Wenn Novak Djokovic bei den French Open seinen Oberkörper entblösst, offenbart er, was er als «grösstes Geheimnis meiner Karriere» bezeichnet: eine Metallscheibe in der Grösse einer Münze, mit Tape auf die nackte Haut geklebt. Mehrfach darauf angesprochen, sagt der Serbe: «Als Kind mochte ich Iron Man – ich versuche, der Iron Man des Tennis zu sein.»
Es handle sich um eine «unglaublich effiziente» Nanotechnologie, ohne die er «heute wohl nicht hier sitzen» würde. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine «Lichttherapie», die mit elektromagnetischen Strahlen den Energiefluss im Körper unterstützt, wie der Hersteller Taopatch behauptet.
Die Metallscheibe sei «energetisch behandelt» und enthalte «mit Energie und Informationen aufgeladenes Titan». Die Nanokristalle in der Scheibe würden durch Sonnenlicht und Körperwärme aktiviert und in Licht umgewandelt. Dadurch wirke die Scheibe gegen jedes erdenkliche Gebrechen, vor allem aber gegen Muskelschmerzen und Müdigkeit.
Gegenüber italienischen Medien gibt sich ein gewisser Fabio Fontana als Erfinder des «Mini-Lasers» aus. Nach einem Autounfall habe er Migräne bekommen, die er jahrelang mit Schmerzmitteln bekämpft habe. Erst eine Magnetfeldtherapie habe Linderung gebracht. Seither entwickle er seine Technologie, die Fontana – natürlich – als revolutionär bezeichnet, weiter.
Allerdings ist die «Therapie» alter Wein in neuen Schläuchen. Schon seit Jahrzehnten baumeln bei Sportlern bunte Bänder um den Hals oder an den Handgelenken, die Spuren von Titan enthalten. Der japanische Erfinder taufte sie Phiten. Sie sollen Erschöpfung und Müdigkeit reduzieren. Für Sportler klingt das fast wie ein Heiliger Gral. Martina Hingis, Sergio Garcia oder Pascal Zuberbühler warben oder werben noch für das Produkt.
Über die Wirkung wird in der Wissenschaft nicht einmal gestritten. Von CH Media kontaktierte Mediziner wollen im Zusammenhang mit dem Verfahren nicht namentlich erwähnt werden, beschreiben dieses aber mit Wörtern wie «Humbug», «Bauernfängerei» und «Hokuspokus».
Dass Novak Djokovic in seinem zuweilen fast schon obsessiven Streben nach Perfektion dafür empfänglich ist, kann niemanden überraschen. Jahrelang setzte er sich in eine Druckluftkammer, die Höhenluft simuliert. Das «Ei des Djokovic». In Australien tat er dies bei Oxymed und Malcom R. Hooper, dem die Zulassung als Chiropraktiker entzogen und untersagt worden war, einen Doktortitel zu führen.
2021 wurde Hoopers Firma Oxymed für die Bewerbung der Kammer vom höchsten australischen Gericht zur Zahlung von 3 Millionen Franken verurteilt. Oxymed hatte behauptet, es gebe kaum ein Gebrechen, das nicht mit Sauerstoff therapiert werden könne, darunter: Autismus, Aids, Alzheimer, Krebs, Depressionen, später auch Covid-19. Ins Visier der Behörden geraten war Hooper, nachdem ein Patient, der an Multipler Sklerose gelitten hatte, in der Kammer an einem Herzinfarkt verstarb.
Neben der Technologie ist Novak Djokovic auch der Spiritualität zugetan. Selbstliebe ersetze die Medizin. Vor zwei Jahren sagte er: «Wir sind ebenso Energie, wie wir Chemie sind. Wir Menschen sind elektrische Wesen. Ich kenne Menschen, die es durch energetische Umwandlung, die Kraft des Gebetes, und der Dankbarkeit schaffen, die giftigste Nahrung oder das am stärksten verschmutzte Wasser in das heilsamste Wasser zu verwandeln.»
In keinem Bereich seines Lebens geht Novak Djokovic Kompromisse ein. Er trinkt warmes Wasser, Lakritztee oder Proteinshakes aus Erbsen. Auf dem Speiseplan stehen neben Avocados Cashewnüsse und Manuka-Honig, den er aus Neuseeland importiert. Seit er sich glutenfrei ernährt, gehören Krämpfe, Blähungen, Durchfall und Atemprobleme der Vergangenheit an. Bei den French Open in Paris steht der 22-fache Grand-Slam-Sieger ohne Satzverlust im Viertelfinal, wo er am Dienstag auf den Russen Karen Khachanov (27, ATP 11) trifft, gegen den er acht der neun bisherigen Duelle gewonnen hat.
Vor dem Turnier gab Djokovic zu bedenken, er sei 36 und sein Körper reagiere anders als noch vor zehn Jahren, was er als «neue Realität» bezeichnete, der er sich anpassen müsse. Manchmal brauche er die Hilfe eines Physiotherapeuten, «manchmal brauche ich Pillen, manchmal die Hilfe Gottes oder der Engel.» Oder die einer obskuren Metallscheibe.
Geh zu einem Therapeuten und lass dir Medis verschreiben, die helfen.
Dass ND als Erwachsener immer noch so fest daran glaubt, könnte man ev. seiner fehlenden Bildung sowie derer seiner Eltern zuschreiben. Andererseits gibt es genügend gebildete und kluge Menschen, welche ebenfalls solche Erklärungen glauben...