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Warum Corona keine Rolle mehr spielt – ausser im Radsport

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Die Masken sind zurück: Geraint Thomas im «Maglia Rosa» signiert mit seinem Namen vor einem Etappenstart.Bild: keystone

Warum Corona im Radsport noch ein grosses Thema ist

Mindestens 16 Fahrer haben den Giro d'Italia wegen eines positiven Covid-Tests bereits aufgegeben – andere wie der Schweizer Gino Mäder starteten deshalb gar nicht erst.
22.05.2023, 19:5828.05.2023, 16:22
Raphael Gutzwiller / ch media
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Die Meldungen kommen fast täglich: Veloprofis müssen wegen positiver Coronatests aus dem Giro d'Italia abreisen. Während in der Gesellschaft Corona kaum mehr ein Thema ist, hält die Lungenkrankheit den Radsport im Würgegriff.

Nicht weniger als 16 Fahrer haben schon wegen Corona die Italien-Rundfahrt bereits aufgeben müssen. Auch rund um die Ankunft des Giros am Freitag in Crans-Montana ist Corona das dominierende Thema.

Am Sonntag nach dem Zeitfahren hatte Remco Evenepoel den Giro aufgeben müssen, obwohl er gewonnen und das «Maglia Rosa» des Gesamtführenden getragen hatte. Er reihte sich ein, in die immer länger werdende Liste namhafter Athleten, die wegen positiver Tests aufgeben mussten oder gar nicht erst antreten konnten.

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Ist als Gesamtführender nach einem positiven Test ausgefallen: Remco Evenepoel.Bild: keystone

Einer der schon vor dem Giro Forfait geben musste, war der Schweizer Gino Mäder. Seit Oktober hatte er seine Saisonplanung auf die Italien-Rundfahrt ausgerichtet, an dem er als Co-Leader für sein Team Bahrain Victorious gestartet wäre. Vier Tage vor dem Start kam der positive Test, zwei Tage später das definitive Aus. Angesteckt hatte er sich wohl, wie viele andere Fahrer, an der Tour de Romandie. Am Telefon berichtet er, dass es ihm mittlerweile gut gehe. «Ich kann wieder trainieren», sagt Mäder, der ausführt, dass die Absage seines grossen Saisonziels mental schwierig gewesen sei.

Die Teams sind vorsichtig und testen freiwillig

Dass die Fahrer nach positiven Covid-Tests ausscheiden, ist nicht selbstverständlich. Denn die Teams müssen nicht mehr testen, zudem dürfen positiv getestete Fahrer weiterhin antreten, wenn sie sich gut fühlen. So entschied sich der Norweger Sven Erik Byström trotz positiver Tests, zunächst einige Tage am Giro weiterzufahren. Erst als er doch noch Symptome entwickelte, gab er auf.

Byström ist eine Ausnahme, weil die Angst dominiert vor Folgen, die für die Karriere des Profis weit schwerwiegender wären als eine ausgefallene Rundfahrt. Dafür gibt es abschreckende Beispiele. Der Slowene Jan Polanc beispielsweise, der kürzlich wegen Herzproblemen seinen Rücktritt bekannt geben musste. Oder der Italiener Sonny Colbrelli, der inzwischen zurücktrat, nachdem er bei der Katalonien-Rundfahrt 2022 einen Herzstillstand erlitten hatte. Bei beiden Fällen ist ein direkter Zusammenhang mit Covid-Erkrankungen nicht bestätigt, aber auch nicht ausgeschlossen.

Gino Maeder from Switzerland of team Bahrain Victorious crosses the finish line during the fourth stage, a 161,6 km race between Sion and Thyon 2000 at the 76th Tour de Romandie UCI World Tour Cycling ...
Gino Mäder musste für den Giro Forfait geben.Bild: keystone

Mäder sagt, dass er unter Umständen den Giro hätte fahren können. «Ich fühlte mich krank und war nicht fit, aber wenn es hätte sein müssen, wäre es irgendwie gegangen. Der Verzicht auf den Giro war sicher auch eine Vorsichtsmassnahme. Die Team-Ärzte sagten, dass ich mich besser erholen soll.»

