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Das Tudor Pro Cycling Team ist beim Giro d’Italia zum ersten Mal dabei

Former Swiss professional road racing cyclist Fabian Cancellara speaks during a press conference on his new cycling team "Tudor Pro Cycling Team" on the sideline of the 75th Tour de Romandie ...
Fabian Cancellara hat mit Tudor grosse Pläne.Bild: KEYSTONE

Eigene Köche und Topfahrer – so will Cancellaras Team Tudor beim Giro d'Italia brillieren

Das Tudor Pro Cycling Team ist beim Giro d’Italia zum ersten Mal an einer dreiwöchigen Rundfahrt dabei. Der logistische Aufwand ist riesig, wie ein Blick hinter die Kulissen zeigt.
06.05.2024, 15:18
Raphael Gutzwiller, Turin / CH MEDIA
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Auf einem Hotelparkplatz in Turin herrscht reger Betrieb. Ein Mechaniker spült ein Auto sauber, ein Rahmen eines Velos ist in der Nähe aufgestellt, die Räder daran fehlen aber noch. Daneben sind mehrere Autos, Kleinbusse und Trucks parkiert. Das Bild ist typisch einen Tag vor dem Start des Giro d’Italia. Doch etwas ist diesmal anders: Überall prangt das Logo des Tudor Pro Cycling Team.

Das Schweizer Team ist erstmals bei der dreiwöchigen italienischen Landesrundfahrt mit dabei. «Es ist ein spezieller Moment für das ganze Team. Die erste Grand Tour ist natürlich ein grosser Meilenstein», sagt Teamchef Fabian Cancellara. Dank einer Wildcard kann das Team schon in seiner zweiten Saison am Giro d’Italia teilnehmen. Als zweitklassiges Pro-Team ist Tudor auf Einladungen angewiesen. «Irgendwie ist es etwas unreal, dass wir so schnell schon auf der ganz grossen Bühne mit dabei sind», stellt der einstige Weltklasse-Fahrer Cancellara fest.

Fabian Cancellara, droite, proprietaire de l'equipe Tudor Pro Cycling, parle a cote de Yannis Voisard, le coureur cycliste suisse, lors d'une conference de presse de Tudor Pro Cycling avant  ...
Der ehemalige Rennfahrer Fabian Cancellara ist Teamchef von Tudor.Bild: keystone

Zwanzig Helfer für acht Radprofis

Erst zwei Jahre ist es her, als Cancellara gemeinsam mit der Genfer Uhrenmarke Tudor an der Tour de Romandie die Gründung des Teams publik machte. Anlässlich des Giro d’Italia präsentiert Tudor medienwirksam eine neue Luxusuhr, die dank des leichten Gewichts ideal für Sportler sein soll. Natürlich ist die italienische Rundfahrt auch für die Sponsoren ein nächster Schritt in der Wahrnehmung.

Bei der erstmaligen Teilnahme an einer Grand Tour gibt es für die Neulinge aus der Schweiz einiges zu beachten. CEO Raphael Meyer sagt spasseshalber: «Manche sagen, wir seien ein Logistikunternehmen, das auch noch Velorennen fährt.» Bei den 21 Etappen durch fast ganz Italien sind nicht nur die Veloprofis gefordert, sondern auch ihre Teams. Zwanzig Helfer sind für Tudor und die acht Fahrer mit dabei, für sie gibt es in diesen Tagen viel zu tun.

Am Tag vor dem Start wirkt die Stimmung dennoch nicht hektisch. Im Mechaniker-Truck hängen fein säuberlich aufgehängte Räder. Sie sind geordnet nach der Dicke des Rahmens. Je nach Wetterverhältnissen und Fahrertyp werden andere Reifen benötigt, die Mechaniker müssen auf die Begebenheiten reagieren.

