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Rafael Nadal muss erneut pausieren: «Ein Verletzter, der Tennis spielt»

epa11058785 Rafael Nadal of Spain looks on during his quarter-final match against Jordan Thompson of Australia at the 2024 Brisbane International tennis tournament in Brisbane, Australia, 05 January 2 ...
Rafael Nadal verpasst auch die Australian Open.Bild: keystone

Nächste Zwangspause für Nadal: «Er ist eine verletzte Person, die Tennis spielt»

Anfang Jahr hatte Rafael Nadal nach einer einjährigen Verletzungspause sein Comeback gegeben. Nach drei Spielen ist nun schon wieder Schluss – der Spanier gab bekannt, dass er die Australian Open verletzungsbedingt verpassen wird. Langsam aber sicher drängt sich die Frage auf, ob der 37-Jährige im Profi-Tennis überhaupt noch eine Zukunft hat.
08.01.2024, 15:3608.01.2024, 16:52
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2005, 2006, 2007, 2008, 2010, 2011, 2012, 2013, 2014, 2017, 2018, 2019, 2020 und 2022 – sagenhafte 14 Mal ging Rafael Nadal an den French Open als Sieger hervor. Angesichts dieser Wahnsinns-Bilanz schien es dem Spanier im letzten Frühling umso schwerer zu fallen, bekanntzugeben, dass er in Paris im Jahr 2023 nicht dabei sein wird. Ausgerechnet an «seinem» Turnier, an dem er trotz seiner vielen verletzungsbedingten Ausfällen seit dem Jahr 2004 immer gespielt hatte, machte dem Spanier nun sein Körper einen Strich durch die Rechnung.

Nach Comeback kommt erneute Verletzungspause

Nach einer knapp einjährigen Pause gab Rafael Nadal vergangene Woche in Brisbane am ATP-250-Turnier sein Comeback – und bezwang in den ersten beiden Spielen den Österreicher Dominic Thiem sowie den Australier Jason Kubler. Nach zwei überzeugenden Auftritten sah es fast danach aus, als könne der Spanier seine Karriere doch noch in Würde ausklingen lassen – während seiner Verletzungspause hatte er nämlich angedeutet, dass das Jahr 2024 sein letztes als Profi werden könnte.

«Ich fliege zurück nach Spanien, um meinen Arzt zu konsultieren, mich behandeln zu lassen und mich auszuruhen.»
Rafael Nadal

Im Viertelfinal scheiterte Nadal schliesslich am Australier Jordan Thompson. Obschon etwas überraschend, ist es nicht die Niederlage an sich, die Zweifel an einem versöhnlichen Abschluss einer grossartigen, aber gleichzeitig von Schmerzen geprägten Karriere aufkommen lassen. Schon während dem Spiel musste sich der Spanier behandeln lassen, klagte über Schmerzen am Oberschenkel. Nach dem Spiel dann die Gewissheit: Kaum zurück auf dem Court, muss der Spanier das Australian Open, das am kommenden Sonntag startet, aufgrund eines «Mikro-Risses» am Muskel auslassen.

Er fühle sich momentan nicht bereit, fünf Sätze auf höchstem Niveau zu spielen, gab Nadal auf Social Media bekannt, und fügte an: «Ich fliege zurück nach Spanien, um meinen Arzt zu konsultieren, mich behandeln zu lassen und mich auszuruhen.»

Schmerzen als stetiger Begleiter

Wer öfters Tennis schaut, dürfte sich bereits an das Bild gewöhnt haben: Ein stark aufspielender Rafael Nadal, bei dem jede Bewegung aussieht, als würde sie unheimlich viel Kraft kosten, humpelt über den Platz, spielt trotz Schmerzen weiter, ja gewinnt auch Spiele, in denen er auf dem Zahnfleisch zu gehen scheint.

«Rafa ist der grösste Kämpfer in unserem Sport, ihn so leiden zu sehen wie heute, tut weh.»
Juan Martin del Potro

Selbst für seine Gegner auf dem Platz ist es zuweilen schwer mitanzusehen, wie Nadal leidet. Als er im Halbfinal der US Open 2018 gegen Juan Martin del Potro aufgrund von Knieschmerzen aufgeben musste, meinte der Argentinier zu seinem Finaleinzug: «Das ist nicht die beste Art, ein Match zu gewinnen. Rafa ist der grösste Kämpfer in unserem Sport, ihn so leiden zu sehen wie heute, tut weh».

