier will das SFV-Talentmanagement die Kooperation mit den Vereinen stärken.
Zweiter Punkt: Noch werde viel Energie in Spieler mittleren Niveaus gesteckt. Das sei richtig, doch brauche es auch den Mut, konsequenter auf Überflieger zu setzen, um deren Potenzial auszuschöpfen. Im Projekt Footuro/Footura soll für herausragende Talente ein grösserer Aufwand betrieben werden. Hier sei seit 2020 eine Professionalisierung im Gang, im Talentmanagement greift der Verband auf die Sportwissenschaft zurück, arbeitet mit Teams in Magglingen, mit Karriereplanern, Mentaltrainern.
Dritter Punkt, den Bruggmann erwähnt: Der Fokus soll stärker auf Spätentwickler gelegt werden. «Sie können den Unterschied machen, weil sie sich in jungen Jahren nicht auf ihren Körper verlassen können und so starke technische und kognitive Fähigkeiten entwickeln.» Als Beispiel nennt Bruggmann Belgiens Kevin de Bruine. Hier müsse der SFV eine Vorreiterrolle spielen und die Klubs zum mitmachen motivieren.
Bruggmann sagt:
Alle Bestrebungen, die Spielminuten eigener U21-Spieler zu erhöhen, sieht der SFV positiv. Hier steht man Klubs gegenüber, die andere Interessen haben. Wie GC oder Lausanne, deren Investoren auf Wertsteigerungen ausländischer Profis hoffen. «Lausanne und GC machen hervorragende Nachwuchsarbeit – die Türe nach oben ist für junge Spieler aber weniger weit offen wie in anderen Klubs», sagt Bruggmann.
Aber: «Vorschreiben können wir den Klubs nichts – wir können nur motivieren, diesen Weg zu gehen.»
Was die Einsatzzeit eigener U21-Spieler angeht, sieht Bruggmann Potenzial im Ligamodus. Die Super-League-Aufstockung sei ein guter Schritt. Er sieht Potenzial für zwölf Teams auch in der Challenge League, um mehr Talente an den Profifussball heranzuführen. Hier sei der Blick nach Österreich interessant. «U21-Teams in der Challenge League – das sähe der SFV gerne.» Eine Idee sei weiter, finanzielle Anreize für den Einsatz eigener Talente zu erhöhen. «In Österreich wird hier weit mehr Geld ausgeschüttet.»
Mit den Exporten in die "Top-5" scheinen wir, abgesehen von Holland, voll bei den Leuten zu sein. Das die Schweiz wenig Exporte in andere Ligen hat, könnte mit der Lebensqualität zusammenhängen die wir hier geniessen. Ein Spieler aus Serbien geniesst gerne den schweizer Lohn... Umgekehrt eher nicht.