«Wir müssen möglichst viel Material dabeihaben, um immer Optionen zu haben»
Christophe Desimpelaere, Chef-Mechaniker Tudor

«Wir müssen möglichst viel Material dabeihaben, um immer Optionen zu haben», erklärt Christophe Desimpelaere, der Chef-Mechaniker des Teams. Für die acht Fahrer sind je vier Velos mit nach Italien gekommen, je zwei Zeitfahrvelos werden für die Einzelzeitfahren nachgeliefert. Mindestens 15'000 Franken kostet ein Profivelo bei Ausrüster BMC.

Desimpelaere und drei weitere Mechaniker sind dafür zuständig, dass ihre Fahrer immer über die bestmöglichen Velos verfügen. Dabei sitzen zwei Mechaniker während der Rennen immer im Fahrzeug der sportlichen Leiter und könnten die Velos reparieren, wenn das nötig sein sollte. Zur täglichen Arbeit gehört aber auch das Waschen der Velos und der Fahrzeuge. «Alles muss immer glänzen», sagt Desimpelaere.

Der Teambus wird zur Heimat für die Athleten

Das trifft natürlich auch auf den Teambus zu. «Der Bus ist das Zuhause der Fahrer während einer Rundfahrt», sagt CEO Meyer. In diesem Bus werden die Fahrer an den Start gebracht. Und kaum ist das Rennen fertig, sind sie wieder im Bus, wo sie duschen können und etwas zu essen kriegen.

Former Swiss professional road racing cyclist Fabian Cancellara speaks during a press conference on his new cycling team "Tudor Pro Cycling Team" on the sideline of the 75th Tour de Romandie ...
Cancellara bei der Präsentation des Tudor Pro Cycling Team im Jahr 2022.Bild: KEYSTONE

Von aussen wirkt er wie ein gewöhnlicher Reisecar, von innen aber sind die Unterschiede gross. Im vorderen Bereich befinden sich acht komfortable Sitze, alle einzeln am Fenster angebracht. Jeder Fahrer hat während der Rundfahrt hier seinen Sitzplatz. Im hinteren Bereich gibt es eine einladende Lounge, die auch gut für Besprechungen gebraucht werden kann. Dazu kommen zwei Duschen und zwei Toiletten. Diese sind zwar eng, reichen aber für die Bedürfnisse mehr als aus.

«Die Duschen und Toiletten werden zwar nicht oft benutzt, aber wenn, dann gibt es einen Andrang», sagt Meyer. «Vor dem Start wollen alle nochmals auf die Toilette, nach der Etappe möchten alle möglichst schnell duschen.»

«Nun können wir garantieren, dass unsere Küche immer gleich und dementsprechend gut verträglich für die Athleten ist.»
Bram Lippens, Tudor-Koch

Neben dem Teambus steht ein Laster, der an einen Foodtruck erinnert, in dem oft eher Fast Food angeboten wird. Doch beim Kitchen-Truck des Tudor-Teams handelt es sich um eine fahrende Küche, die jeweils die beste Nahrung für die Spitzensportler kreiert. Zwei Köche begleiten das Team während des gesamten Giro und bereiten im Kitchen-Truck die Menüs der Athleten zu.

In Teamsportarten wird, etwa beim Schweizer Fussballnationalteam, jeweils auf einen Chefkoch gesetzt, der zusammen mit der Hotelcrew die Essen der Athleten in der Hotelküche zubereitet. Obwohl die Veloteams die Nächte jeweils in Hotels verbringen, wäre das bei einer solchen Rundfahrt zu riskant. «Früher gab es immer wieder Probleme in Hotels», erzählt Bram Lippens, einer der beiden Köche. «Nun können wir garantieren, dass unsere Küche immer gleich und dementsprechend gut verträglich für die Athleten ist.» Zudem könnten die Köche besser auf die Wünsche der Athleten eingehen.

