Sören Lerby ist in der Zwickmühle. Einerseits muss Dänemark in der Qualifikation für die WM 1986 in Irland noch einen Punkt holen, um beim Turnier dabei sein zu können. Andererseits spielt am gleichen Tag sein Klub, der FC Bayern München, im Achtelfinal des DFB-Pokals. Wo soll er auflaufen?
«Uli Hoeness hatte schliesslich den verrückten Gedanken, ich solle einfach beide Partien spielen», erinnert sich Lerby im «Tagesspiegel» Jahre später an den denkwürdigen Tag. Eine Idee, die dem Mittelfeldspieler gefällt. «Ich wollte unbedingt beiden Mannschaften helfen, genauso wie beide Mannschaften nicht auf mich verzichten wollten.»
Der dänische Nationaltrainer Sepp Piontek verspricht den Bayern, seinen Star Lerby bei klarem Spielstand auszuwechseln, Bayern-Trainer Udo Lattek ist ebenfalls einverstanden. Ein irrer Plan wird in die Tat umgesetzt.
Dänemark, das ein Jahr zuvor an der EM bis in den Halbfinal vorgestossen ist, tut sich an diesem Mittwochnachmittag an der Landsdowne Road in Dublin schwer, zur Pause steht es bloss 1:1. «Uli Hoeness stand an der Seitenlinie und schaute verzweifelt auf die Uhr», schildert Sören Lerby. «Ich wurde unruhig. Jetzt zählte jede Minute. Wir gingen bald in Führung, und der Sepp machte immer noch keine Anstalten zu wechseln. Ich war mit der Konzentration fast am Ende – wie sollte ich es jetzt noch pünktlich nach Bochum schaffen?»
Dann endlich trifft Dänemark nach 59 Minuten erneut, erhöht auf 3:1 und Nationaltrainer Piontek hält sein Wort. Er nimmt Lerby unmittelbar nach dem dritten Treffer aus dem Spiel. «Ich sprintete in die Kabine und duschte so schnell wie wahrscheinlich nie wieder. Mit nassem Haar rannte ich aus dem Stadion und sprang ins Auto zum Uli, der Motor lief. Es wurde ein Wettlauf gegen die Zeit.»
Die irischen Behörden wissen vom Vorhaben, ein Polizist fährt auf einem Motorrad mit Blaulicht und Sirene vor den Bayern-Stars her – direkt bis aufs Rollfeld des Dubliner Flughafens. «Wir stiegen in den gecharterten Learjet und hoben ab. Mit der Zeitverschiebung von einer Stunde würden wir gegen kurz nach sieben in Düsseldorf sein.»
Der Weg vom Flughafen ins Ruhrstadion dauert rund eine halbe Stunde – es wird also knapp. «Wir rasten im Porsche Richtung Bochum», erzählt Lerby. Die Fahrt sei ihm endlos vorgekommen. Und dann geraten Manager Hoeness und sein Spieler vor dem Stadion auch noch in einen Stau. «Es ging nicht mehr vor, nicht zurück, nichts. Ich bin wahnsinnig geworden in der Karre.» Der 27-Jährige hält es nicht mehr aus. «Ich sagte ‹Tschüss› zum Uli und rannte die letzten zwei Kilometer bis ins Stadion. Ich wollte von Beginn an spielen.»
Doch daraus wird nichts. Kurz vor acht erreicht Sören Lerby die Kabine, die Mannschaft steht bereits im Tunnel und ist bereit, aufs Spielfeld zu schreiten. Trainer Lattek begrüsst Lerby und sagt, er sei spät dran, er würde bis zur Halbzeit warten müssen. «In diesem Moment löste sich die ganze Anspannung der Strapazen, und ich war nur noch enttäuscht, das kann man sich wohl vorstellen.»
Nach dem Seitenwechsel wird Sören Lerby eingewechselt – und als wäre ein Tag mit zwei Partien nicht schon genug, geht es in Bochum in eine Verlängerung. Am Ende endet der Achtelfinal 1:1 und wird deshalb wiederholt.
Heute ist Lerby nicht mehr enttäuscht darüber, dass er beim Anpfiff des DFB-Pokalspiels nicht von Beginn an auf dem Rasen steht. Schliesslich geht der Plan am Ende voll auf: Mit den Bayern gewinnt er den DFB-Pokal, mit Dänemark bestreitet er die WM in Mexiko und sorgt dort mit «Danish Dynamite» für Furore. «Und zwei Spiele an einem Tag, das machst du auch nur einmal im Leben.»