Am Sonntag gehörten alle Schlagzeilen Marco Odermatt. Der Nidwaldner raste triumphal zu WM-Gold in der Abfahrt.
Neben der Piste sorgte in Courchevel ein anderer Skirennfahrer für Aufsehen. Einer, der im Weltcup noch nie besser als 18. war und dessen Saison wegen eines Kreuzbandrisses bereits vorbei ist. Der Österreicher Julian Schütter stellte in Frankreich einen Brief vor, den er und sehr viele andere Wintersportler dem Weltverband FIS haben zukommen lassen.
Das wichtigste Rennen ist jenes gegen den Klimawandel - und der Wintersport ist dabei, es zu verlieren. Diese Position vertritt ÖSV-Läufer Julian Schütter, der mit Mikaela Shiffrin, Aleksander Aamodt Kilde und über 130 weiteren Athleten einen Offenen Br… https://t.co/oiwilWJIq8
— PULS 24 (@puls24news) February 12, 2023
Der 24-jährige Schütter ist der Initiator des Schreibens. Gemeinsam mit über 130 Athleten, darunter Grössen wie Mikaela Shiffrin, Aleksander Aamodt Kilde oder Daniel Yule, fordert er von der FIS konkrete Klimaschutzmassnahmen. «Unser Sport ist bedroht von der Klimakrise. Wir rufen die FIS dazu auf, einen ambitionierteren Klimaschutz zu betreiben», sagte Schütter zu Reportern.
Die Unterzeichnenden fordern in ihrem Brief, dass bis 2035 alle FIS-Anlässe klimaneutral sind. Sie verlangen mehr Transparenz beim Thema Nachhaltigkeit, das Einrichten einer unabhängigen Nachhaltigkeits-Abteilung und eine 50-prozentige Reduktion der Emissionen ab 2030.
Schütter engagiert sich seit längerer Zeit fürs Thema. Neben dem Skisport studiert er Wirtschaftsingenieurswesen und erneuerbare Energien. Der Vegetarier reist ausserdem, so gut es geht, mit dem Zug an die Rennen. «Es hilft gegen die Klimaangst, wenn man aktiv wird und das Gefühl hat, man kann etwas bewegen. Dann versinkt man nicht in dieser Hilflosigkeit», sagte er unlängst in einem Interview mit der «Zeit».
Die Zukunft des Wintersports bereitet ihm Sorgen. Ständig überlege er, weshalb sein ökologischer Fussabdruck so gross ist. «Ich tue mich schwer, die Sinnfrage zu beantworten. Das nagt extrem an meiner Motivation, überhaupt noch weiterzumachen oder an mir sportlich zu arbeiten.»
«Bald werden wir an klassischen Weltcup-Standorten nicht mehr in der Lage sein, Kunstschnee zu produzieren, weil die Wintertemperaturen in niedrigen Höhenlagen immer öfter null Grad übersteigen werden», stellt Schütter fest. «Die öffentliche Meinung über Skifahren tendiert in die Richtung, dass es nicht mehr gerechtfertigt ist.»
Er bekomme selber auch die Kritik zu hören, dass es heuchlerisch sei, Klimaaktivist und zugleich Rennfahrer zu sein. «Kritische Kommentare sind berechtigt», sagt Schütter. «Nur: Ein Aktivist muss nicht perfekt sein oder ein Heiliger. Wir haben auch nur etwas grössere Affenhirne in unseren Köpfen, und die sind recht gut darin, etwas zu wissen, trotzdem anders zu handeln – und sich dabei nicht widersprüchlich zu fühlen.»
Damit die FIS die Forderungen der Athleten erfüllen kann, könnten laut Julian Schütter Anpassungen beim Saisonkalender helfen, dank denen die Reisen an die Rennen verkürzt werden können. «Mehrere Rennen auf einem Kontinent, dann weiterreisen – nicht im Zickzack», meinte Schütter. Zudem schlägt er andere Austragungsdaten vor: «Oktober ist nicht Winter, wir zeichnen ein falsches Bild. Dafür können wir bis April fahren.»
Der aktuelle Weltcup-Winter hätte Ende Oktober mit Abfahrten in Zermatt lanciert werden sollen, doch selbst in dieser Höhe hatte es zu wenig Schnee. Auch in Garmisch-Partenkirchen mussten Rennen abgesagt werden, in Adelboden fanden sie auf einem weissen Schneeband auf grünem Berg statt.
Nachdem der Tross bereits im November in Nordamerika war (Lake Louise und Beaver Creek), geht es nach der WM in Frankreich noch einmal über den grossen Teich. Ende Februar und Anfang März stehen Rennen in Aspen und Palisades Tahoe auf dem Programm, bevor es zurück nach Europa geht. Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann sprach von einem «ökologischen Blödsinn». Gemäss FIS-Präsident Johan Eliasch soll Lehmann indes bei der Planung des Kalenders die Idee mit dem zweiten US-Trip für «grossartig» gehalten haben.
«Ich verstehe nicht, wieso da so wenig Bewusstsein herrscht», meint Rennfahrer Schütter dazu. «Der Skisport ist existenziell und akut vom Klimawandel bedroht, jeder Funktionär und Sportler müsste der grösste Klimaaktivist sein.»
Doch für den umstrittenen Eliasch ist die weite Reise kein Problem, wie er dem «Blick» sagte. «Die meisten Athleten lieben die Idee, in Palisades und Aspen zu fahren, sie können es kaum erwarten.» Das sei wichtig, die Athleten seien schliesslich die wichtigsten Botschafter des Sports.
Eliasch, der zugleich grösster Aktionär des Skiherstellers Head ist, betont: «Der US-Markt ist riesig und wichtig. Und ökologisch fällt die zusätzliche Reise über den Atlantik verglichen mit anderen Posten in unserer Klimabilanz nicht gross ins Gewicht.» Der Spitzenfunktionär macht keinen Hehl daraus, dass er gerne Rennen in China austragen würde. Kurz nach seiner Wahl liess er ein Büro in Peking einrichten.
Die österreichische Nachrichtenagentur APA berichtete, die FIS habe die Briefübergabe von Julian Schütter ausbremsen wollen. Der Weltverband habe interveniert, so dass er über seine Aktion weder neben der Rennstrecke noch im Pressezentrum habe präsentieren können. Die FIS habe einen Zusammenhang mit radikalen Klimaschützern vermutet, so die Begründung.
Das Problem scheint eher zu sein das da an der Spitze der FIS jemand hockt, dem das Klima knapp am Allerwertesten vorbei geht. Scheint als würde er sich selbst verwirklichen wollen.