Neue Wettbewerbe, ein scheidender Präsident, das nahende Ende der goldenen Ära um Roger Federer, Rafael Nadal, Novak Djokovic und Andy Murray – das Männertennis befindet sich auf einem kommerziellen Höhepunkt, aber auch in einer Phase der fundamentalen Umwälzungen. «Es sind herausfordernde und wichtige Zeiten», sagt Roger Federer (37) in Madrid. Lange wirkte der Baselbieter als Präsident des Spielerrats aktiv an der Gestaltung der Zukunft mit.
Seit gut zwei Jahren ist der Serbe Novak Djokovic Vorsitzender des Gremiums und stand als solcher zuletzt im Kreuzfeuer der Kritik. Rafael Nadal bemängelte in Australien, Djokovic habe ihn in der Frage nach der Zukunft von ATP-Präsident Chris Kermode nicht konsultiert. Auch mit Roger Federer hatte Djokovic den Dialog nicht gesucht. Dieser hatte im März um ein Gespräch gebeten. Djokovic hatte Federer jedoch auf nach der Abstimmung des Spielerrats vertröstet.
Nun räumte Djokovic in Madrid Fehler ein. «In Bezug auf die Kommunikation können wir uns sicher noch verbessern.» Gleichzeitig sagte der Serbe auch, das gelte für beide Seiten. Wer mitgestalten wolle, müsse sich einbringen, Zeit investieren, sich informieren. «Ich verstehe, dass nicht jeder dazu bereit ist.» Er erinnerte daran, dass das das Engagement im Spielerrat nicht vergütet wird. «Was wir tun, geschieht aus purem Willen, etwas Positives zu bewirken.»
Djokovic soll in seiner Funktion als Präsident des Spielerrats massgeblich dazu beigetragen haben, dass der Ende Jahr auslaufende Vertrag von Chris Kermode als Präsident der ATP nicht verlängert wird. Er sagte, es sei Zeit für neue Ideen. Doch wie sich Djokovic die Zukunft des Tennis vorstellt, ist vielen Kollegen unklar. Auch, wen der von ihm präsidierte Spielerrat als möglichen Nachfolger für Kermode sieht. Doch öffentlich dazu äussern will sich Djokovic nicht.
Wie am Tag zuvor Roger Federer, sagte Djokovic nun: «Ich ziehe es vor, solche Diskussionen hinter verschlossenen Türen zu führen, bevor etwas davon öffentlich wird.» Er respektiere es aber, wenn Spielerkollegen sich öffentlich Gedanken machen. Anfang Jahr hatte Djokovic indes brüskiert darauf reagiert, dass Interna aus einem Treffen des Spielerrats nach aussen gedrungen waren. Seither erinnert er an die Vertraulichkeit der Unterredungen.
Nachdem der von Djokovic portierte Justin Gimelstob wegen schwerer Körperverletzung zu drei Jahren Haft auf Bewährung, 60 Tagen gemeinnütziger Arbeit und einer Therapie zur Aggressionsbewältigung verurteilt worden ist, beginnt die Suche nach einem Nachfolger für den scheidenden Kermode von vorne. Offenbar sind mehrere Unternehmen damit mandatiert worden, geeignete Kandidaten zu rekrutieren, wie Djokovic nun erklärt.
Roger Federer hatte gesagt, er könne sich vorstellen, dass Kermode wieder zum Kandidaten werde. Wie Rafael Nadal und Stan Wawrinka galt Federer als Fürsprecher des Briten, unter dessen Führung die Preisgelder in die Höhe geschnellt waren. Djokovic äusserte sich diplomatisch zu diesem Gedankenspiel. «Wir brauchen so viele gute Kandidaten wie möglich. Chris kennt die Tour in- und auswendig. Wenn er sich das vorstellen kann, warum nicht?»
Trotz öffentlich geäusserter Absichtsbekundungen haben sich Roger Federer und Djokovic seit Monaten nicht zu Fragen nach der Gestaltung der Zukunft des Tenniszirkus ausgetauscht. «Im Moment», sagte der Schweizer auf die Frage der «Aargauer Zeitung», gibt es keinen Grund für Diskussionen mit Novak.» Es gehe vielmehr darum, zu schauen, wie der Serbe die Zukunft im Tennis sehe. «Es gibt doch viele offene Fragen.» Dringend sei das indes nicht.
In Madrid bemühten sich alle Beteiligten sichtlich darum, die Wogen zu glätten. Bereits am Samstag suchte Djokovic den Dialog mit Stan Wawrinka, der in der Vorwoche in einem Brief in der britischen Zeitung «Times» den «Zerfall moralischer Werte im Tennis» kritisiert hatte. Djokovic sagte: «Wir sitzen alle im gleichen Boot.» Von den Meinungsführern nicht geäussert hat sich nur Rafael Nadal. Der Spanier hütete am Montag wegen eines Virus das Bett.
Aber hey, immerhin spielen alle Tennis.