Das Jahr 1993 haben viele Menschen in Aarau und im deutschen Freiburg heute noch in guter Erinnerung. Der FCA wird sensationell und bis heute zum letzten Mal Schweizer Meister. Und der SC Freiburg steigt zum ersten Mal in seiner Geschichte in die 1. Bundesliga auf.
Uwe Wassmer läuft in diesem Jahr für beide Klubs auf. Der 27-jährige Deutsche ist Teil der Meistermannschaft, fällt dann aber ausser Rang und Traktanden. «Uwe kämpfte bei uns mit Motivationsproblemen», behauptet Trainer Rolf Fringer später, was Wassmer verneint.
Fakt ist: Im September 1993 ist Wassmer – aufgewachsen in Wehr, direkt am Rhein zwischen Laufenburg und Rheinfelden – beim FC Aarau nicht mehr erwünscht. Nach fünf Jahren steht er mitten in der Saison ohne Klub da. Der Stürmer absolviert ein Probetraining bei Hannover 96, erhält aber während der Rückfahrt nach Hause einen Anruf vom Bundesliga-Neuling Freiburg. Wassmer stellt den Blinker, hört sich an, was die Freiburger zu sagen haben, schlägt zu und dürfte diesen Entscheid nie bereut haben.
In seinem ersten Einsatz holt er einen Foulpenalty heraus, den Spielmacher Rodolfo Esteban Cardoso verwandelt. Freiburg verliert dennoch 2:3 gegen Kaiserslautern, Wassmer ist klar: Er ist bei einem Abstiegskandidaten.
Doch vielleicht hat die Mannschaft von Trainer Volke Finke genau ihn gebraucht, den Mittelstürmer mit langer Mähne. Wassmer wird sofort Stammspieler, schiesst im zweiten Einsatz sein erstes Bundesligator. Als am 27. November 1993 das grosse Bayern München ins Dreisamstadion kommt, hat Freiburg die Abstiegsränge verlassen.
15'000 Zuschauer sind gekommen, hoffen auf einen Coup des Underdogs. Und den bekommen sie zu sehen. Schon nach fünf Minuten staubt Uwe Wasser zum 1:0 ab, nach rund einer Stunde erhöht er auf 2:0 und mit seinem 3:0 in der 83. Minute macht er alles klar. Bruno Labbadia gelingt nur noch Resultatkosmetik. Der kleine SC Freiburg schlägt das grosse Bayern München 3:1 – und Uwe Wassmer erzielt alle drei Treffer.
«Drei Tore in einem Bundesligaspiel, das ist schon ein besonderes Gefühl», strahlt er in die Kameras. «Dass es mir ausgerechnet gegen die Bayern gelang, ist doppelt schön.» Im «Blick» stellt Wassmer die drei Tore auf eine Stufe mit dem Aarauer Meistertitel.
Wassmer fährt nach Hause, er lebt wieder bei den Eltern in Wehr. «In diesem Mehrfamilienhaus wohnte oben ein Mann, den ich vom Sehen kannte. Er war Bayern-Fan», schildert er bei «Fudder» Jahre später. «An der Haustüre vorm Treppenhaus hatte er einen Zettel gehängt. Darauf war ein Herz abgebildet und die Nachricht: ‹Herzlichen Glückwunsch von einem Bayern-Fan, der die Niederlage verschmerzen kann, weil er Uwe Wassmer diesen Erfolg gönnt.›»
«Der Rasen im Stadion war gefroren», schildert Wassmer mit einigem Abstand im SWR. «Der Boden kam uns entgegen, und die Bayern waren nicht so gut fokussiert. Sie haben viel lamentiert und mit dem Schiedsrichter diskutiert. Klar waren die Bayern individuell besser, aber als Mannschaft haben wir an dem Tag besser funktioniert.»
Doch so schön der Sieg gegen die Bayern ist: Auch er gibt nur zwei Punkte (die Drei-Punkte-Regel kommt erst 1995/96). Und weil Freiburg danach wieder schwächelt, wird der Kampf um den Klassenerhalt zur Zitterpartie. Ein Kampf, den Finkes Mannschaft gewinnt. Dank drei Siegen in den letzten drei Spielen überholt der SC Freiburg am letzten Spieltag noch Nürnberg und bleibt dank der besseren Tordifferenz in der Bundesliga.
Wohl kaum einer glaubt in diesem Moment daran, was ein Jahr später Tatsache ist: Freiburg spielt im Europacup. Rang 3 in der Saison 1994/95 ist bis heute das beste Ergebnis der Klubgeschichte. Am Ursprung steht ein weiterer Heimsieg gegen Bayern München. Mit 5:1 hauen die «Breisgau-Brasilianer» den Rekordmeister weg. «Wir haben sie an die Wand gespielt an diesem Tag, man wagt es kaum auszusprechen», sagt Ex-Nationalspieler Jens Todt im Rückblick.
Uwe Wassmer bleibt bis im Sommer 1999 in Freiburg, in 118 Spielen für Freiburg erzielt er 31 Treffer. Ins Geschichtsbuch schiesst er sich nach dem Hattrick gegen Bayern auch 1996, als er nur 13 Sekunden nach seiner Einwechslung trifft. Das Tor zum 3:5 gegen Bayer Leverkusen ist noch immer das schnellste Joker-Tor der Bundesliga-Historie.
In seiner Heimat in Wehr sind sie bis heute stolz auf ihren Fussballer. Zwanzig Jahre nach den drei Toren gegen Bayern München wird der örtliche Fussballplatz nach ihm benannt: Uwe-Wassmer-Kunstrasenplatz.
Aber spannender Artikel über eine ungewöhnliche Karriere, vielen Dank