Während einer dreiwöchigen Rundfahrt ist die Ernährung entscheidend. Deshalb ist neben den Köchen mit Simon Wallis auch ein Ernährungswissenschaftler beim Giro d’Italia dabei. Er ist dafür zuständig, dass die Fahrer genügend Nahrung zu sich nehmen. Die Zeiten, in denen ein grosses Frühstück für ein Velorennen reichte, sind längst vorbei. Entscheidend ist es nämlich, dass die Velofahrer so viel Kalorien zu sich nehmen, dass sie das Energieniveau möglichst gut halten können.

Dabei setzt das Team auf Gels, Riegel oder Pulver in Flaschen. «Manchmal ist Radfahren auch Mathematik. Es ist wichtig, dass die Athleten so viel Energie erhalten, wie sie brauchen», sagt Wallis. Radprofis verbrauchen pro Stunde etwa 1000 Kilokalorien, müssen deshalb rund 120 Gramm Kohlenhydrate in der Stunde zu sich nehmen.

«Unser Ziel ist es, Etappen für uns zu entscheiden»
Fabian Cancellara

Etappensiege sind das Ziel des Teams

Es muss jedes Detail stimmen auf dem Weg zum Erfolg für Tudor bei seiner ersten Teilnahme am Giro d’Italia. Dabei hilft es, dass rund die Hälfte des Staffs schon für andere Teams bei grossen Rundfahrten gearbeitet hat. Noch erfahrener sind die Fahrer. Einzig der 25-jährige Waadtländer Robin Froidevaux debütiert am Giro d’Italia. Mit Matteo Trentin, Alberto Dainese und Michael Store gibt es sogar drei Fahrer im Team, die schon mehrfach Etappen bei Grand Tours gewonnen haben.

12.10.2022, Vicenza, ITA, 85. Giro del Veneto 1.1 2022, von Padova nach Vicenza, im Bild Sieger Matteo Trentin ITA, UAE Team Emirates, 85. // during the 85th Giro del Veneto 1.1 UCI cycling race from  ...
Matteo Trentin weiss, wie man Etappen gewinnt.Bild: www.imago-images.de

Solche Exploits möchte Tudor nun auch am Giro d’Italia landen. «Unser Ziel ist es, Etappen für uns zu entscheiden», sagt Fabian Cancellara. «Wir werden aktiv fahren und versuchen, etwas zu holen.»

Langfristig sind die Träume des Tudor Pro Cycling Team noch grösser. CEO Raphael Meyer versprach bereits vor einigen Wochen, dass Tudor irgendwann das «Maglia Rosa» tragen möchte – für Gino Mäder. Der im letzten Jahr an der Tour de Suisse verstorbene Velofahrer wäre auf dieses Jahr zu Tudor gewechselt, sein Traum war ein Triumph beim Giro d’Italia.

Second placed Gino Maeder from Switzerland of team Bahrain Victorious, reacts during the fifth and last stage, a 15,8 km race against the clock between Aigle and Villarsl at the 75th Tour de Romandie  ...
Der im letzten Jahr an der Tour de Suisse verstorbene Gino Mäder wäre zu Tudor gewechselt.Bild: KEYSTONE
«Unsere Chancen werden kommen.»
Fabian Cancellara

Als die Rundfahrt am Samstag in einer 140 Kilometer langen Etappe von Venaria Reale nach Turin startet, stehen am Strassenrand viele Fans und jubeln den Athleten zu. Insbesondere beim Schlussanstieg, beim Turnier Hausberg Superga, bejubeln die Fans auch die Fahrer des Tudor-Teams. Doch der Exploit bleibt bei der Premiere auf der ganz grossen Bühne noch aus. Michael Storer als bester Fahrer des Teams klassiert sich auf dem 30. Rang.

Doch das ist erst der Anfang einer dreiwöchigen Rundfahrt. Cancellara sagt: «Unsere Chancen werden kommen.» Das Tudor-Team will auch auf der ganz grossen Bühne für Furore sorgen.

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Die Sieger des Giro d'Italia seit 1995
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Die Sieger des Giro d'Italia seit 1995
1995: Tony Rominger (Schweiz).
quelle: www.imago-images.de / imago images
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