Wenige Tage vor dem Start der Tour de France von 1998, am 8. Juli, wird der Wagen von Willy Voet an der belgisch-französischen Grenze überprüft. Im Auto des Betreuers vom Team Festina finden die Beamten beträchtliche Mengen an Medikamenten, unter anderem das verbreitete EPO, welches den Sauerstofftransport der roten Blutkörperchen verstärkt und somit als Dopingmittel gilt.
Voet wird in Untersuchungshaft genommen, während die Fahrer und Verantwortlichen von Festina sich stark vom Doping-Vorwurf distanzieren. So auch der Schweizer Veloprofi Alex Zülle und sein Captain Richard Virenque.
Doch das Geschehen eskaliert, als am 14. Juli der festgenommene Voet im Gefängnis sein Geständnis abliefert, er habe auf Anweisung von Festina-Offiziellen gehandelt und dies nicht zum ersten Mal. «Sie stellen die gleiche Frage zwanzig mal. Immer ein wenig abgewandelt. Deshalb gibt man am Schluss auf. Anfänglich habe ich behauptet, all die Dopingmittel seien für mich. Aber die lachten mich einfach aus», erklärt Voet später dem Autoren Thomas Hämmerli.
Am 15. Juli wird auch noch Sportdirektor Roussel abgeführt und 24 Stunden später von der Tour-Leitung suspendiert. Der Skandal ist perfekt. Auch Roussel gesteht in Lille organisiertes Doping der Mannschaft ein, weshalb am 16. Juli Tour-Chef Jean-Marie Leblanc mit den Worten «Es ist jetzt 22.50 Uhr, die Tour-Organisation hat den Ausschluss von Festina beschlossen» vor die Presse tritt.
Sieben Tage verstreichen an der Skandal-Tour, als am 23. Juli die Fahrer vorübergehend festgenommen werden. Sieben gestehen das «Verbrechen» ein, nur Pascal Hervé und Virenque leugnen weiterhin. Voet erklärt später: «Als ich verhaftet wurde, hatte ich meine Agenda bei mir. Da stand alles drin. Die Polizei wusste genaustens Bescheid. Wer weiss, ob die Fahrer sonst alles zugegeben hätten? Aber angesichts der Fakten konnten sie nicht gut leugnen.»
Der Tour droht ein Abbruch, es folgen endlose Vernehmungen und Geständnisse und auch andere Mannschaften geraten ins Visier. Dem Teilnehmerfeld wird es langsam zu bunt und bei der 12. Etappe streiken sie ein erstes Mal mit einer Verzögerung des Starts von zwei Stunden. Doch die Dopingfahnder suchen weiter, was die Rennställe Banesto, ONCE, Riso Scotti, Kelme und Vitalico dazu veranlasst, heimzufahren.
Trotz der Skandale wird die Rundfahrt zu Ende geführt. Am Schluss gewinnt der Italiener Marco Pantani, «der Pirat», der König der Berge, welcher im gleichen Jahr bereits den Giro d'Italia gewonnen hat – mit einem Haken. Wie sich 15 Jahre später herausstellt, war auch Pantani gedopt, so wie der Tour-Zweite Jan Ullrich. Für Willy Voet kein Wunder: «Alle Champions sind gedopt. Ohne Doping kann man heute nichts mehr gewinnen.»
Was bleibt, ist eine Tour der Skandale, welche die nackten Wahrheiten des Radsports ans Licht gebracht hat. Die Verhandlungen lassen keine Zweifel daran, dass der Profiradsport ohne hochkomplexes Doping, insbesondere mit EPO, kaum noch funktioniert.
Die Schweizer Fahrer Alex Zülle, Laurent Dufaux und Armin Meier erhalten je sechs Monate Fahrverbot. Bruno Roussel kriegt ein Jahr Gefängnis auf Bewährung sowie eine Geldstrafe über 50'000 Francs, Willy Voet zehn Monate auf Bewährung plus 30'000 Francs.