Die Swiss Indoors werden zerrieben – und Roger Brennwald verweigert sich der Realität
Tennis ist gnadenlos. Am Ende einer Woche gibt es nur einen Sieger. Roger Brennwald, Präsident der Swiss Indoors Basel, sieht darin «das Schöne an diesem Sport», wie er am Sonntag sagt. Was er nicht sagt: Alle anderen sind in diesem Wettbewerb Verlierer. Zu diesen gehört auch sein Turnier.
Zwar verzeichnete man mit 62'200 Zuschauenden im dritten Jahr in Folge einen Anstieg, womit man sich dem Niveau der Ära Federer annähert. Doch aus sportlicher Sicht verlief das Turnier enttäuschend. Dass drei der vier Viertelfinals vom Freitag mit einer Aufgabe endeten, ist ein Novum in der Geschichte des Männertennis. Brennwald begegnet diesem Umstand mit Galgenhumor. Er sagt: «Das ist ein Rekord, auf den wir stolz sind.»
Auch ein Halbfinal endete mit einer Aufgabe. Und vor dem Turnier musste sich mit Holger Rune einer von drei gemeldeten Spielern aus den Top Ten zurückziehen, nachdem er sich die Achillessehne gerissen hatte.
Schuld daran sei der technologische Fortschritt, den er als «schädlich für den Sport» bezeichnet, sagt Brennwald. Die Spieler seien den heutigen Rackets, der Bespannung und den Belägen nicht mehr gewachsen. Zudem sei der Turnierkalender überfrachtet. Das sei zwar nicht neu, führe aber zu mehr Verletzungen. Es ist die Ohnmacht, die aus dem Patron spricht.
Die Swiss Indoors Basel werden zerrieben. «Wir stehen im Wettkampf mit Weltmetropolen wie Wien oder Schanghai. Dabei sind wir dem Zeitgeist ausgesetzt, der Öffentlichkeit, der Konkurrenz. Für uns ist es kein leichtes Spiel, uns im Konzert der Grossen zu behaupten», sagt Roger Brennwald.
Wer verstehen will, was ihn umtreibt, muss der Spur des Geldes folgen. Am Wochenende vor den Swiss Indoors fand der Six Kings Slam statt. Beim Einladungsturnier in Saudi-Arabien geht es in drei Tagen um 13,5 Millionen Dollar. In Basel ging es mit 2,5 Millionen Euro nur um einen Bruchteil.
Man kann davon halten, was man will, aber Fakt ist: Die Entwicklung wird sich fortsetzen. Ab 2028 umfasst der Kalender zehn Masters-Turniere statt wie bisher neun. Neu dazu kommt Saudi-Arabien. Dazu dauern Anlässe dieser Kategorie künftig teilweise zehn Tage, statt wie bisher eine Woche.
Die Spieler werden klagen und die hohle Hand machen. Wie Taylor Fritz. Der in Basel an erster Stelle gesetzte Amerikaner reiste aus Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad vom Six Kings Slam ins beschauliche Basel, sagte, er fühle sich zwar «wie ein geschlagener Hund», wolle das Turnier aber gewinnen, lobte das Essen, verlor in den Achtelfinals und reiste weiter nach Paris.
Brennwald nahm in diesem Jahr zehn Spieler und damit ungewöhnlich viele unter Vertrag. Er setzt auf die nächste Generation um Joao Fonseca, Ben Shelton oder Holger Rune. Das Problem: Auf sie ist (noch) kein Verlass, wie der 79-Jährige bemängelt. Ihnen fehlt es an Profil und Erfolgen. Das wird sich ändern, doch die Frage ist: Spielen sie dann weiter in Basel?
Sicher ist: Realitätsverweigerung ist auch keine Lösung. Dass das parallel stattfindende Turnier in Wien den Swiss Indoors den Rang abgelaufen hat, will Brennwald partout nicht anerkennen. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Während in Österreich mit Jannik Sinner (ATP 1), Alexander Zverev (ATP 3), Alex De Minaur (ATP 7) und Lorenzo Musetti (ATP 8) vier Top-Ten-Spieler den Halbfinal bestritten, versprühte das Feld in Basel mit Alejandro Davidovich Fokina (ATP 18), Ugo Humbert (ATP 24), Jaume Munar (ATP 42) und Joao Fonseca (ATP 46) deutlich weniger Glamour.
Hoffnung macht der Schweizer Nachwuchs, für den die Swiss Indoors 2025 noch eine Nummer zu gross waren: Erfolge des Baslers Henry Bernet, der zu seinem Debüt im Hauptfeld kam, und der derzeit verletzten Jérôme Kym und Leandro Riedi würden dem Turnier enorm helfen. Dieses verfügt zwar immer noch über Strahlkraft, hat seinen Zenit aber überschritten.
Wie so oft in der Vergangenheit moniert Roger Brennwald die fehlende Unterstützung aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, ohne dabei konkret zu werden. Erstmals gingen «seine» Swiss Indoors Basel 1970 über die Bühne. Er habe immer geglaubt, die ersten 50 Jahre seien die schwierigsten, sagt Brennwald heute. «Nun sage ich: Die letzten 50 Jahre sind schwieriger.»
Bis 2037 läuft die Lizenzvereinbarung mit der Profiorganisation ATP. Sie kann aber jederzeit veräussert werden, was Roger Brennwald ablehnt. Im Sommer 2026 wird er 80-jährig, er hat das Schicksal des Turniers an seine Person gekettet. Wer ihn dereinst ablösen könnte, ist nicht bekannt.
Tennis bleibt ein gnadenloser Sport. Es gibt nur einen Sieger – und ganz viele Verlierer. Auch die Swiss Indoors Basel haben das in diesem Jahr gespürt. Doch Roger Brennwald zieht weiter, unbeirrt, fast trotzig. «Jemand muss den Karren ziehen», sagt er.«Es geht immer weiter.» Irgendwie. (aargauerzeitung.ch)
