Auf der Place des Mousquetaires, im Schatten des Court Philippe-Chatrier, steht die grüne Tafel mit dem Tableau des Männer-Turniers von Roland Garros. Fein säuberlich werden dort mit Kreide die Sieger handschriftlich nachgetragen. 128 Namen sind aufgelistet, nur einer davon ist falsch geschrieben – jener des Schweizers Henri Laaksonen.
Lucky Loser Henri Laaksonen def. Qualifier Martinez Portero 6:1, 6:0, 7:6 (4) to reach the 2nd round in his first @rolandgarros MD appearance ! He's also back in the Top 100 - congrats, Henri! #SupportTheSwiss pic.twitter.com/3GvRRYwZsG
— Swiss Tennis (@swiss_tennis) 27. Mai 2019
Sein Vorname ist mit Y geschrieben. Das ist kein Zufall, den der 27-Jährige steht in Paris erstmals im Hauptfeld, und feierte am Montag seinen zweiten Sieg bei einem Grand-Slam-Turnier. Am Freitag war er in der letzten Runde der Qualifikation gescheitert und hatte anschliessend kein Glück, als unter fünf Spielern drei Lucky Loser ausgelost wurden. Am Sonntag fand Laaksonen dann doch noch Aufnahme im Hauptfeld, nachdem mit Sam Querrey ein weiterer Spieler Forfait gegeben hatte.
Mit dem Sieg gegen den schwächer klassierten und zudem angeschlagenen Spanier Pedro Martinez (ATP 134) nutzte er die Gunst der Stunde. Der Lohn ist ein Duell mit Novak Djokovic, der Nummer 1 der Welt. Laaksonen, sonst im Schatten von Roger Federer und Stan Wawrinka, steht damit für einmal selber im Rampenlicht. Ein Mann der grossen Worte war er indes nie. «Jeder weiss, dass er der bessere Spieler ist. Ich werde mich wie immer vorbereiten und mein Bestes geben. Mehr kann ich von mir nicht erwarten», sagt er mit spitzbübischem Lächeln im Gesicht.
Sein Paris-Abenteuer bezeichnet er als dreifachen Bonus: zum ersten Mal im Hauptfeld, dann in der zweiten Runde und dort auch noch gegen Djokovic. Für Laaksonen ist es auch Belohnung für eine radikale Umstellung in seinem Leben. Bis im Alter von 16 Jahren lebte der Sohn einer Finnin und eines Schweizers in Finnland, wo fast täglich Fisch auf dem Speiseplan steht.
Mindestens drei bis vier Mal in der Woche ass er Lachs, manchmal jeden Tag. «Am liebsten leicht gekocht, mit etwas Olivenöl, Knoblauchpulver und Teigwaren mit Pesto-Sauce.» Wenn Laaksonen sagt, er möge Lachs, ist das wohl die Untertreibung des Jahres. Doch Anfang 2018 entwickelt er eine Allergie.
Plötzlich hat er Schmerzen am ganzen Körper, Bänder und Sehnen sind dauernd entzündet und er kann nie länger als eine halbe Stunde trainieren. Also entschliesst er sich zu einem Experiment und verzichtet auf Meeresfrüchte. «Als ich wieder einmal Lachs ass, hatte ich am nächsten Tag wieder Schmerzen und hohes Fieber», erinnert sich Laaksonen. Seither verzichtet er schweren Herzens auf seine bisherige Leibspeise.
Es ist nicht der einzige wichtige Entscheid der letzten Monate. Seit Dezember leistet sich Laaksonen mit dem Tschechen David Pultr erstmals einen eigenen Trainer, der ihn an Turniere begleitet. Es ist ein finanzielles Risiko. Zwar hat Laaksonen in seiner Karriere nun eine Million Franken Preisgeld verdient, doch davon bleibt kaum etwas übrig.
Die Steuern fressen einen Viertel der Einnahmen, dazu kommen Ausgaben für Trainer, Physiotherapeut, Reisen, Unterkunft. Auf 150'000 Franken beziffert Laaksonen seine jährlichen Ausgaben. Darum kümmert er sich um alles selber: Er bucht Hotels und Flüge, sogar die Buchhaltung macht er selber.
Eigene vier Wände hat er nicht. «Ich bin nur zehn Wochen im Jahr in der Schweiz, das lohnt sich nicht.» Stattdessen steigt er bei Freunden und Verwandten in der Schweiz, oder Mutter Pirjo in Vantaa, nördlich von Helsinki, ab und führt ein Leben aus dem Koffer. Einziger Besitz ist das Auto, mit dem er nach Paris gereist ist.
Was er verdient, investiert er in die Karriere. Umgerechnet 98'000 Franken erhält ein Spieler für eine Zweitrunden-Niederlage. Im letzten Jahr war Laaksonen zum gleichen Zeitpunkt mit 60'000 Franken im Minus.
Die French Open sind bereits jetzt ein grosser Erfolg für Laaksonen. Zumal er damit erstmals seit Juli 2017 auch wieder in die Top 100 der Weltrangliste vorrückt. Anfang des Jahres wurde er noch auf Platz 169 geführt. Tennis-Experte Heinz Günthardt attestiert dem Schweiger gar das Potenzial für die Top 50.
Mit der Welt von Roger Federer oder Stan Wawrinka hat das indes wenig zu tun. Wie auch nicht mit jener von Novak Djokovic, 32, auf den Laaksonen am Donnerstag trifft. Der Serbe gibt zu, vom Schweizer «fast nichts» zu wissen. Er habe ihn höchstens zwei Mal spielen gesehen.
Sollte Laaksonen das Kunststück gelingen, Djokovic die erste Niederlage bei einem Grand-Slam-Turnier seit den Viertelfinals von Roland Garros 2018 zuzufügen, dürfte man dann auch seinen Namen auf der grossen Tafel auf der Place des Mousquetaires richtig schreiben. Henri. Mit I.
Kurz: Laaksonen verzichtet hoffentlich nicht - wie im Artikel geschrieben - wegen einer Lachs-Allergie auf Meeresfrüchte. Das brächte nämlich gar nichts.