Auch im Final des Australian Open 2014 gegen Stan Wawrinka hatte Nadal mit Schmerzen zu kämpfen.Video: YouTube/Tennis is Life

Schmerzen scheinen für Nadal schon lange zum Alltag zu gehören. Die Liste seiner Verletzungen ist lang und facettenreich. Von Knöchelverletzungen, über Knieprobleme, Bauchmuskelzerrungen, Rückenschmerzen, Schulterprobleme bis hin zu Handgelenksverletzungen – Nadals Körper gleicht einer Baustelle. Angesprochen auf seine Leidensgeschichte meinte Nadal nach einer Niederlage am Rom-Masters 2022: «Schmerzen nehmen einem das Glück, nicht nur im Tennis, sondern auch im Leben. Und mein Problem ist, dass ich an vielen Tagen mit zu viel Schmerz lebe».

Eine Verletzung folgt auf die nächste

Seinen Anfang nahm Nadals Verletzungshistorie im Jahr 2004, als er nach einem überraschenden Sieg gegen den damals Weltranglistenersten Roger Federer in Miami aufgrund eines Ermüdungsbruchs im linken Knöchel auf seine erstmalige French-Open-Teilnahme verzichten musste. Und auch schon damals machte sich ein Problem bemerkbar, das dem heute 37-Jährigen mit zunehmendem Alter immer mehr zu schaffen macht. Nadal leidet am sogenannten Müller-Weiss-Syndrom, einer degenerativen Knochenerkrankung am Fuss. Dabei stirbt Knochengewebe des sogenannten «Kahnbeins» ab, was zu Schmerzen beim Auftreten führt.

«Ich hatte das Gefühl, dass er keine Chance haben würde, wieder zu spielen. Es war die schwierigste Zeit, die ich mit ihm erlebt habe.»
Trainer Carlos Moya

Unter anderem aufgrund dieser Erkrankung wurde Nadal als Teenager eine kurze Karriere vorausgesagt – ein Karriereende sei sogar bereits im Jahr 2006 im Raum gestanden. Aber Rafael Nadal ist vor allem eines: Ein Kämpfer, der auch nach niederschmetternden Diagnosen nicht aufgibt und sich zurück an die Spitze kämpft. Seit 2021 machen ihm die Fussprobleme jedoch besonders zu schaffen und um das French Open 2022 trotz Schmerzen irgendwie bestreiten zu können, spielte er mit komplett betäubtem Fuss – und gewann.

Rafael Nadal bezwingt im French-Open-Final Casper Ruud.Video: YouTube/Eurosport Tennis

Bei seiner jüngsten Verletzung war die Hüfte das Sorgenkind. Nach der Absage des French Opens unterzog sich Nadal während seiner selbstverordneten Pause einer Operation am Hüftbeuger. Nadals Karriere sei einmal mehr auf der Kippe gestanden, wie sein Trainer Carlos Moya gegenüber atptour.com erklärte: «Ich hatte das Gefühl, dass es das Ende sein könnte, dass er keine Chance haben würde, wieder zu spielen. Es war die schwierigste Zeit, die ich mit ihm erlebt habe.»

Erfolg trotz widriger Umstände

An der Frage, welcher nun der beste Tennisspieler aller Zeiten sei, scheiden sich die Geister. Rafael Nadal hat es aber zweifelsohne geschafft, unter denkbar ungünstigen Voraussetzungen zu einem der besten unter ihnen zu werden. Während Roger Federer ab seinem Grand-Slam-Debüt bis zu seinem 35. Lebensjahr kein einziges Major-Turnier verpasst hatte, musste Nadal seit seinem Debüt regelmässig Turniere auslassen. Bei elf Grand-Slam-Turnieren trat er gar nicht erst an, fünf weitere musste er verletzungsbedingt aufgeben. Novak Djokovic verpasste sogar nur ein einziges Major-Turnier verletzungsbedingt (zwei Mal musste er aufgrund seines Impfstatus passen).

