So offen wie jüngst im Dezember hat Roger Federer noch nie über sein Karriereende geredet: «Jetzt sitze ich hier und frage mich: Ist das wirklich alles schon vorbei? Wenn ja, dann ging das wirklich sehr schnell. Er ist sehr real, der Rücktritt.» Aus dem nahenden Ende schöpfe er aber auch Motivation. «Denn ich frage mich, wie ich mich neu erfinden kann, um noch länger dabei sein zu können.»
Dabei ist er sicher bei den Grand-Slam-Turnieren, also auch in Roland Garros, und im August in Tokio bei Olympischen Spielen. Im Frühling 2021 ist sein neues Heim in Rapperswil-Jona SG bezugsbereit, und die Zwillingsbuben Leo und Lenny erreichen das schulpflichtige Alter. Es spricht also vieles dafür, dass Federer seine Karriere Ende 2020 beendet.
Prognose: Bleibt Federer gesund, setzt er seine Karriere über 2020 hinaus fort.
In Wimbledon fehlte Federer nur ein Punkt zum Titel, in Paris erreichte er die Halbfinals, bei den US Open die Viertelfinals und bei den Australian Open die Achtelfinals. Gewinnt er drei, vier Turniere, wäre das eine gute Saison. Gewinnt er fünf oder mehr, wäre das sehr gut. Kommt ein 21. Grand-Slam-Titel dazu, wäre das überragend.
Doch die nackten Zahlen verlieren an Bedeutung. Zahlenreihen verblassen, Rekorde stehen in Büchern, die Staub ansetzen. Erinnerungen aber bleiben länger im Gedächtnis. Und für diese lebt Federer. Dass er noch spielt, macht das Jahr 2020 – unabhängig von Resultaten – zu einem Traumjahr.
Prognose: Federer gewinnt 6 Turniere, darunter ein Grand-Slam-Turnier.
Noch im letzten Frühling gingen die Selbstzweifel des Rafael Nadal soweit, dass er sich die Sinnfrage stellte. Er wirkte ausgelaugt, ihm mangelte es an Energie, Intensität und Willen – und damit eigentlich an allem, was ihn auf dem Platz ausgemacht hatte.
Dann gelang ihm das, was ihm schon so oft gelungen war – er stieg wie Phönix aus der Asche: Siege in Rom, Paris, Montreal und beim US Open. Nun hält der Spanier bei 19 Grand-Slam-Titeln und ist erstmals in Schlagdistanz zu Federer, der bei 20 steht. Es spricht alles dafür, dass Nadal auch in diesem Jahr wieder ein Grand-Slam-Turnier gewinnt.
Prognose: Nadal triumphiert in Roland Garros und zieht mit Federer gleich.
Seit 2005 gewannen Rafael Nadal (19), Roger Federer (16) und Novak Djokovic (16) 51 von 60 Grand-Slam-Turnieren. Die grosse Revolution bleibt auch in diesem Jahr aus, doch die Evolution geht weiter. Bei den neun Masters-Turnieren gab es sechs verschiedene Sieger.
Der Russe Daniil Medwedew erreichte den Final des US Open. Den Final der Jahresbesten gewann der Grieche Stefanos Tsitsipas, 22, der 2019 Federer (in Melbourne), Nadal (auf Sand) und Djokovic besiegte.
BRUTAL is the word that comes to mind! 🤯@DaniilMedwed wins a lung-busting 31-stroke rally that leaves both players gasping for air. #ATPCup pic.twitter.com/iFpEuRBKIK
— Tennis TV (@TennisTV) January 11, 2020
Prognose: 2020 feiert erstmals seit den US Open 2014 (Cilic) ein neuer Spieler seinen ersten Grand-Slam-Titel.
Am Triumvirat aus Federer, Nadal und Djokovic sind die Träume einer ganzen Generation zerschellt – Grigor Dimitrov, Milos Raonic und Kei Nishikori machten passable Karrieren, blieben aber ohne Grand-Slam-Titel. Abgelöst wurden sie von Stefanos Tsitsipas, Matteo Berrettini und Daniil Medwedew. Besonders bemerkenswert ist die Entwicklung Medwedews.
Im Herbst gewann er in Cincinnati, St.Petersburg und Schanghai und erreichte in Washington, Montreal und beim US Open den Final. Zu rechnen ist mit den Kanadiern Denis Shapovalov (20) und Félix Auger-Aliassime (19) sowie dem Russen Andrey Rublew (22). Überfällig ist ein Grand-Slam-Titel für den Österreicher Dominic Thiem (26). Ausser Form, aber immer noch erst 22 ist der Deutsche Alexander Zverev.