Patrik Noack, Chief Medical Officer bei Swiss Cycling, lobt die Vorsicht der Ärzte. Besonders gilt das für das Team Soudal Quick-Step, das dem führenden Evenepoel zum Ausstieg geraten hat. «Chapeau für diese Entscheidung. Hier stand die Gesundheit des Athleten im Zentrum. Es hätte gefährlich sein können, wenn er angeschlagen weitergefahren wäre. Die Saison hätte dann gelaufen sein können. Dieses Risiko wollte das Team nicht eingehen, obwohl Evenepoel den Giro hätte gewinnen können.»

Dass die Covid-Zahlen im Radsport ansteigen, hat laut Noack mehrere Gründe. So werde anders als sonst in der Gesellschaft regelmässig getestet. Die besondere körperliche Anstrengung, lange Transfers und die an diesem Giro garstigen Wetterbindungen gelten aber auch als optimaler Nährboden für Viren. «Durch solche Mehretappenrennen ist die Infektanfälligkeit bei den Athleten erhöht», erklärt Noack. «Die Athleten müssen über mehrere Tage grosse Leistungen erbringen. Das ist in der Sportwelt am ehesten noch mit dem Cape Epic im Mountainbike oder der Tour de Ski im Langlauf zu vergleichen.»

Ausgerechnet einstige Doping-Sportart achtet auf die Gesundheit

Ähnlich nimmt dies der Thurgauer Stefan Küng wahr, der nach der ersten Woche und dem vierten Rang beim Einzelzeitfahren planmässig aus dem Giro ausgestiegen ist. «Während einer Rundfahrt sind unsere Immunsysteme über Wochen voll am Limit», sagt er. «In der ersten Woche des Giros sind wir in sieben Tagen 37 Stunden auf dem Velo gesessen. Dazu kam das nasse und kalte Wetter.» Oft folgen nach Etappen noch längere Transfers in Hotels, manchmal sind dies zweieinhalbstündige Busfahrten. «Während einer Rundfahrt ist die Müdigkeit extrem. Deshalb ist der Schlaf das Allerwichtigste. Viele Athleten können aber nur schlecht schlafen - und sind anfälliger für eine Krankheit.»

Stefan Kueng of Switzerland displays his silver medal he won in the men's elite individual time trial at the world road cycling championships in Wollongong, Australia, Sunday, Sept. 18, 2022. (AP ...
Stefan Küng sagt: «Während einer Rundfahrt sind unsere Immunsysteme über Wochen voll am Limit.»Bild: keystone

Schon vor der Coronapandemie war Radprofis klar, dass sie durch Krankheiten ausgebremst werden könnten. Vor wichtigen Rennen hiess es schon damals: besser einander nicht die Hände schütteln. Ausgerechnet jene Sportart, die eine düstere Doping-Vergangenheit aufweist, geht mit Krankheiten am vorsichtigsten um. «Früher hätte man bei positiven Coronafällen wohl in die Medizin-Trickkiste gegriffen», glaubt Mäder. «Aber diese Kiste ist jetzt verschlossen. Stattdessen schauen die Teams, dass die Athleten gesund bleiben und so die beste Leistung abrufen.»

Es gibt wieder eine Maskenpflicht

Auch Noack stellt fest, dass die Teams von der Doping-Vergangenheit wegkommen möchten. Früher wollten Teams Erfolge ohne Rücksicht auf die Gesundheit, das scheint sich gedreht zu haben. «Es sind vor allem bei den Teams grosse Bemühungen im Gang, damit die Athleten gesund bleiben und nicht zu Doping greifen», sagt er. Damit die beim Giro übrig gebliebenen Fahrer ohne Krankheit durchkommen, wurden die Covid-Massnahmen verschärft. Im Start- und Zielbereich gibt es wieder eine Maskenpflicht.

Sportlich lechzt der Giro unter der Flut an ausgeschiedenen Topfahrern. «Es ist nicht mehr dasselbe Rennen wie zum Start», findet Küng. Mäder sagt, dass es auch eine Leistung sei, den Giro am besten zu überstehen. «Wenn du der Einzige bist, der gesund bleibt, dann hast du den Sieg verdient», findet er. Und so gilt beim Giro d'Italia 2023 die Devise: Wer ohne Krankheit durchkommt, hat gute Chancen auf Erfolg.

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5 Kommentare
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Monsterius1
22.05.2023 20:45registriert März 2023
Das sollte allen eine Warnung sein die Corona und andere Krankheiten unterschätzen, und trotzdem (Leistungs)sport betreiben.
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P.Giddy
22.05.2023 21:44registriert April 2021
Aufschlussreicher Artikel, danke. Gino jetzt an die Tour, hopp! 😊
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