Die grosse Stärke Nadals liegt wohl darin, die Momente, in denen er sich einigermassen gut fühlt, auszunutzen. Der Spanier brauchte für seine 22 Grand-Slam-Titel nur 64 Turniere. Roger Federer brauchte für 20 Siege deren 81.

Wie weiter?

Bereits nach einer Verletzung im Jahr 2009 gab der englische Tennisexperte Sean Corvin zu bedenken, dass «Nadals Knie zehn Jahre älter sind als er selbst» und schon zu Beginn seiner Karriere wurden Stimmen laut, dass seine kraftraubende Spielweise früher oder später seinen Tribut fordern wird. Dies hat sich inzwischen mehr als bewahrheitet – gleichzeitig wurde aber auch Nadals Wunsch, den er nach der Wimbledon-Absage im Jahr 2009 geäussert hatte, trotz allem Realität: «Ich hoffe, eine lange Karriere vor mir zu haben. Ich werde genesen und hart an meiner Rückkehr arbeiten», sagte der Spanier damals.

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Rafael Nadal klagt im Viertelfinal gegen Jordan Thompson über Schmerzen.Bild: keystone

Nun scheint sich diese lange Karriere dem Ende zuzuneigen und als Zuschauende muss man sich fragen: Lohnt sich das Ganze überhaupt noch? Wäre ein sofortiger Rücktritt nicht besser, als ein langes, schmerzvolles Ende?

Der Eurosport-Experte Alex Corretja glaubt, dass Nadal aufgrund seiner mentalen Stärke noch viel zuzutrauen sei: «Nach so vielen Monaten ohne Wettkämpfe ist es logisch, dass man in der Muskulatur ein gewisses Unbehagen verspürt. Ich glaube im Moment, dass Rafa, wenn er sich erholt, mental nicht unbedingt beeinträchtigt ist», meint er zur aktuellen Verletzung des Spaniers. Zudem verweist der Experte auf Nadals Dominanz auf seiner Lieblingsunterlage: «Ich denke, auf Sand ist vielleicht der Ort, an dem seine Probleme weniger Auswirkungen haben und an dem er sich am wohlsten fühlt».

Der ehemalige, argentinische Tennis-Profi und Nadals Wegbegleiter Juan Monaco sagte über seinen Freund: «Ich möchte natürlich, dass er noch einmal zurückkommt, aber als Freund wünsche ich ihm vor allem, dass er in Frieden leben kann, und nicht den Druck verspürt, mit so starken Schmerzen weiterzuspielen».

Bezeichnend für Rafael Nadals gesamte Karriere sind die Worte, die sein Onkel und ehemaliger Trainer Toni Nadal 2019 gegenüber «El País» für seinen Neffen fand: «Rafael ist kein Tennisspieler. Er ist eine verletzte Person, die Tennis spielt».

Ob es sich für Nadal lohnt, trotz Schmerzen weiterzuspielen, weiss schlussendlich nur er selber. Als Zuschauende – egal ob man seinen Spielstil nun mag oder nicht – hofft man aber zumindest, dass er vor seinem Rücktritt noch einmal zeigen kann, warum er zu den grössten seines Sports gehört und man möchte ihm beipflichten, wenn er sagt: «Ich denke, ich verdiene es nicht, meine Sportkarriere in einem Presseraum zu beenden.»

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Dieser Mann hat Biss! Alle Grand-Slam-Titel von Rafael Nadal
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Dieser Mann hat Biss! Alle Grand-Slam-Titel von Rafael Nadal
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quelle: keystone / thibault camus
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Hat Nino Schurters Bike eigentlich ein Elektromotörli?
Mountainbiker sind ganz und gar nicht langweilige Kerle. Das Duell Nino Schurter gegen Mathias Flückiger kann am Montag in Paris den Stoff für ein Drama liefern.

Mit Mountainbikes (eigentlich Bergvelos) wird erst seit 1996 olympisch gefahren. Also ein Trendsport wie Snowboard (1998 olympisch geworden) oder Surfen (seit Tokio 2021 dabei).

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