Prognose: Stan Wawrinka gewinnt erstmals seit Mai 2017 in Genf ein Turnier.
Dass er zwei Jahre nach der operativen Behebung eines Knorpelschadens im linken Knie wieder auf hohem Niveau Tennis spielt, bezeichnet sogar sein Arzt als «kleines Wunder». Das erste Jahr beendete Wawrinka, der bis auf Rang 263 zurückgefallen war, im 66. Rang der Weltrangliste, nun gehört er wieder zu den besten 15. Zwar blieb ihm ein Turniersieg verwehrt, doch sowohl beim French Open als auch beim US Open erreichte er die Viertelfinals.
«Ich habe noch Potenzial in mir, viel sogar. Sowohl physisch wie mental», sagt der Romand, der im März 35 wird. Das Ziel des dreifachen Grand Slam-Siegers: die Qualifikation für den Final der Jahresbesten. Von 2013 bis 2016 war Wawrinka immer dabei, auch 2017 hätte er sich qualifiziert, obschon er die Saison bereits im August abbrach.
Prognose: Stan Wawrinka gewinnt erstmals seit Mai 2017 in Genf ein Turnier
2019 gewann Bencic Turniere in Dubai und Moskau, stand beim US Open und beim Final der acht Jahresbesten in den Halbfinals und beendete die Saison als Nummer 8 der Welt. Seit Herbst 2018 ist Bencic wieder mit ihrem Vater Ivan als Trainer unterwegs. Und seither zeigt die Formkurve nach oben.
Unter ihrem Fitnesstrainer und Freund, Martin Hromkovic, hat sich Bencic zu einer der besten Athletinnen im Frauentennis entwickelt. Auf schnellen Belägen gehört Bencic bei jedem Turnier zu den Anwärterinnen auf den Sieg.
Prognose: Bencic gewinnt als vierte Schweizerin nach Hingis, Federer und Wawrinka ein Grand-Slam-Turnier.
Die letzten vier Jahre brachten bei den vier Grand-Slam-Turniere zehn verschiedene Siegerinnen hervor.Nicht wenigerals 15(!) aktive Spielerinnen haben schon einmal ein Major-Turnier gewonnen. Mit Simona Halep, Naomi Osaka und Ashleigh Barty wechselten sich im letzten Jahr drei Frauen an der Spitzeder Weltrangliste ab. Aufsteigerin des Jahres war aber die Kanadierin Bianca Andreescu (19). Sie triumphierte am US Open und verlor 2019 nur 7 Spiele, war aber auch oft verletzt.
Noch weiter hinten klassiert sind Angelique Kerber (WTA 18), die seit 2016 drei Grand-Slam-Titel und damit die meisten bei den Frauen gewonnen hat, und die Amerikanerin Sloane Stephens (WTA 24), die US-Open-Siegerin von 2017. Nicht einmal in die Setzliste schafft es die Spanierin Garbine Muguruza, ihres Zeichens French-Open-Siegerin 2016 und Wimbledon-Siegerin 2017.
Prognose: Das Frauentennis bleibt unberechenbar und bringt drei verschiedene Grand-Slam-Siegerinnen hervor
Als Schwangere gewann sie 2017 bei den Australian Open ihren 23. Grand-Slam-Titel. Viermal stand sie seit der Geburt ihrer Tochter Alexis Olympia im September 2017 in einem Grand-Slam-Final – viermal scheiterte sie. In Wimbledon hatte sie die Finals gegen Angelique Kerber(2018) und Simona Halep (2019) verloren, beim US Open gegen Naomi Osaka (2018) und gegen Bianca Andreescu (2019).
Immerhin gewann Williams vor Wochenfrist in Auckland erstmals als Mutter ein Turnier. Margaret Court aus Australien ist mit 24 Grand-Slam-Titeln (All-Time) zwischen 1960 und 1973 die erfolgreichste Spielerin.
Prognose: Bleibt sie gesund, gewinnt Serena Williams ihren 24. Major-Titel.
Einen Tennisspieler wie Federer wird die Schweiz, ja die Welt, wohl so schnell nicht wieder sehen. Doch nun macht eine Gruppe junger Schweizer Talente auf sich aufmerksam. Mit den 17-jährigen Leandro Riedi, Jeffrey von der Schulenburg, Dominic Stricker und dem 16-jährigen Jérôme Kym stehen gleich vier Junioren im 64er-Tableau des Australian Open.Von der Schulenburg belegt in der Junioren-Weltrangliste Rang 8, Riedi Rang 10, Stricker Rang 11 und Kym Rang 44.
Prognose: Einer aus dem Schweizer Quartett erreicht einen Major-Halbfinal.