Hansi Hinterseer reagiert, wie es viele Österreicher in diesen Tagen tun. Denn die Seele derer, die den Skisport in unserem Nachbarland im Herzen tragen, schmerzt. Zumindest ein wenig. Aber viel mehr als es der Stolz zugeben würde. «Das ist eine typische Schweizer Frage», sagt Hinterseer, blondes Haar, weisse Jacke. Der Schlagersänger ist in Kitzbühel in seinem Element. Hier wurde er geboren, hier hat er 1974 den Weltcup-Slalom gewonnen. Singen und Skifahren. Natürlich trägt er Skischuhe.
30 Saisons in Folge hat Österreich die Nationenwertung im Skiweltcup gewonnen. Nun liegt die Schweiz in Führung. Also, Herr Hinterseer, wie sehr schmerzt dies in der Seele? «Wohl so, wie es euch Schweizer geschmerzt hat.»
In Österreich sind viele bemüht, die Bedeutung der Nationenwertung etwas herunterzuspielen. Den Eindruck zu hinterlassen, als ob es nur die Schweizer interessieren würde, wenn sich Historisches anbahnt. Tatsächlich mag die Wertung etwas vergessen gegangen sein. Was gegeben scheint, ist selten spannend. Doch umso spezieller wird es, wenn eine Serie zu reissen droht.
Und das mit der Gelassenheit? Manchmal verraten Gesten mehr als Worte. Zum Beispiel dann, wenn der Präsident des Österreichischen Skiverbandes ÖSV vor dem Fernseher sitzt und live mitrechnet, was welche Fahrt für die Nationenwertung genau bedeutet. «Beim Frauenrennen in St.Moritz habe ich das hautnah miterlebt», erzählt Georg Fraisl, Reporter bei der «Kronen Zeitung».
Peter Schröcksnadel ist also nervös, auch wenn er gegen aussen ein anderes Bild zeichnet. So sagte er der FAZ, dass es ja langweilig wäre, wenn immer nur die Österreicher gewinnen würden. Und er gut damit leben könnte, wenn die Swiss-Ski reüssiere. Nette Worte mit Kalkül. Fraisl sagt: «Er ist Optimist und glaubt immer an den ÖSV.»
Schröcksnadels Pendant bei Swiss-Ski, Urs Lehmann, hat schon vor Jahren das Ziel ausgerufen, die Österreicher in absehbarer Zeit zu überholen. Lange wurde er dafür belächelt. Zu dominant war der ÖSV. Nun steht die Wachablösung bevor. Lehmann sagt, es wäre ein Prestige-Erfolg. «Es macht mich stolz, dass wir mittlerweile die Breite haben, um genug Punkte zu sammeln.» Es ist das Resultat von gezielter Arbeit in den vergangenen Jahren. Mit neuen Konzepten, neuen Trainern und mehr Geduld. Über Jahre hat Swiss-Ski viele Talente auf dem Weg an die Spitze verloren. Nun klappt es besser.
Als Paradebeispiel gilt das Team der Slalomfahrer. Über viele Jahre war es die Disziplin der Sorgenkinder. Nun ist da eine Generation um Daniel Yule und Ramon Zenhäusern als Garant für Erfolg. Fleissige Punktesammler. Traumerfüller für Präsidenten. Albtraumbeschwörer für andere. Schröcksnadel sagte fast schon trotzig zur «Kleinen Zeitung»: Die Schweizer zahlen viel Geld, um ihn (den Nationencup, die Red.) zu gewinnen.» Als ob es der ÖSV nicht tun würde. Seit Jahren gelten die Strukturen bei unseren Nachbarn als Mass aller Dinge, werden Millionen für den Erfolg investiert.
Was ist also passiert? Sind die Schweizer so viel besser geworden oder die Österreicher so viel schlechter? Hinterseer lobt die Schweizer. «Die haben wirklich gute Arbeit geleistet.» Und stützt damit Andreas Puelacher, den Cheftrainer der österreichischen Männer. Dieser sagte den «Salzburger Nachrichten»: «Wir haben nicht nachgelassen. Ich glaube eher, die anderen sind durch das, was sie bei uns gesehen haben, stärker geworden.»
Fakt aber ist, dass die ÖSV-Männer nur Rang vier im Ranking belegen. Ohne die Lichtgestalt Marcel Hirscher fehlt der grosse Punktegarant im Team. Ein solcher ist Beat Feuz für Swiss-Ski, 461 Punkte hat er zur Führung im Ranking (Schweiz: 4653 Punkte, Österreich: 4376 Punkte) bisher beigesteuert.
Nur Wendy Holdener holte mit 493 noch mehr. Feuz sagt: «Es wäre schön, wenn die Schweiz den Nationencup nach 30 Jahren wieder holen könnte. Es ist Zeit, denen wieder einmal vor der Nase zu stehen.» Aber Skifahren ist ein Einzelsport. In erster Linie denkt der 32-Jährige an sich. «Wir fahren selber um 100 Punkte (die gibt es für einen Sieg, die Red.) Erst das zweite Ding ist es, dass das auch für die Nationenwertung viel bringt.»
Aber irgendwie hängt es eben doch zusammen. Weil die Athleten vom Verband profitieren und somit automatisch stärker sind, wenn dieser mehr Mittel zur Verfügung hat. Urs Lehmann sagt: «Wir haben mit den Sponsoren Leistungsprämien vereinbart. Rang eins würde uns ein schönes Extra bringen.» Wie viel, will er nicht sagen. Es dürfte sich aber um eine Summe im Bereich von rund einer halben Million Franken handeln.
Vor allem aber wäre es ein Ausrufezeichen in der Rivalität zwischen der Schweiz und Österreich. Das sieht auch Hansi Hinterseer so: «Seien wir ehrlich: Jede Nation will da voraus sein. Das ist doch klar.» So leicht lässt sich die Rolle des Gelassenen doch nicht spielen. Auch für einen Schauspieler.
Ein Verletzungsbedingter Ausfall bei den Topathleten (bei den Frauen und Männern) im CH-Kader und die Welt sieht wieder anders aus.
Aber auf keinen Fall hoffe ich das, natürlich.
Man hat ja gesehen wie schnell es gehen kann bei Dominic Paris.