Hippolyt Kempf war Olympiasieger – jetzt steht auch der Sohn vor einer Premiere
Vor beinahe 38 Jahren katapultierte ein damals 22-jähriger Luzerner Lockenkopf eine Randsportart in den Mittelpunkt. Hippolyt Kempf gelang 1988 in Calgary der erste und einzige Schweizer Olympiasieg in der Nordischen Kombination. Und mit der Staffel verpasste er Gold im Duell gegen Deutschland nur um drei Sekunden.
Kempf war ein Farbtupfer in der Schweizer Sportwelt. Erfrischend gradlinig und mit seinen ungeschminkten Aussagen zumindest für die Medien eine Bereicherung. Denn nicht überall kam seine direkte Art stets gut an. In der Saison 1989/90 verbannte der damalige Nationaltrainer seinen Olympiasieger wegen eines Disputs sogar temporär aus dem Team.
Unbequem blieb Kempf auch später als Trainer und Funktionär im Nordischen Skisport. Den Niedergang dieser faszinierenden Sportart, die mit Langlauf und Skispringen zwei von der Trainingslehre her fast nicht kombinierbare Disziplinen vereint, konnte aber auch das frühere Aushängeschild nicht verhindern. Im Januar 2014 sorgte Tim Hug mit einem Weltcupsieg für die bislang letzte Schweizer Sternstunde. Als der Solothurner 2019 zurücktrat, blieb der Weltcup während mehrerer Jahre eine Schweizer Brache.
Selbst die Olympischen Spiele könnten zum Thema werden
Heute ist Tim Hug Nationaltrainer und der 24-jährige Pascal Müller der einzige Schweizer Farbtupfer im Weltcup. Mit einem 27. Rang als Bestresultat fliegt der Glarner bislang aber unter dem Radar der Öffentlichkeit. Jetzt schickt sich ein 19-jähriger Lockenkopf an, der Sportart neues Leben einzuhauchen. Sein Name: Finn Kempf. Auch optisch erinnert er stark an den Vater. Am Wochenende gab Kempf seinen Saisoneinstand im starken Feld des Continental Cups und brillierte als Vierter beim Springen.
Im Verlauf der Saison soll das Debüt im Weltcup stattfinden. Und sogar eine Olympia-Teilnahme scheint mit Blick auf den Teamwettbewerb nicht ganz abwegig. Nationaltrainer Tim Hug sagt, er erlebe Finn Kempf als sehr fokussiert. «Er hat mit seinem Sieg im Sommer sicherlich Lunte gerochen.»
Wie man gewinnt, hat Finn Kempf bereits gelernt. Im September siegte er als erster Schweizer seit 14 Jahren im Alpencup. Mit dem zwei Jahre jüngeren Bruder Noé steht ein weiterer Kempf ganz oben in der Talentliste der Sportart, deren olympische Zukunft aktuell beim IOC auf dem Prüfstand steht.
Dass der Vater mitredet, stört die Söhne nicht
Sohn eines Olympiasiegers zu sein, ist nicht nur einfach. Zum einen steigert es automatisch die Erwartungshaltung, zum anderen können Tipps des Vaters bisweilen auch nerven. Offenbar nicht bei Finn Kempf. Er sagt, er sei sich an das Feedback des Vaters seit jungen Jahren gewöhnt. Schliesslich begleitet Hippolyt die Karriere seiner Söhne eng und durchaus mit gesundem Ehrgeiz.
Das geht so weit, dass selbst die Wahl der Sommerferien-Destination auf die sportlichen Ambitionen der Söhne ausgelegt war. In Japan kombinierte die Familie Kempf Skisprung-Trainings mit einer weiteren Leidenschaft, welche Eltern und Söhne teilen: Windsurfen. Vom Wohnort Thun aus begleitet Hippolyt Kempf den Nachwuchs auch regelmässig zum Schanzentraining in Kandersteg oder zu den Langlauf-Einheiten auf der Engstligenalp.
Auch als Chauffeur für den Schulweg ist der Vater bisweilen gefragt, wobei diese Dienstleistung einer Tagesreise entspricht. Finn und Noé besuchen das Skigymnasium Stams im Tirol. Dort wurde vor vier Jahrzehnten auch ihr Vater zum Olympiasieger geformt. In Österreich fremdgegangen sind die beiden Kempf-Brüder aber nicht aus nostalgischen Gefühlen ihrem Vater gegenüber, sondern weil es in den Schweizer Sportschulen vor vier Jahren schlicht noch keine spezifische Betreuung für Nordisch Kombinierer gab.
Inzwischen hat das Skigymnasium in Engelberg diesbezüglich aufgerüstet und auch beim Verband herrscht eine gewisse Aufbruchstimmung in der Nordischen Kombination mit aktuell sechs Athleten in nationalen Kadern. Mit Tim Hug hat Swiss-Ski auch erstmals seit 2018 wieder einen Nationaltrainer angestellt.
Ausbildung am gleichen Ort wie der Vater
Sein Schützling Finn Kempf bereitet aktuell nicht nur seine Saison vor, sondern auch die Matura. Der Anfang im fremden Tirol weg von der Familie vor vier Jahren sei nicht einfach gewesen, aber er habe sich in Stams schnell eingelebt und geniesse es inzwischen, «dass immer etwas läuft». Nach dem Schulabschluss will er vorerst auf den Sport setzen und zudem die Spitzensport-Rekrutenschule besuchen, falls er dafür selektioniert wird.
Seine Eltern hätten ihn schon als Zweijährigen auf die Langlauf-Ski gestellt, mit zehn Jahren sei er erstmals von einer richtigen Schanze gesprungen. Eine Pflicht oder gar einen Zwang, diese Sportart zu wählen, habe er aber nie gespürt. «Die Kombination hat mir ganz einfach Spass gemacht.» Er findet es auch cool, dass sein Bruder Noé die gleiche Faszination entwickelt hat. «So können wir uns gegenseitig pushen.» Nur etwas sei etwas weniger cool: Wenn ihn sein kleiner Bruder im Wettkampf bezwingt.
Die Kombination zittert um den Platz bei Olympia
Zur besonderen Herausforderung seiner Disziplin im Training sagt Finn Kempf: «Mit der Ausdauer darfst du dir die Schnellkraft nicht kaputt machen.» Aktuell gelingt ihm die Balance sehr gut. Der 19-Jährige hat zuletzt grosse Fortschritte gemacht, kommt etwa beim Skispringen viel höher vom Schanzentisch und hat jüngst auch die Leistungstests mit neuen Bestwerten abgeschlossen. Im Sommer durfte er im Rahmen des Grand Prix erstmals an der Weltspitze Mass nehmen. Er empfand dies ebenso als Extraportion Motivation wie die Aussicht auf das Weltcup-Debüt.
Und was meint Finn Kempf zur langfristigen Zielsetzung Olympiasieg? «Es ist sicher ein Traum von mir. Aber zuerst gilt es abzuwarten, ob die Sportart überhaupt im Programm der Winterspiele verbleibt.» Kempf muss nicht nur auf seinen Vater schielen, um zu wissen, dass der Olympiastatus für die Nordische Kombination existenziell wichtig ist. Wer wüsste sonst schon, was es mit dem Namen Kempf auf sich hat?
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