Was ist Jasper Cillessen vor dem Penaltyschiessen gegen Argentinien durch den Kopf gegangen? Wir können nur spekulieren. Denn die holländische Nummer 1 lief wortlos an den Journalisten vorbei.
Cillessen wusste, was die Welt von ihm dachte: Dass er einer ist, der sowieso keinen Penalty hält. Wieso sonst hätte ihn Louis van Gaal in der letzten Minute der Verlängerung gegen Costa Rica vom Platz genommen, um Ersatzgoalie Tim Krul zum Helden des Penaltyschiessens zu machen? Weil der eigene Trainer offenbar null Vertrauen in ihn, Cillessen, hat, wenn es zur Entscheidung aus elf Metern kommt.
Van Gaals Fehler. Entweder er nimmt Cillessen wieder raus oder er sagt nicht im Interview vorm Spiel "hält eh keine Elfer". #NEDARG
— Felix Haselsteiner (@FelixHa18) 9. Juli 2014
All das wird dem 25-Jährigen durch den Kopf gegangen sein. Seine Körpersprache signalisierte zu keinem Zeitpunkt, dass er selber daran glaubte, einen Schuss parieren zu können. Cillessen kennt das Gefühl sowieso nur aus dem Training, in einem Ernstkampf konnte er in seiner ganzen Karriere noch keinen einzigen Penalty abwehren.
Jasper Cillessen has never saved a penalty in his career.
Tim Krul: pic.twitter.com/aFBXY2VF4a
— Not Match of the Day (@NOT_MOTD) 9. Juli 2014
Van Gaal konnte seinen gefeierten Kniff nicht anwenden, weil er Captain Robin van Persie vom Platz nehmen und damit seine dritte Auswechslung vornehmen musste. «Es war notwendig», begründete der Bondcoach. «Robin van Persie fiel als Anspielstation aus, weil er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte.» Er brachte Klaas-Jan Huntelaar in der Hoffnung, dass dieser das Spiel noch vor dem Penaltyschiessen entscheidet.
Tragische Figur im holländischen Team war aber nicht Goalie Cillessen, sondern Verteidiger Ron Vlaar. Er zeigte eine starke Partie und wurde, eigentlich als Schütze Nummer sechs vorgesehen, von van Gaal deshalb gleich als erster an den Elfmeterpunkt geschickt.
«Ich laufe nicht weg vor der Verantwortung», sagte Vlaar nach seinem Schuss, den Argentiniens Goalie Sergio Romero parieren konnte. «Es ist sehr schade, dass alles hier in Brasilien so endet», meinte der enttäuschte Abwehrchef weiter.
Nun geht es für Oranje um nichts mehr. Dennoch muss die mühsame Pflicht des Spiels um Platz 3 noch abgespult werden – eine Partie, über die sich van Gaal aufregt. «Wenn wir nun verlieren sollten, haben wir zweimal verloren hintereinander und fahren als grosser Loser nach Hause», polterte der baldige Trainer von Manchester United. Seit Jahren fordere er die Abschaffung dieser unsinnige Partie.
Bis übermorgen wird die FIFA dem Wunsch Louis van Gaals kaum entsprechen. Also gilt es am Samstag um 22 Uhr gegen WM-Gastgeber Brasilien noch einmal ernst. Denn die Seleçao muss und wird alles daran setzen, nach ihrem desaströsten 1:7-Untergang gegen Deutschland wenigstens für ein halbwegs versöhnliches Ende des Turniers im eigenen Land zu sorgen.